Die neue Entfremdung

Warum Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften und was wir dagegen tun können

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Erscheinungstermin 08.02.2024 | Archivierungsdatum 01.02.2025

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Zum Inhalt

Vor mehr als 30 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt, doch seit dem Ukrainekrieg erlebt das Land beim Zusammenwachsen einen deutlichen Rückschritt. TV-Moderatorin Jessy Wellmer, die sich in Ost wie West zu Hause fühlt, spürt dem tiefen Riss nach – und macht sich auf die Suche nach einem Weg, wie die deutsche Vereinigung doch noch glücken könnte.

Jessy Wellmer ist 1979 in Güstrow in Mecklenburg geboren. Sie war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Heute ist sie bekannt als Moderatorin der »Sportschau« sowie diverser politischer Formate der ARD. Seit dem Studium in Berlin ist sie viel im ganzen Land unterwegs. Im Westen wird sie gefragt, was mit den Ossis los ist. Ostdeutsche wollen von ihr wissen, wie der Westen tickt. Diese Vermittlerinnenrolle ist eines ihrer Lebensthemen.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sieht sie mit Sorge, dass sich viele im Osten radikalisieren und dass dort das Gefühl zunimmt, nicht viel gemein zu haben mit den Westdeutschen. Umgekehrt beobachtet sie, dass viele Westdeutsche die »Ostler« vor allem als Störfaktor wahrnehmen. Warum ist das so? Was ist schiefgegangen? Und vor allem: Wie kommen wir da wieder raus?

Wellmer gibt keine einfachen Antworten. Sie sieht genau hin und nimmt die unterschiedlichen Geschichten und Erzählungen ernst. Die Zeit der DDR und die Phase der Wiedervereinigung sind für sie Teil der gemeinsamen Geschichte Deutschlands.

Vor mehr als 30 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt, doch seit dem Ukrainekrieg erlebt das Land beim Zusammenwachsen einen deutlichen Rückschritt. TV-Moderatorin Jessy Wellmer, die sich in Ost...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783462005318
PREIS 24,00 € (EUR)
SEITEN 256

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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Welmer ist eine wohltuende Stimme in der allgemein aufgeheizten Lage und Vorverurteilung. Für alle, denen der Oschmann auf die Nerven geht und die verstehen wollen, was eigentlich los ist im Osten UND im Westen.
Jessy Welmer, gebürtige Greifswalderin und erfolgreiche TV-Journalistin, setzt mit diesem Buch fort, was sie mit ihren beiden viel beachteten Dokumentationen begonnen hat. Sie geht ins Gespräch und sie erkundet die Seelenlage "ihrer" Ostdeutschen. Das sind Freunde, Kollegen, anders Denkende und Gleichgesinnte. Welmer zeichnet aus, dass sie immer und immer wieder den Perspektivwechsel übt, auch Sichten nachvollzieht, die sie nicht teilt.
Das Buch ist sehr persönlich, keine soziologische Abhandlung; eher eine gut recherchierte journalistische Bestandsaufnahme. Fakten zieht sie aus Artikeln, Interviews, wenigen Statistiken. Sie verknüpft das mit politischen Ereignissen und formt ein gut zu lesendes, nachvollziehbares Bild der Entfremdung, die zwischen Ost und West besteht; erklärt, warum uralte Vorurteile auf beiden Seiten leicht reaktiviert werden und die Entfernung eher zu- als abnimmt. Interessant auch der Blick auf die unterschiedliche Generation und die sehr verschiedenen Erfahrungsräume. Wer zwischen Ost und West wechselt, ob beruflich oder privat, hat häufig mehr Verständnis für beide Seiten. Aber selbst in dieser Gruppe bleibt ein "Anderssein", eine unausgesprochene Kennzeichnung nach Herkunft.
Welmer hat ein klares Anliegen: sie plädiert für Kennenlernen, Verstehen, Austausch. Das klingt häufig - wie sie selbst einräumt - "ziemlich nach Gemeinschaftskunde" und ist dennoch alternativlos.

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Es ist ein Problem, das in der Schweiz kaum wahrgenommen wird: Deutschland fremdelt immer noch mit seinem Osten. Zwar ist es bald 34 Jahre her, dass in Berlin die Mauer fiel. Aber mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine «ist etwas aufgebrochen, das ich für geheilt hielt», schreibt Jessy Wellmer in ihrem klugen Buch über Ostdeutschland. «Viele im Osten nehmen diesen Krieg und die moralische Haltung des Westens persönlich», schreibt sie, «sie werten die Ächtung der russischen Aggression, der Expansions- oder Restaurationspolitik Putins als Angriff auf sich, auf ihre ‹Ostidentität›.» Wie kommt das? Warum ist noch immer nicht zusammengewachsen, was zusammengehört? Was treibt die Ostdeutschen um und warum werden sie im Westen noch immer als halbe Deutsche wahrgenommen? Jessy Wellmer stammt selbst aus dem Osten. Sie schreibt, dass sich viele ihrer Landsleute dem Westen (erneut) nicht zugehörig fühlen. Das hat viel damit zu tun, wie der Westen mit der ehemaligen DDR umgegangen ist – und heute noch umgeht mit den Menschen, die da leben.

Jessy Wellmer versteht ihr Buch als «Beitrag zur Wiedervereinigung». Ihr Ziel sei es, zu vermitteln «zwischen zwei Seiten, die zusammengehören und doch noch immer so sehr für sich stehen». Jessy Wellmer ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Von sich selbst sagt sie, sie sei auf beiden Seiten zu Hause: 1979 in Güstrow in Mecklenburg geboren und aufgewachsen, seit dem Studium mehr im Westen unterwegs, mit einem Westdeutschen verheiratet, zwei Charlottenburger Kinder. Mittlerweile hat es ins Herz des (west-)deutschen Fernsehens geschafft: Seit Herbst 2023 ist sie eine der beiden Hauptmoderatoren der «Tagesthemen» in der ARD.

Sie fürchtet, dass im Osten das Gefühl zunimmt, «gar nicht zusammenzugehören mit diesem Westen, der uns Ostler immer nur als Störfaktor wahrnimmt». Im Osten sagen die Leute, der Westen habe doch immer alles besser gewusst und nie wirklich auf Augenhöhe mit dem Osten gesprochen. «Und jetzt, wenn es um Russland, um Gut und Böse, geht, weiss er es wieder besser, und wieder sollen sich die im Osten einfach so anpassen und mitmachen. Das wollen sie aber nicht. Und sie wollen auch nicht für das Handeln des Westens in Mithaftung genommen werden.» Und warum wollen sie nicht? Weil vielen im Osten aufgrund ihrer Prägung Gleichheit und Sicherheit möglicherweise wichtiger sei als Freiheit. Dazu komme, dass «die Erinnerungen an die Freiheitsberaubung und die ideologische Gängelung durch die DDR, an Stillstand und Verfall nach drei Jahrzehnten bei vielen nicht mehr so lebendig sind.» Erinnerungen verklären die Vergangenheit. Die Stasi ist vergessen, zurück bleiben Wehmut und Nostalgie.

Dabei haben sich die Menschen im Osten gesehnt, in den Westen reisen, ja: zum Westen gehören zu dürfen. Wenn ein Auto aus Berlin durch Güstrow gefahren sei, habe sie als Kind jeweils «unbedingt einen Eindruck von den Insassen erhaschen» wollen, schreibt Jessy Wellmer. Sie wollte sich «vorzustellen, was die wohl für ein Leben in Berlin führten mit Kübeleis und Sat.1 und Ketwurst. Das mussten glückliche Menschen sein.» Sie selbst hatte eine grösstenteils sorgenfreie Kindheit mit vielen schönen Erinnerungen. Und das heisst ja zugleich auch: «Ich hatte eine schöne Kindheit in der DDR.» Denn sie hat die DDR mit Kinderaugen erlebt. Und viele Menschen hatten auch ein gutes Leben in der DDR. Es bleiben Erinnerungen an eine Blumenwiese, die in einem diktatorisch geführten Land blühte, und es stehen automatisch Fragen im Raum: «Warum habt ihr all das einfach so mitgemacht? Gibt es ein unschuldiges Leben in einem Unrechtsstaat? Und findest du das heute noch okay?» Viele Menschen in ihrem Alter erinnern sich nur mit Kinderaugen an die DDR. «Vielleicht ist das die eigentliche Herausforderung für die nächsten Generationen», schreibt Wellmer: «Wir müssen mit den Älteren ins Gespräch kommen, zuhören, nachfragen, diskutieren, aufarbeiten und auch Unterschiede aushalten.»

Das Problem dabei ist: Mit Kindergeschichten aus der DDR kommt man im Westen nicht weit. Das Unterhaltungspotenzial ostdeutscher Themen in westdeutschen Runden halte sich in Grenzen: «Wenn man nicht gerade spektakuläre Stasiverhörstorys aus der eigenen Familie oder Anekdoten über Neonazigewalt im Osten zu bieten hat, sucht der Gesprächspartner recht flott den Weg zur Käseplatte.» Viele Ostdeutsche empfinden Rückbezüge auf das frühere Alltagsleben in der DDR als heikel, wenn sie mit Wessis sprechen. «Die Zeit im Kindergarten, welche Bücher gelesen wurden, welche Kindersendungen man gesehen hat, in welchem Sportverein man war, wo man mit der Familie Urlaub gemacht hat –alles bekommt rückblickend betrachtet möglicherweise einen ideologischen Beigeschmack», schreibt Wellmer. Und: Wessies sind mit anderen Geschichten aus Büchern und dem Fernsehen, mit anderen Produkten und in anderen Vereinen sozialisiert worden.

Es ist eine Sozialisation, die der Westen nicht nur nicht teilt, sie ist im Westen auch nichts mehr wert: «Wir sind Kinder, die wie alle anderen auch vom Wissen der Eltern lernen und profitieren sollen. Doch das, was sie uns weitergeben können, sind Lebenserfahrungen aus einem Land, das es nicht mehr gibt, aus einer Welt, die anders funktionierte», schreibt Wellmer. Nach der Wiedervereinigung herrschte grosse Verunsicherung: Wie sollten die Eltern «uns nun Ratschläge geben, wenn sie die neuen Spielregeln selbst nicht kannten oder in ihrer Anwendung unsicher waren?»

Eine Folge: «Ossis», die im Westen lenben, leider unter «Ostscham»: Sie versuchten, jede «Ossihaftigkeit» so gut wie möglich zu verbergen. «Ostdeutsch-sein galt und gilt mancherorts noch als Makel, als Nachteil», schreibt Wellmer und erzählt, dass viele ihrer Bekannten es nicht veratanden, warum sie sich als Fernsehmoderatorin als ostdeutsch geoutet hat. «Sie finden, ich würde mir damit schaden.» Einerseits schämen sich die Ostdeutschen also dafür, in der DDR sozialisiert zu sein, andererseits fühlen sie sich von den Wessies in ihrem Stolz verletzt. Was ist da passiert?

Im Sommer 2022 hat Jessy Wellmer zusammen mit dem Autor und Regisseur Falko Korth einen Film über den Blick ihrer ostdeutschen Landsleute auf den russischen Angriff auf die Ukraine gemacht: «Russland, Putin und wir Ostdeutsche». Die Leitfrage war: Warum schauen viele im Osten so anders auf den Krieg und die Rolle Russlands als die Menschen im Westen? Was hat das mit gesellschaftlichen Prägungen und Lebensläufen zu tun? Auf den Film hin hat sie «waschkörbeweise» Post aus dem Osten erhalten. Diese Zuschriften haben ihr ein Bild davon gegeben, was mit den Menschen im Osten los ist: «Aus den Mails und Briefen spricht nicht nur die Prägung durch die DDR, sondern auch durch die Zeit nach ihrem Ende. Auch Menschen, die den Untergang der DDR herbeigesehnt und die Vereinigung mit der Bundesrepublik uneingeschränkt begrüsst hatten, haben Demütigung, Zurücksetzung und Ignoranz erlebt, haben tiefe Verunsicherung, wirtschaftlichen Abstieg und Zukunftsangst erfahren», schreibt Wellmer.

Offensichtlich haben sich in den vergangenen dreissig Jahren viele Ostdeutsche durch die Westdeutschen bevormundet gefühlt. Westdeutsche nahmen sich das Besserwissen heraus, auch und gerade wenn sie eine geringere Bildung und Lebenserfahrung besassen. Der Schmerz, den ein erheblicher Teil der Ostdeutschen nach 1990 erlebt haben, scheint kaum verblasst, im Gegenteil: «Er ist lebendig, die Bitterkeit, die sich daraus entwickelt hat, ist überall zu spüren. Und auf ein Stichwort brechen die alten Wunden wieder auf». Die Menschen in der ehemaligen DDR zeigen gerade seit dem Beginn des Angriffs von Russland auf die Ukraine «die ganze Ladung Frust und Schmerz, Skepsis und Misstrauen, Enttäuschung und Trauer über das Verhalten des Westens dem Osten gegenüber. Da geht es eben nicht nur um die USA und die Nato, sondern um den Konflikt zwischen Ost und West innerhalb unseres Landes», schreibt Wellmer.

Vielen Ostdeutschen fällt es schwer, fast jeden Tag über die Medien zu hören, wie schlimm es in der DDR war. Die ehemalige DDR-Bevölkerung empfindet sich verteufelt. Viele nehmen eine Trotz-Haltung ein und stellen fest, dass der Westen nicht einfach besser ist als die DDR damals. Wellmer zitiert aus den Zuschriften: «Es ist nicht wie behauptet, dass wir heute ohne Konsequenzen unsere Meinung sagen können. Viele wägen ab, was sie sagen. Wer Kritik an falscher Stelle äussert, riskiert seinen Beruf oder wird von der Öffentlichkeit diffamiert.» Oder zum Thema Reisen: «Ja, Urlaubsreisen in alle Richtungen waren nicht möglich. Aber zum Vergleich zu heute: Auch jetzt kann nicht jeder reisen, wie er möchte, wenn er kein Geld und keine Arbeit hat.»

Diese Wunden, die der Westen in Ostdeutschland geschlagen hat, sind offenbar mit Beginn des Krieges in Europa wieder aufgebrochen. Wellmer: «Es gibt da offenbar eine Solidarisierung – im Sinne von: Der Westen will die Russen nicht, so wie er auch die Ostdeutschen nicht wollte. Und – so steht es auch in vielen Zuschriften – er habe die Moral für sich gepachtet, indem er sich auf die Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Gesellschaften berufe und Russland, Putin und dessen Handeln pauschal als falsch betrachte. Mit diesem Grundvorwurf lässt sich aus Sicht vieler im Osten nur ganz schwer umgehen – auch und vor allem, weil man es als DDR-Bürger anders gelernt hat.» Das ist wohl der Kern des Problems: Viele Ostdeutsche hadern damit, dass sie auf der falschen Seite geboren sein sollen, obwohl sie doch von klein auf vermittelt bekommen haben, dass sie auf der richtigen Seite lebten, ohne Krieg, ohne «kapitalistische Aasgeier». «Wieso soll das im Nachhinein alles ein Irrtum gewesen sein? Und wie soll jetzt alles wieder gut sein und sich richtig anfühlen? Wieder dieser Schmerz», schreibt Wellmer.

Die Folge: «Die Beklemmung der DDR-Zeit ist fast nahtlos einer neuen Beklemmung gewichen. Auf die Befreiung 1989/90 folgte die Erschütterung der Neunzigerjahre. Und man kann das nicht voneinander getrennt betrachten.» Zu dem Gefühl, vom Westen nicht ernst genommen zu werden, gesellte sich für viele Ostdeutsche ein Verlustschmerz. «Mit der DDR hatte sich nicht nur die Stasi und das Zentralkomitee aufgelöst, sondern auch ein Stück Heimat. Auf einmal war viel Vertrautes verschwunden.» Es sei deshalb nicht vollkommen abwegig, von Heimatverlust zu sprechen. «Und wenn der Verlust sich mit dem Gefühl paart, dass nach den neuen Massstäben sowieso alles nicht gut genug war, um ins neue System übernommen zu werden, dann entsteht auch daraus ein Schmerz, der nicht so schnell weggeht und in den berühmten Satz mündet: Es war nicht alles schlecht.»

Die Folge davon ist ein nach wie vor geteiltes Deutschland. Wellmer schreibt, «der Ostdeutsche» sei erst nach 1989 entstanden. Vorher habe man sich nämlich «als Deutscher im geteilten Deutschland» gesehen. Oder als DDR-Bürger. Dass die grossen Medien in Deutschland alle im Westen angesiedelt sind, hilft dabei nicht: Die «Süddeutsche» kommt aus München, die «FAZ» aus Frankfurt, «Spiegel» und «Zeit» aus Hamburg. Und wenn im Osten etwas passiert, senden die Redaktionen Leute aus, die erklären sollen, was «dort» los ist. «Ich mag da etwas überempfindlich sein, aber es ist fast immer eine Hier-und-dort-Perspektive, die sich da zeigt. Das ist oft sogar ganz offen und unvoreingenommen gemeint, aber in der Regel wollen westdeutsche Redakteure wissen, was dort, im Osten, los ist», schreibt Wellmer. «Es geht ganz selbstverständlich nicht um unser Land, sondern um den Osten. Wir (das sind die Westdeutschen) wollen verstehen, was die (das sind die Ostdeutschen) bewegt.» Und dieser Ton, «der nicht über uns, sondern über die da» berichte, vermittle nicht Anerkennung und heimatliche Geborgenheit. «Die Botschaft ist immer: Ihr seid fremd. Ihr seid anders. Ihr seid ein Problem.» Ein gutes Beispiel dafür ist «Die Zeit». Die Wochenzeitung aus Hamburg produziert drei Regionalausgaben: Es gibt «Zeit Österreich», «Zeit Schweiz» und «Zeit im Osten». Wellmer folgert: «Es gibt also die Hauptausgabe für Deutschland und gewissermassen drei Regionalausgaben für das deutschsprachige Ausland.»

Die Lektüre von Jessy Wellmers Buch lohnt sich, gerade für uns Schweizer. Sie erklärt uns nicht nur, was in unserem Nachbarland los ist und macht das komplizierte Verhältnis zwischen der ehemaligen BRD und der ehemaligen DDR verständlich. Sie spricht viele Aspekte an, die auch in der Schweiz zwischen den Sprachregionen auftreten. Bloss sind die Unterschiede in der Schweiz institutionell durch eine ostentative Gleichberechtigung der vier Landessprachen und eine über Jahrzehnte explizit gelebte Kultur des Einbezugs von Minderheiten etwas eingeebnet. Trotzdem reden wir immer noch vom «Röstigraben» zwischen der Deutschschweiz und der Romandie und vom «Polentagraben» zum Tessin. Umso schwieriger muss das Zusammenkitten in einem Land sein, dessen Bevölkerung in zwei komplett unterschiedlichen Wertesystemen sozialisiert wurde.

Jessy Wellmer: Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften und was wir dagegen tun können. Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 34.90 Franken; ISBN 978-3-462-00531-8

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Mir hat das Buch sehr gut gefallen, allerdings, wenn man ihre Sendung in der ARD gesehen hat, dann weiß man schon alles. Wäre wohl etwas interessanter gewesen es näher an dem Sendungstermin erscheinen zu lassen…Trotzdem, Jessy, locker und flockig wie es ihre Art ist.

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