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Unser Ole
Roman
von Katja Lange-Müller
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Erscheinungstermin 05.09.2024 | Archivierungsdatum 06.07.2025
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Zum Inhalt
Drei Frauen, die von ihren Müttern nicht geliebt wurden, ein kognitiv beeinträchtigter Junge, der sie verbindet, und ein unerwarteter Tod. Katja Lange-Müller gelingt mit diesem Kammerspiel ein literarisches Wunderwerk.
Die einst bildschöne Ida ist alt und vom Leben, den Männern und sich selbst enttäuscht. Um nicht völlig zu verarmen, arbeitet sie gelegentlich als Model bei Seniorinnenmodenschauen. In einem Kaufhaus begegnet sie Elvira, die ihren Enkel Ole betreut, genauer: ihn abwechselnd schikaniert und verwöhnt. Als Ida ihre Wohnung verliert, lockt Elvira, die den Kontakt zu ihrer Tochter abgebrochen hat und doch nichts mehr fürchtet als die Einsamkeit, die Freundin in ihr Landhaus, denn sie braucht Hilfe mit dem unberechenbaren, spätpubertierenden Hünen Ole.
Eines Morgens kommt es zu einem tragischen Ereignis, das Oles Mutter Manuela auf den Plan ruft. Sie hat ihren Sohn seit dessen erstem Lebensjahr nicht mehr gesehen. Während die Frauen einander misstrauisch umkreisen, entblättern sich ihre Familiengeschichten, ihre Biografien, ihre seelischen Verletzungen.
Katja Lange-Müller ist einzigartig in der literarischen Kraft und Präzision, mit der sie Figuren vom Rande der Gesellschaft unterschiedliche Stimmen gibt. Dieser Roman schärft aufs Feinste unser Denken und Empfinden. Er erzählt von ablehnenden Müttern, von den Widersprüchen, aus denen sich eine Persönlichkeit zusammensetzt, von der heimlichen Sehnsucht nach Zuneigung und all den Lebenslügen, die so gelogen manchmal gar nicht sind.
Drei Frauen, die von ihren Müttern nicht geliebt wurden, ein kognitiv beeinträchtigter Junge, der sie verbindet, und ein unerwarteter Tod. Katja Lange-Müller gelingt mit diesem Kammerspiel ein...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783462050172 |
PREIS | 24,00 € (EUR) |
SEITEN | 240 |
Links
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Unser Ole
Kammerspiel in Prosa
Katja Lange-Müller ist eine souveräne Schriftstellerin, die ihre Routine und können in diesem kleinen Roman voll ausspielt.
Sie schafft in kurzer Zeit die Ausgangssituation, die die Handlung bestimmen wird.
Die 76jährige Ida zieht zu Elvira und ihren Enkel Ole, der 17 Jahre alt und geistig behindert ist.
Als Ida Elvira mit Genickbruch tot auf der Treppe findet, ist da der Verdacht, dass Ole in seiner Unbeherrschtheit beteiligt war.
Oles egoistische Mutter Manuela taucht auf, um ihr Erbe zu sichern.
Es kommt zu einer Art psychologischen Zweikampf zwischen den in jeder Hinsicht ungleichen Frauen.
Ich könnte mir den Stoff auch gut als kammerspielartigen Fernsehfilm vorstellen.
Mit der Darstellung Oles hatte ich teilweise meine Probleme. Man hätte auch zeigen können, was Menschen mit Behinderung dennoch leisten können. Allerdings wurde Ole anscheinend nie in irgendeiner Form gefördert.
Davon aber abgesehen, ist der Roman großartig und unbedingt lesenswert.
9783462050172
Rückblickend könnte man sich fragen, was Elvira Michalski so sicher sein ließ, dass Ida Isolde Schlosser ihr nützlich sein würde. Elvira lebte mit ihrem kognitiv beeinträchtigten Enkel Ole in einem würfelförmigen Siedlungshäuschen mit charakteristisch hohem Dach im Umland von Berlin. Inzwischen 18 Jahre alt, ohne ärztliche Diagnose, fachliche Betreuung oder Pflegestufe ist Ole seiner Großmutter buchstäblich über den Kopf gewachsen und lässt sich nicht mehr lenken. Ida, die ihr Leben bisher um eine Aufeinanderfolge von Sugar-Daddys angeordnet hat und als Senioren-Model arbeitet, begegnet Elvira während einer Modenschau. Dass Ida nun bei Elvira und Ole einzieht, ist von Anfang an keine Beziehung auf Augenhöhe; Elvira bleibt weiterhin die Chefin, Ida das Hauspersonal. Als eines Morgens Elvira tot auf dem Treppenabsatz gefunden wird, müssen Polizei und Elviras Tochter informiert werden. Ihr Tod wird gnädig zum Unfall erklärt; denn Ole, über dessen autistische Züge gemunkelt wird, kann nicht befragt werden.
Manuela Michalski, die selbst ein Junge hätte werden sollen, überließ Ole nach ihrem Klinikaufenthalt wegen postpartaler Depression einfach ihrer Mutter. Die Tochter erfand sich neu und lebte fortan mit der Legende, ihre manipulative, irre Mutter hätte ihr Ole weggenommen. Das kurze fragile Arrangement zwischen Ida und Elvira setzt die Tochter fort; sie gibt Ida nun die Anordnungen.
Während die zur Nachkriegssiedlung passenden Redensarten im Text immer verschnörkelter wirken, verschwindet Ole und wird seitdem vermisst …
Fazit
Katja Lange-Müller seziert weibliche Lebensentwürfe und Varianten von Mutterschaft in zwei Generationen. Der urkomische Text lässt großzügig Raum für eigene Spekulationen – wie starb Elvira wirklich, wie könnte Ole seine Umwelt wahrnehmen – und wo ist er überhaupt? Eine großartige Milieustudie Im „Haus vom Nikolaus“.
Wie viel Drama sich auf nur 240 S. entfalten kann,das zeigt "Unser Ole"
Ida zieht bei Elvira ein.Beide sind alt.Ida braucht eine Unterkunft,da ihr die Wohnung gekündigt wurde und Elvira braucht Gesellschaft.Sie lebt mit ihrem nicht sprechenden, autistischen Enkel in einem kleinen Haus am Waldrand.Die beiden Frauen kommen gut miteinander aus,bis Elvira durch einen Treppensturz zu Tode kommt.Als die Tochter von Elvira aus Berlin anreist,ändert sich vieles für Ida und für Ole.
Das Buch hat sehr humorvolle Seiten,wenn ich an die Vernehmung der Polizei denke,aber es ist eher tragisch,da diese drei Frauen und nicht zuletzt Ole,nie von ihren Müttern ehrlich geliebt wurden.
Eine klare Leseempfehlung.
Dieses Buch hat ein geheimnisvolles Cover was die Neugierde anheizt. Ida war in ihrer Jugend bildhübsch, jetzt ist sie alt. Um nicht zu verarmen, arbeitet sie als Senioren-Modell. Da begegnet sie Elvira, die ihren kognitiv beeinträchtigten Junge Ole betreut. Ida verliert ihre Wohnung und Elvira bietet ihr Unterschlupf bei ihr an. Den Kontakt zu ihrer Tochter hat sie abgebrochen. Zudem braucht sie Hilfe bei der Betreuung des unberechenbaren, spätpubertierenden Hünen Ole. Eines Morgens passiert ein tragisches Ereignis. Elvira wird tot auf dem Treppenabsatz gefunden. Nun müssen Polizei und Elviras Tochter benachrichtigt werden. Alles wird als Unfall erklärt. Ole kann nicht befragt werden. Oles Mutter Manuela und Ida stehen sich misstrauisch gegenüber. In dieser sehr Feinfühligen Geschichte wird von ablehnenden Müttern, heimlicher Sehnsucht nach Zuneigung erzählt. Dieses Buch fordert den Leser schon etwas heraus. Die Schilderungen sind für mich so etwas wie eine Milieustudie im Siedlungshäuschen. Mich hat diese Geschichte herausgefordert und lässt Raum für die eigenen Spekulationen der Ereignisse. Ein Buch das man lesen sollte.
Es war eine große Freude dieses Buch zu lesen. Psychologisch raffiniert erzählt Katja Lange Müller von Sehnsucht, Ablehnung, von Mutter-Kind-Beziehung. Die weiblichen Hauptpersonen sind nicht in der Lage zu lieben, da sie von ihren Müttern nie geliebt wurden. Katja Lange Müller hat mit ihrer genauen Sprache eine eindringliche, tragische aber auch humorvolle Geschichte geschrieben.
In 'Unser Ole' erzählt Katja Lange-Müller gekonnt die Geschichte dreier Frauen, die nie geliebt wurden, und natürlich von Ole. Ole, 17 Jahre, vermutlich Autist, lebt seit seiner Geburt bei der Oma. Seine Mutter, depressiv und traumatisiert, war nicht in der Lage, sich um ihren Sohn zu kümmern. Doch strenggenommen, ist auch die Oma nicht dazu in der Lage, hat schon bei der einzigen Tochter versagt. Ida, die 76jährige Dritte im Bunde, wohnungslos und schwer gekränkt, nimmt das Angebot von Elvira an und zieht bei ihr und deren Enkel Ole ein.
Drei Frauen, die von ihren Müttern nie geliebt oder gewollt waren, ein Junge, der weder eine Diagnose hat, noch die Aufmerksamkeit bekommt, die er so dringend benötigt. Vier Menschen, die nicht in der Lage sind, sich anderen zu öffnen, geschweige denn sich den eigenen Gespenstern zu stellen bevor sie noch mehr Schaden anrichten.
'Unser Ole' spielt sich auf engstem Raum ab, lässt uns eintauchen in die Köpfe derer, die für einen scheinbar Hilfsbedürftigen verantwortlich sind und zeigt auf dramatische Weise, dass psychische Wunden nicht von alleine heilen.
Katja Lange-Müller schafft es auf beeindruckende Weise, uns Lebensentwürfe zu präsentieren, die zwar fremdbestimmt aber nicht fremd sind. Wir tauchen ein in Gedanken, die vordergründig brutal scheinen, doch eigentlich nur ein Hilferuf sind. Und dann ist da noch die Geschichte von Ole, der Junge, der mir beim Lesen nicht nur einmal das Herz gebrochen hat.
Ida und Manuela. Auf den ersten Blick scheinen sie total unterschiedlich zu sein aber näher betrachtet eint sie ein Thema. Sie sind ungewollte Töchter ihrer jeweiligen Mütter. Das scheint tragisch zu werden denkt man zu Beginn der Lektüre aber das wird es nicht. Katja Lange Müller, hat ein sehr gutes, leichtes und trotzdem sensibles Händchen für ihre Protagonistinnen und da gibt es ja auch noch Ole,18, vielleicht Autist und geistig beeinträchtigt, der Sohn von Manuela. Hat er seine Oma Elvira von der Treppe gestoßen? Und kann Ida im Haus weiter wohnen wenn Manuela das Haus erbt ? Manuela hat Ole seit er ein Baby war nicht mehr gesehen. Wie wird er auf sie reagieren ? Das sind die Personen in diesem Nikolaus Haus, quadratisch, mit 4 Fenstern , einer knarrenden Eingangstür, irgendwo auf dem Dorf im Osten. Ich mag den leichten, herben Ton in den Geschichten von Katja Lange Müller. Zitat „- Ich zieh auch gerne mal an so einem Gummibärchen. Allerdings würde ich nie behaupten, dass ich es großziehe, das wäre Blödsinn. Ich klemme mir den Kopf des Bärchens zwischen die Zähne und den Rest zwischen Daumen und Zeigefinger und dann ziehe ich, bis es kaputt ist. Danach esse ich beide Hälften, den Kopf aus Prinzip zuerst. Warum ich das mache, weiß ich nicht. Bin wahrscheinlich ein bisschen neurotisch, wegen Mutter, die sich bei Gott und der Welt darüber beklagte, dass sie mich allein großziehen musste.“ Große Empfehlung und ein Lesevergnügen der besonderen Art über Mütter und Töchter und ihre oft schwierige Beziehung zueinander.
Diese Geschichte von Langen-Müller spaltet die Leser gewaltig. Es ist schwere Kost, sprachlich allerdings sehr gut umgesetzt.
Es geht um Ida, die als sie ihre Wohnung verliert, bei einer Bekannten, Elvira, einzieht. Diese betreut ihren Enkel Ole. Ida hilft ihr nun dabei. Elvira kommt zu Tode und dann erscheint Oles Mutter.
Die Gefühlswelt aller drei Frauen ist geprägt von fehlender Mutterliebe und den daraus resultierenden Mangel Lieb und Empathie. Eine seelische Wüste.
Die Autorin ist sprachlich sehr versiert, sie legt den Finger in Wunden.
Unterhaltsam böse, keine der Frauen ist sympatisch und Ole eher unheimlich-unergründlich als mitleiderregend, und doch fühlt man irgendwie mit jeder auch mit. Gut komponiert, ein herbes Lesevergnügen.
"𝑼𝒏𝒔𝒆𝒓 𝑶𝒍𝒆": 𝑬𝒊𝒏 𝒈𝒓𝒐𝒕𝒆𝒔𝒌-𝒌𝒐𝒎𝒊𝒔𝒄𝒉𝒆𝒔 𝑲𝒂𝒎𝒎𝒆𝒓𝒔𝒑𝒊𝒆𝒍 𝒅𝒆𝒓 𝒔𝒆𝒆𝒍𝒊𝒔𝒄𝒉𝒆𝒏 𝑨𝒃𝒈𝒓ü𝒏𝒅𝒆
Katja Lange-Müller, Unser Ole. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2024
Mit ihrem neuesten Roman "Unser Ole" hat Katja Lange-Müller einmal mehr bewiesen, warum sie als eine der scharfsinnigsten Beobachterinnen menschlicher Schwächen gilt. In einem literarischen Kammerspiel von erschütternder Schönheit und dunkler Komik verwebt sie die Geschichten dreier Frauen und eines beeinträchtigten Jungen zu einem Geflecht aus Lieblosigkeit, Machtspielchen und tragischer Verlorenheit.
Handlung: Von Familienbindungen und deren Zerfall
Im Zentrum des Romans stehen Ida, Elvira und Manuela – drei Frauen, die jeweils auf ihre Weise durch ihre Mütter geprägt wurden, ohne jemals wirkliche Liebe erfahren zu haben. Ida, einst eine strahlende Schönheit, lebt mittlerweile am Rande des Existenzminimums und zieht bei Elvira ein, die in einem unscheinbaren Haus am Berliner Stadtrand mit ihrem Enkel Ole wohnt. Der kognitiv beeinträchtigte Ole, ein Teenager mit einer Vorliebe für Bettdecken und Buntstifte, ist das Bindeglied zwischen diesen Frauen – und gleichzeitig der Auslöser für latente Konflikte und unausgesprochene Vorwürfe.
Als ein mysteriöser Unfall Elviras Tod herbeiführt, tritt Manuela, Oles entfremdete Mutter, auf den Plan. Die Geschichte entwickelt sich zu einem packenden Psychodrama, das ebenso von der Vergangenheit der Figuren wie von der Frage nach Schuld und Verantwortung in der Gegenwart lebt. Lange-Müller enthüllt nach und nach die Brüchigkeit ihrer Protagonistinnen und verwebt dabei Themen wie Traumata, Mutterliebe und soziale Isolation zu einer beklemmenden Erzählung.
Figuren: Meisterhafte Charakterzeichnungen
Die Figuren sind das Herzstück von "Unser Ole". Ida, die sich mit ihren verblassenden äußeren Reizen an eine unwürdige Existenz klammert, ist ebenso tragisch wie komisch. Ihr Narzissmus und ihre Selbstüberschätzung kontrastieren scharf mit der Realität ihres verarmten Daseins. Elvira hingegen ist die strenge Großmutter, deren rigide Prinzipien und emotionale Unzugänglichkeit sie gleichermaßen zur Beschützerin und Peinigerin ihres Enkels machen. Manuela, die durch ihre eigene zerrüttete Kindheit geprägt ist, wird von Lange-Müller als gebrochene, distanzierte Figur gezeichnet, die in ihrer Unfähigkeit zur Nähe fast erstarrt.
Ole selbst bleibt eine stille, oft unheimliche Präsenz. Mit einem IQ von etwa 40 und autistischen Zügen ist er weniger eine handelnde Figur als vielmehr ein Symbol für die gescheiterten Hoffnungen und verdrängten Schuldgefühle der Frauen um ihn herum.
Sprache und Stil: Präzision trifft Groteske
Katja Lange-Müllers Sprache ist meisterhaft: knallhart, sarkastisch und dennoch voller Empathie. Sie schafft es, ihre Figuren in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit lebendig werden zu lassen. Besonders beeindruckend ist ihre Fähigkeit, grotesken Humor mit psychologischer Tiefe zu verbinden. Szenen wie die Beschreibung von Elviras bizarrem Haushalt, in dem sie einst Kaninchen hielt, die wegen Oles Missgeschicken alle eingeschläfert werden mussten, changieren zwischen Komik und Tragik.
Ein weiteres Highlight ist die stilistische Vielschichtigkeit: Lange-Müller wechselt souverän zwischen ironischen Kommentaren und poetischen Momenten, die den Leser tief berühren. Dabei bleibt sie stets präzise, ihre Prosa niemals sentimental.
Themen: Gesellschaftskritik und menschliche Abgründe
"Unser Ole" ist mehr als ein Familiendrama. Der Roman ist eine subtile Gesellschaftsanalyse, die sich sowohl mit patriarchalen Strukturen in der DDR als auch mit den seelischen Narben des Mauerfalls auseinandersetzt. Die Figuren sind Produkte ihrer Zeit, doch Lange-Müller vermeidet es, sie auf simple Opferrollen zu reduzieren. Stattdessen zeigt sie, wie Trauma und Lieblosigkeit sich über Generationen hinweg fortsetzen und neue Wunden reißen.
Gleichzeitig ist der Roman eine Reflexion über die Schwierigkeit, echte Verbindungen einzugehen. "Sie durchschauen einander, aber sich selbst kennt keine", heißt es im Roman. Diese Einsicht durchzieht die gesamte Erzählung und verleiht ihr eine universelle Dimension.
Meine Meinung: Ein bitter-süßer Triumph
"Unser Ole" ist ein bemerkenswerter Roman, der gleichermaßen unterhält und verstört. Katja Lange-Müller gelingt es, ihre Leser tief in die Abgründe der menschlichen Seele zu führen, ohne dabei den trockenen Humor und die groteske Komik aus den Augen zu verlieren. Die Figuren sind so real, dass man sich ihnen oft unangenehm nahe fühlt, und doch faszinieren sie durch ihre Widersprüche.
Dieser Roman ist keine leichte Kost, aber gerade deshalb ein literarisches Meisterwerk. Er fordert den Leser heraus, sich mit den dunkleren Seiten des Menschseins auseinanderzusetzen, und belohnt ihn mit einer tiefgehenden, bewegenden Erfahrung.
Hintergrund: Die Autorin Katja Lange-Müller
Katja Lange-Müller, geboren 1951 in Ost-Berlin, hat sich mit Werken wie "Verfrühte Tierliebe" und "Drehtür" als eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur etabliert. Ihre Erfahrungen als Tochter einer hochrangigen DDR-Funktionärin und ihre Arbeit in der Psychiatrie prägen ihre literarische Perspektive. Ihre Texte zeichnen sich durch einen gnadenlos genauen Blick und eine Vorliebe für das Groteske aus. Mit "Unser Ole" setzt sie diese Tradition auf beeindruckende Weise fort.
Fazit: Ein unverzichtbares Leseerlebnis
"Unser Ole" ist ein Roman, der noch lange nachhallt. Er ist melancholisch, bissig und zugleich zutiefst menschlich. Katja Lange-Müller hat ein Werk geschaffen, das ebenso komplex wie zugänglich ist und das sich nicht in einfachen Antworten erschöpft. Für alle, die sich für literarisch anspruchsvolle Geschichten begeistern, ist "Unser Ole" ein absolutes Muss.
Eine wahre Geschichte verfremdet erzählt.
Die Autorin ist in Ost-Berlin geboren, kennt also selbstbewusste, unabhängige Frauen der DDR und ihre oft lieblos aufwachsenden Kinder. Die besonders herzlosen Beziehungen zwischen drei Frauen hier und einem geistig behinderten Sohn Ole sind geprägt durch die Angst vor Einsamkeit, Mitschuld, Machtlosigkeit, Verarmung und dem Mangel an Liebe und Vertrauen zwischen Mutter und Tochter. Wie diese doch sehr unterschiedlichen Frauen durch Lieblosigkeit im gesamten Leben beeinträchtigt wurden, wird gut beschrieben, wenn auch in manch verschachteltem Satzbau. Das Zusammenleben mit dem autistischen Ole wird realistisch vorstellbar in seiner ganzen Absonderlichkeit, bildet hier den roten Faden bis zu seinem ungeklärten Verschwinden als dramatischer Höhepunkt. Das dörfliche Ambiente des renovierungsbedürftigen Umsiedler- Hauses, Elviras Nikolaushaus, bildet den traurigen Mittelpunkt für tiefgehende emotional abweisende Verstrickungen untereinander und auch gegenüber Ole. Drei verschiedene Frauen-Biographien mit ihren seelischen Verletzungen sind gut karikiert mit passender Wortwahl.
Als es Ida nicht mehr gelingt die Männer mit ihrer Schöhnheit an sich zu binden, steht sie zwar mit tollen Brüsten, aber ohne Geld da und muss sich einen Plan B für ihren Lebensabend überlegen. Rettung verspricht die Bekanntschaft mit Elvira, die Ida bei sich und Enkel Ole aufnimmt, nicht ohne Hintergedanken. Eines Morgens stirbt Elvira nach einem Treppensturz und plötzlich muss Ida fürchten auf der Straße zu landen, denn nun tritt Elviras ungeliebte Tochter als Erbin auf den Plan.
Ida, Elvira und deren Tochter Manuela, die eigentlich ein Manuel hätte werden sollen, verbunden über Ole, Manuelas kognitiv beeinträchtigten Sohn Ole. Die Autorin schafft hier eine spezielle Konstellation an Personen, die alle eine Gemeinsamkeit haben, sie wurden und werden von ihren Müttern nicht geliebt.
Da ist Ida, die aufgewachsen ist, ohne je etwas über ihren Vater zu erfahren und später verzweifelt nach der Liebe von Männern sucht, die es aber trotz ihrer Schönheit nie schafft diese an sich zu binden.
Elvira, die eigentlich nie Mutter werden wollte und nur auf Drängen ihres Mannes schwanger wird und sich unbedingt einen Sohn wünscht.
Manuela, Elviras Tochter, die eben kein Manuel geworden ist, vom Vater wird sie als seine kleine Prinzessin vergöttert, die Mutter steckt sie in Hosen, schneidet ihr die Haare kurz und entsorgt ihre Puppen im Müll.
Ole, Manuelas Sohn, mit einer Hirnschädigung zur Welt gekommen lebt er seit seiner Geburt bei Oma Elvira, während seine Mutter ihr Leben frei von der Last seiner Versorgung lebt. Ole, der die Frauen im Buch miteinander verbindet, aber selber fast gar nicht in Erscheinung tritt.
Das Buch beschreibt zwischenmenschlichen Beziehungen mit einem guten Blick hinter die Fassade. Die Autorin beschreibt Idas recht parasitären Lebensstil ebenso treffend wie Elviras manipulative, egoistische Art, oder Manuelas extrem nach Mitleid haschende Opferrolle. Viel Raum nimmt natürlich die toxische Mutter Tochter Beziehung von Elvira und Manuela ein. Während Manuela den früh verstorbenen Vater anbetet, kommt ihre Mutter nicht so gut weg, ihr wird Eifersucht unterstellt, zwischen den Zeilen könnte man Elviras Verhalten aber auch als Versuch werten, ihre Tochter vor einer ungesunden Liebe durch den Vater zu schützen. Psychologisch ist das sehr gut ausgearbeitet, ebenso wie die verschiedenen Versionen dazu, warum Ole bei seiner Oma lebt. Während Elvira sich mehr, oder weniger als Retterin von Ole fühlt, weil sie vollkommen selbstlos den, von der Mutter aufgrund seiner Beeinträchtigung abgelehnten Jungen bei sich aufnimmt, fühlt Manuela sich von ihrer herrschsüchtigen Mutter übergangen und beraubt, glaubt, das diese Ole negativ beeinflusst und seiner Mutter entfremdet.
So wie die Frauen in diesem Buch keine wirkliche Liebe erfahren haben, bleibt diese auch Ole verwehrt, denn so sehr sich Elvira auch damit brüstet sich um ihn zu kümmern, Liebe ist in ihrem Umgang mit dem wortkargen Riesen nicht zu erkennen. Aber nicht nur die Liebe fehlt in Oles Leben, sondern auch Ansprache und Förderung, der Junge kennt nichts außer dem Haus seiner Oma, hat keinerlei soziale Kontakte, kann sich nur eingeschränkt äußern, wird zwar mit dem Nötigsten versorgt (Bockwurst und Cola), ist aber ansonsten sich selbst überlassen.
Beim Lesen habe ich die verschiedensten Emotionen durchlebt, ich war berührt, aber mehr noch wütend, gerade wenn es um den Umgang mit Ole ging. Das Buch beschreibt tiefgründig Eltern- Kind Beziehungen, hier mit dem Fokus auf Mütter und Töchter. Der tietelgebende Ole dient als Bindeglied, kommt mir aber leider viel zu kurz, weswegen ich letztlich auch einen Stern Abzug gebe.
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