Wut und Wertung
Warum wir über Geschmack streiten
von Johannes Franzen
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Erscheinungstermin 09.10.2024 | Archivierungsdatum 08.12.2024
Zum Inhalt
»Über Geschmack lässt sich streiten, über die Klugheit und Relevanz dieses Buches nicht!« Samira El Ouassil Der ausgewiesene Skandalforscher und Literaturwissenschaftler Johannes Franzen fragt...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783103976205 |
PREIS | 26,00 € (EUR) |
SEITEN | 240 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Schlechten Geschmack haben stets die anderen
Warum (zer)streiten wir uns über die Bewertung von Filmen, Büchern, bildender Kunst, PC-Spielen und Musik, fragt Johannes Franzen. Und nicht über das Überleben unseres Planeten, die Weltwirtschaft oder die realen Probleme einer alternden Gesellschaft, ließe sich ergänzen. Eine spontane Erklärung wäre, weil wir privilegiert sind, Zeit dazu haben und Soziale Medien uns nahezu barrierefrei Kommentarmöglichkeiten bieten. Johannes Franzen analysiert, welche Verlustängste Konflikte um Lieblingsfilme, Idole und generell Klassiker unserer Jugend auslösen und warum diese Konflikte so schnell eskalieren. Bei der Ankündigung seines Buches hatte ich mich gefragt, ob die Kulturszene betreffende Geschmacksfragen von Durchschnitts-Bürgern überhaupt noch nachvollzogen werden können.
In Franzens Betrachtungzeigt sich als psychologisch interessant, warum wir überhaupt Idole und Kunstwerke so vehement in Besitz nehmen, dass wir durch Kritik daran zu kränken sind, und warum uns der Distinktionsgewinn durch Bewertung (Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen) so wichtig ist. Distinktion trennt Eliten von „der Masse“, unterscheidet Hoch- und Popkultur, deren Zusammenstoß immer öfter zu eskalieren scheint. Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Kritik und Nutzerprotesten sollten bedacht werden, z. B. im einfachen Wettbewerb um Sichtbarkeit: wenn A Talkshoweinladung, Schlagzeilen, Preis, Stipendium oder Planstelle erhält, verdrängt das zugleich B aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Als Beispiel eines *-Sturms lesen wir über den Konflikt zwischen Oprah Winfrey, dem US-Autor Jonathan Franzen und dessen Verlag um die Empfehlung eines seiner Romane samt Aufkleber „Oprahs Book Club“. Autor und der Verlag hatten offenbar nicht bedacht, dass diese Kennzeichnung Umsätze generieren, aber zugleich treue Leser Franzens verprellen würde, für die Bestseller-Aufkleber einer Negativauswahl gleichkommen. Auch die deutsche Buchbranche konnte sich allein durch das Anbringen von Bestseller-Aufklebern hartnäckige Feinde machen … Franzen zeigt als weitere Beispiele für ausufernde Konflikte die Auszeichnung der Autorin Judith Zander, das Gomringer-Gedicht, Game of Thrones, Ego-Shooter, J.K. Rowling und Transidentität, Till Lindemann, Winnetou, die Auswirkung der MeToo-Debatte auf die Trennung von Werk und Autor (hier Woody Allen, Michael Jackson), sowie Attacken auf Kunstwerke durch Klimaaktivisten. Ob Kinderbuch-Klassiker sprachlich überarbeitet werden dürfen (was die Literatur-Blase in Deutschland intensiv beschäftigte), behandelt Franzen kurz und schmerzlos: eine Doppeladressierung an Kinder der Gegenwart und nostalgische Gefühle Erwachsener sei eine unerfüllbare Erwartung und ein Konflikt daher zwangsläufig. Nostalgie ist offenbar eines der mächtigsten Gefühle, das die gute Kinderstube außer Kraft setzen kann …
Interessant fand ich in „Wut und Wertung“ den Exkurs zur Pflichtrezeption von Literatur in der Schule (produziert ein Kanon nicht zwangsläufig eine Gegenbewegung?), sowie Musik in Dauerschleife in der Öffentlichkeit – könnten beide Phänomene durch die Macht/Vorauswahl einer kleinen Gruppe unsere Kränkbarkeit gesteigert haben?
Im Dreieck Kunstwerk, Publikum und Kritik haben sich durch niederschwelligen Zugang zu sozialen Medien die Seitenverhältnisse verschoben. Warum diese Verschiebung Wut, Schadenfreude, Mobbing und Hasskommentare überschwappen lässt, dafür findet Johannes Franzen Beispiele aus Film, Gaming und Literatur. Die Auswahl herangezogener Beispiele fand ich (nach dem Exkurs zu „Oprahs Stickern“) glücklicherweise vielfältig, plausibel und befeuernd für die nächste Geschmacks-Diskussion am Familientisch.
Ein Streit über Relevanz allein sei bereits Beweis der Relevanz, so Franzen im Interview.