Ein falsches Wort
Roman
von Vigdis Hjorth
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Erscheinungstermin 13.03.2024 | Archivierungsdatum 12.05.2024
Zum Inhalt
»Eine der herausragendsten Autorinnen Norwegens.« The New Yorker
Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie ein Erbstreit zwischen Geschwistern aussieht, wird für die ältere Schwester Bergljot zu einem Kampf um die jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht um Geld und Besitz. Es geht darum, wem die Vergangenheit gehört. Mit unverwechselbarer Konsequenz erzählt Vigdis Hjorth von der Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung und von der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte vertrauen dürfen.
Mit »Ein falsches Wort« gelang Vigdis Hjorth der internationale Durchbruch. Der Roman löste in Norwegen einen Skandal um die Wahrhaftigkeit von Literatur aus, gewann eine Vielzahl von Preisen und festigte Hjorths Status als eine der bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit, die 2023 für den International Booker Prize nominiert war und deren Werk in 20 Sprachen übersetzt ist.
»Eine der herausragendsten Autorinnen Norwegens.« The New Yorker
Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783103975130 |
PREIS | 25,00 € (EUR) |
SEITEN | 400 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Tief psychologisch
Ein falsches Wort, ist ein weiterer Roman der norwegischen Autorin Vigdis Hjorth
Es ist eine tief psychologische Geschichte über sexuelle Übergriffe des Vaters an seine kleine Tochter.
Die Autorin hat das selber erlebt, deshalb weiß sie genau von was sie schreibt.
Man erfährt was dieses Erlebnis mit einer Frau macht, davon kann sie sich nie erholen.
Besonders schlimm ist es wenn die Mutter nicht eingreift und sogar die Schwestern der Protagonistin glauben ihr nicht, oder wollen nichts darüber hören.
Das Ganze ist in eindrücklichem Stil geschrieben.
Dieses Buch wühlt auf und berührt. Vigdis Hjorth "seziert" sozusagen die Psyche jedes einzelnen Familienmitglieds. Ein Vater der sich an seiner Tochter vergeht, eine Mutter die schweigt, vier Geschwister die unter familiären Druck, Schweigen und erzwungener gesellschaftlicher Anpassung leiden. Erschütternd und zugleich spannend zu lesen wie und durch welche fatale Denkweisen eine Familie zerfällt. Kein einfaches Buch, aber unbedingt lesenswert.
Ein wenig ärgerlich finde ich, dass es keinerlei Hinweis gibt, das dieses Buch bereits 2017 im Osburg Verlag unter dem Titel "Bergljots Familie" erschienen ist. Nachdem ich zwei Seiten gelesen hatte, wurde mir klar, dass ich den Titel bereits gelesen hatte. Somit hätte ich mir das herunterladen sparen können.
Aber nichtsdestotrotz, ich habe dieses Buch in bester Erinnerung!
Mit wie viel Wucht kann man eine Geschichte erzählen? Vigdis Hjorth!
"Ein falsches Wort" ist sicherlich kein Roman, der leicht und unterhaltsam daherkommt, aber umso lesenswerter ist er. Die Autorin zerlegt die Geschichte der ältesten Tochter, die als kleines Mädchen von ihrem Vater missbraucht wurde, in alle Einzelteile, indem sie jedes Familienmitglied und deren inneren Antrieb unter die Lupe nimmt. Warum behauptet die Mutter nichts gewusst zu haben? Warum bricht die eine Schwester den Kontakt ab, während die andere verzweifelt versucht, den Kontakt aufrechtzuerhalten? Und vorallem geht sie der Frage nach, was das mit dem Opfer macht? Was geschieht, wenn das Erlebte von der eigenen Familie verleugnet und in Frage gestellt wird? Braucht es die Anerkennung und das Gesehen werden um heilen zu können? (wie auch immer Leser:innen Heilung in diesem Fall definieren) Und wann ist der richtige Zeitpunkt, die eigene Ansicht, man sei lebenslang Opfer, fallen zu lassen?
Vigdis Hjorth zeigt auf, wie wichtig es ist, andere wirklich zu sehen und einander zuzuhören und vor allem macht sie klar, dass jede Konsequenz die man zieht, sich nicht nur auf das Opfer sondern auch auf das eigene Leben auswirkt. Ohne wenn und aber.
“Ein falsches Wort” von Vigdis Hjorth handelt von Inzest und dem Verlust der Familie.
Bergljot ist das älteste Mädchen von vier Geschwistern und wurde vom ihrem Vater bis zu ihrem 7. Lebensjahr mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Ihr älterer Bruder Bard hingegen wurde gemaßregelt und geschlagen.
Die beiden jüngeren Schwestern Astrid und Asa, welche vermeintlich in einer normalen Familie aufwuchsen und eine Mutter, die ihren Mann aus unterschiedlichen Gründen nicht verlassen kann oder will und die Augen verschließt.
Wäre nicht vor 23 Jahren diese schlimme Anschuldigung von Bergljot gegenüber ihrem Vater gewesen, könnte das Familienleben idyllisch sein. Kann man der Geschichte von Bergljot vertrauen? Warum hat Vater nie etwas dazu gesagt?
Vor dem Tode des Vaters wurde bereits zwischen den Geschwistern über die Aufteilung des Erbes diskutiert. Vor allem ging es über zwei Ferienhütten auf der Insel Hvaler.
Aber es geht um viel mehr als das Familienerbe. Es geht um eine verdrängte Wahrheit und Bergljot vor allem darum, in der Familie gehört und verstanden zu werden. Ihre Mutter schiebt diese Anschuldigungen weit von sich; sonst hätte sie bereits damals, als die Kinder noch klein waren, eine Entscheidung treffen müssen.
Mit vier Kindern allleine ohne Arbeit ein Leben gestalten oder die Anzeichen bzw. Aussagen einer 5-6 jährigen ignorieren?
Bergljot ist froh, dass der Vater tot ist; die Angst vor ihm, selbst als erwachsene Frau, war immer vorhanden. Seine Vorwürfe und Verunsicherung sind tief in ihr, trotz Therapie, verwurzelt. Seine Worte: “Wenn du eine Psychopathin sehen willst, schau in den Spiegel “ haben Narben hinterlassen. Auch war sie wütend auf ihre Mutter, die all die Jahre nichts getan hatte.
Eine Mutter, die nicht die Verzweiflung ihres Kindes hören und sehen wollte.
Eine Mutter, die ihr Kind nicht beschützt hatte.
Kein Erbe war es ihr wert, über ihren Schatten zu springen und ihre Geschichte zu vergessen. Allein wegen ihren Kindern, hat sie sich auf die Erbschaft eingelassen und steht ganz klar hinter den Forderungen ihres älteren Bruders. Die beiden jüngeren Töchter werden von den Eltern bevorzugt und Brad versucht die Ungerechtigkeit der Mutter und auch Astrid und Asa zu vermitteln. Er möchte keinen Anwalt einschalten, er plädiert auf deren Vernunft und Einsicht.
Astrid fordert als Vermittlerin immer wieder die Familie zur Versöhnung auf.
Jedoch verlangt ein Versöhnungsprozess von beiden Parteien d.h. Täter und Opfer gleich viel. Bergljot jedoch weiß nicht, ob dieser Prozess gelingen kann, wenn man sich innerhalb der Familie nicht einig ist, wer Opfer und wer Täter war.
Astrid wünscht sich eine friedliche Familie, eine Versöhnung, vor allem auch für Mutter. Diese ist nun alt und möchte gerne Kontakt zu ihren Enkel und Urenkel. Doch sie sagt auch nach Jahren nichts Neues, kein konkreter Vorschlag zur Veränderung- ein Perpetuum mobile erklärt Bergljots Lebensgefährte.
Kann Bergljot verzeihen und die Wahrheit vergessen? Für ihre Mutter und Schwestern?
Oder wird dies durch die Anerkennung und Akzeptanz unmöglich?
Die Protagonisten werden sehr gut beschrieben, die Emotionen und Gedanken dem Leser immer wieder intensiv dargelegt. Die Thematik ist schwer und man wird durch den Schreibstil direkt in diese beklemmende Situation gezogen und voller Unglauben muss man teilnehmen, dass die Familie die Wahrheit nicht sehen /hören möchte. Tiefes Mitgefühl empfindet man als Leser:in mit der Protagonistin und ihrem Bruder. Der Roman fühlte sich durch die Wiederholungen teilweise langatmig an. Jedoch faszinierte mich als Leser der Umgang mit der Thematik, die Freud’schen Anmerkungen und die Emotionen von Opfer und Täter.
Wobei sich hier die Frage stellt, wer alles Opfer sein möchte bzw. ist.
Wer sich mit dem Thema Inzest und die Befreiung von schlimmen Familienkonstellationen auseinandersetzt und beschäftigt ist hier mit einem besonders offenen, kompromisslosen und doch schmerz-und wuterfüllten Buch sehr gut beraten.
Ein außergewöhnliches Leseerlebnis, welches in Gedanken nachhallt und voller Mitgefühl das Unfassbare bestaunt. Die Anerkennung einer Wahrheit innerhalb der eigenen Familie ist unglaublich wichtig - kein Geld oder Besitz können diesen Seelenfrieden herstellen.
Ein sehr ergreifendes Buch über eine Familiengeschichte
Erzählt wird, wie die Familie Bergjlots, mit ihren Missbrauchsvorwürfen an den Vater umgehen.
In einem sehr eindringlichen Schreibstil, der mit vielen Wiederholungen arbeitet, die einem Gefühlsausbruch eines aufgebrachten Menschen ähneln, werden hier verschiedene Fragen behandelt?
Warum können die beiden jüngeren Schwestern ihr nicht glauben, nicht ihr Mitgefühl zeigen?
Warum hat ihre Mutter ihr nicht geglaubt, sie nie vor ihrem Vater geschützt?
Warum hat sich nie jemand bei ihr entschuldigt?
Warum hat der Vater sich nie entschuldigt?
Ist es gerecht, dass die beiden Schwestern mehr erben, als sie und ihr Bruder, weil sie einen engeren Kontakt hatten, obwohl die Taten ihrer Eltern ihren Bruder und sie gezwungen haben, keinen Kontakt mehr zu haben?
Ein Buch, das unglaublich zum Nachdenken anregt, aufwühlt und mitfühlen lässt!
Das Cover macht einen friedlichen Eindruck, vier Frauen, die im Freien sitzen.
Bergljot hat mit ihren Eltern den Kontakt abgebrochen. Der Grund liegt in ihrer frühen Kindheit, über die man zunächst nur vermuten kann. Sie selbst hat zwei Töchter und einen Sohn aus erster Ehe mit einem lieben Mann, den sie nicht mehr ausgehalten hat. Mit ihrer jüngeren Schwestern Astrid hat sie manchmal Kontakt, der allerdings beruflicher Art ist, da Bergljot als Redakteurin für eine Zeitschrift ihr bei einem Exposé über Menschenrechte helfen soll. Von ihrer jüngsten Schwester Asa hört sie nichts mehr und sie ruft ihren älteren Bruder Bard an, als sie erfährt, dass ihre beiden Schwestern schon zwei Sommerhütten geerbt haben sollen. Bergljots impulsive Art wirkt manchmal verstörend, sie läuft viel mit ihrem Hund Treu in der Natur und trinkt zur falschen Zeit zu viel.
Bergljot hat bei Vorlesungen im Institut für Literaturwissenschaften Klara kennengelernt, der sie alles erzählt, was in ihrer Familie passiert. Klara ist eine merkwürdige Persönlichkeit und unterstützt Bergljot mit ihrer radikalen Art.
Als der Vater plötzlich stürzt und innerhalb einer Woche verstirbt, wird das ganze Ausmaß der Familie ersichtlich.
Zuerst konnte ich die Rückblenden nicht nachvollziehen, weil sie in keiner geordneten Zeitfolge standen. Der Roman hat mich durch seine realistischen Verhältnisse sehr berührt. Diese emotionale Familiengeschichte mit ihren schwierigen Persönlichkeiten hat Vigdis Hjorth sehr gut beschrieben.
Ein falsches Wort ist ein schreckliches, bedrückendes und mitnehmendes Buch, das mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen hat. Die Frage danach, was Missbrauch und das Schweigen darüber mit einer Familie macht, was es bedeutet, Opfern zu glauben oder es eben nicht zu tun, stehen dabei im Mittelpunkt. Der verzweifelte Versuch, eine Grenze zu ziehen, das zu tun, was für einen selbst das richtige ist, aufzugeben, zu kommunizieren, was nicht gehört werden will - all das kommt mit der Prosa ganz nah an einen heran. Aus der Perspektive derjenigen, die sich mit dreißig erinnert und all die Puzzleteile ihres Lebens zusammengesetzt hat, sehen wir, wie schwer das Erlebte und das Nicht-Anerkennen dieser Last wiegt. Wir kreisen zusammen mit ihr immer wieder um die selben Erinnerungen, Situationen, Sätze, Worte... Ein falsches Wort ist wirklich sehr gut geschrieben, konstruiert und zuende gedacht. Gegen Ende gab es einige Seiten Freud mehr, als ich gebraucht hätte, aber dabei handelt es sich wirklich um eine Detailkritik. Ich habe angefangen, zu lesen, und konnte den Roman dann nicht mehr aus der Hand legen - gerade weil er jemanden zeigt, die in aller Schrecklichkeit ihr Leben und ihre Beziehungen selbst in die Hand nimmt. Sehr empfehlenswert!
Bergljot ist Ende 50, ihre Kinder sind erwachsen. In ihrer Herkunftsfamilie bricht ein Streit um das Erbe aus, die beiden jüngeren Schwestern bekommen Ferienhäuser überschrieben, Bergljot und der Bruder haben das Nachsehen. Doch hinter dem Streit um das Erbe steht eine Geschichte von sexualisierter Gewalt, denn Bergljot wurde als ganz junges Mädchen von dem Vater sexuell misshandelt. Erst als erwachsene Frau, bereits selbst Mutter, beginnt sie nach einem Zusammenbruch eine Psychoanalyse und legt das verdrängte Trauma frei.
Vigdis Hjorth beschreibt nicht nur eindrucksvoll die beklemmende Atmosphäre der Angst, in der Bergljot sich auch noch als nicht mehr junge Frau befindet und die Schritte, die sie immer wieder in Richtung ihrer Emanziptation wagt. Sie lässt auch das Bild einer Familie entstehen, in der geschwiegen und geleugnet wird, selbst von den scheinbar nicht Betroffenen, sie analysiert in Bergljots Worten und Gedanken die Hintergründe und Zusammenhänge aus denen sichtbar wird, das alle ihre eigene Rolle zugeteilt bekommen. Und sie lässt die widersprüchlichen Gefühle der Betroffenen, Angst, Liebe und Eifersucht, Wut und Trauer ihren Platz einnehmen.
Ein überzeugender, bedrückender, aber auch sehr mutmachender Roman über den Weg, den eine schwer traumatisierte Frau gehen muss, um zu einem angstfrei(er)en Leben zu finden.
Die älteste Tochter von vier Kindern hat vor 23 Jahren mit ihrer Herkunftsfamilie gebrochen. Nun ist der Vater gestorben und es geht ums Erben. Die alten Wunden sind noch nicht verheilt. Was ist damals geschehen?
Vigdis Hjorth nimmt die Leserin mit in den Kopf ihrer Ich-Erzählerin und besticht in ihrem neuen Roman erneut mit tiefgründigen Gedankengängen und ihrer wunderbaren Sprache.
Was ich schon immer sagen wollte
Das Cover läßt farblich an einen Sommertag auf dem Lande denken - eine Person sitzt abseits, es drängen sich Vermutungen auf. Sommerlich-leichte Wohlfühllektüre wird das Buch nicht werden, das kann man dem Klappentext entnehmen.
Diese Familie ist eindeutig in zwei Lager geteilt. Zum einen die Eltern mit den beiden jüngeren Töchtern Astrid und Åsa und auf der anderen Seite die Tochter Bergljot und Sohn Bård. Die Eltern hatten ihre beiden Ferienhütten kürzlich den jüngeren Schwestern überschrieben. Es wurde festgelegt, daß die beiden älteren Kinder eine Ausgleichszahlung erhalten sollten. Diese fiel allerdings vergleichsweise gering aus. Über diese Ungerechtigkeit entbrennt aktuell und oberflächlich betrachtet ein weiterer Familienzwist. Astrid informiert jetzt ihre Schwester Bergljot, daß die Mutter einen Suizidversuch unternommen hat. Bergljot hat den Kontakt zu den Eltern schon vor langer Zeit abgebrochen, und zwar als sie über den Mißbrauch durch den Vater erzählte und es niemand hören wollte. Sie hat in diesem Zusammenhang ein Trauma, das sie bis heute verfolgt. Mittlerweile hat sie selbst erwachsene Kinder und Enkel. Auch Bård bekam die negative Seite des Vaters in Form von Prügeln zu spüren. Die beiden jüngeren Geschwister sehen die Eltern mit ganz anderen Augen. Deshalb sind sie offensichtlich auch nicht verwundert, als ihnen die beiden Ferienhäuser überschrieben werden und Bergljot und Bård eine Abfindung bekommen sollen. Allerdings und das ist der nach außen größte Streitpunkt - zum Marktwert. Die Mutter hatte einen Geliebten, kehrte aber schlußendlich zum Vater zurück, wurde von ihm gnädigerweise wieder aufgenommen, dafür bekam aber seine Gewalt und Wut zu spüren. Die Mutter selbst ist stärker als alle denken und eine „gute Schauspielerin“. Mein Eindruck war, daß sie gerne im Mittelpunkt stand und auch den mißlungenen Suizidversuch genau geplant hat. Sympathie konnte ich für sie nicht aufbringen, denn sie hatte es versäumt, Bergljot ernst zu nehmen und in ihrer Not zu unterstützen.
Als Leser bemerkt man sofort, daß in dieser Familie nichts stimmt. Der Schreibstil und die Geschichte sind nicht einfach zu lesen, denn sie sind eindringlich, bedrückend, dramatisch, beklemmend und emotional. Obwohl mir die Figuren alle sehr distanziert blieben, kam für mich ein Lesesog auf. Von familiärer Harmonie war hier nichts zu spüren.
Ich kann das Buch auf alle Fälle empfehlen!
Alles sieht nach dem Tod des Vaters nach einem Erbstreit aus. Doch da steckt einiges mehr dahinter. Für die älteste Schwester, Bergljot, ist es ein Kampf um die jahrelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht einmal um Geld oder Besitz, sondern wem gehört die Vergangenheit. Man liest in dieser Geschichte von Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung. Als Leser erfährt man nach und nach was in der Vergangenheit passiert ist. In die Geschichte reinzukommen, fand ich nicht leicht. Die Themen und Vorkommnisse sind alles andere als leichtverdauliche Kost. Geht es doch um Vernachlässigung, Alkoholmissbrauch, sexualisierte Gewalt. Die Schreibweise ist sehr nüchtern, was mich am Anfang irritiert hat. Ich muss gestehen, dass mich diese Geschichte anstrengend, bedrückend gemacht hat. Dennoch ist es ein Buch, welches man lesen sollte.
Vigdis Hjorth erzählt in ihrem beeindruckenden Buch die Geschichte von Bergljot und ihrer Familie, sie ist eines von vier Kindern und wir tauchen in das Buch ein, wen es vermeintlich um Erbschaftsstreiterein geht, denn der Vater ist verstorben.
Wir erfahren gleich zu Beginn, dass Bergljot den Kontakt zur Familie vor über zwanzig Jahren abgebrochen hat. Warum das so ist, entrollt sich von Seite zu Seite.
Und dabei - und das ist für mich das Bemerkenswerteste an diesem Buch - befinden wir uns mitten im Kopf von Bergljot. Ihre im Kreis laufenden Gedanken, die mantrenhaften Wiederholungen, die klare ungeschnörkelte Sprache, das zieht einen mitten in das Geschehen. Es ist der Kopf einer gebrochenen Frau, eine Frau der das schlimmste widerfahren ist, das innerhalb einer Familie passieren kann. Und welche Auswirkungen das auf die gesamte Familie hat bis hin zu den Enkelkindern.
Der Schreibstil ist anfangs gewöhnungsbedürftig, aber ist man erst einmal drin, dann taucht man nur schwer wieder auf. Man spürt Bergljots Zerrissenheit, die Verzweiflung, den Selbsthass, dieses immer wieder in Frage stellen: die Familile, sich selbst und das was passiert ist.
Ein enorm forderndes Buch, das nichts für Zartbesaitete ist, es zog mich teilweise runter und hat mich extrem wütend gemacht und in vielen Gedankengängen liegt so viel Wahres.
Ein extrem hartes aber großartiges Buch, das perfekt von Gabriele Haefs aus dem Norwegischen übersetzt wurde.
Zum Inhalt:
Was zunächst als Erbstreit zwischen Geschwister beginnt, wird plötzlich zu einer Beschäftigung und Kampf mit einer lang verdrängten Wahrheit, die es aufzudecken gilt. Aber auch der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte vertrauen dürfen. Und sollte nicht gerade die Familie der Ort sein, wo wir uns am sichersten fühlen?
Meine Meinung:
Wenn man sich das Cover so betrachtet, könnte man von einem leichten, eher heiteren Roman ausgehen, aber schon der Klappentext lässt erahnen, dass dem nicht so ist. Was für eine schwere Kost einen aber erwartet übertrifft die Beschreibung bei weitem. Ein wenig schwer getan habe ich mich mit den Zeitwechseln, aber das wurde im Laufe des Buches besser. Mitunter fiel es mir schwer weiter zu lesen, denn die Verletzungen wiegen schwer und wurden sehr eindringlich beschrieben. Die Herangehensweise der Autorin in einer besonderen Schreibweise hat mir gefallen.
Fazit:
Heftig
"Alles hängt mit allem zusammen. Kein Wort ist unschuldig für die, die zu verstehen versuchen."
Zwei Hütten in Norwegen, vier Kinder. Dass das Erbe nur schwer gerecht auf alle vier verteilt werden kann, ist offensichtlich. Doch dass die Eltern die beiden jüngeren Geschwister aus Sicht der älteren so sehr bevorteilen, dass die Älteren mit einem Quasi-Pflichtteil abgespeist werden sollen, das ist nicht fair. Zumindest sieht das Bergljots älterer Bruder so. Doch der Erbstreit ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn eigentlich geht es hier darum, welchen Platz die Kinder in der Familie haben und welchen Wahrheiten man glauben mag.
In "Ein falsches Wort" zeigen sich die Themen, die die Autorin in ähnlicher Form auch in "Die Wahrheiten meiner Mutter" bearbeitet: Trennung und Bruch von bzw. mit der Familie; ungesunde Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern; emotionale Abhängigkeiten und Erpressung. Aber auch der Bereich der Kunst, der in Hjorths Erfolgsromane eine so große Rolle spielt, ist in "Ein falsches Wort" zu finden. Dieses Mal in Form von Literatur und Theater (es gibt zum Beispiele einige Anspielungen auf Ibsen, die der Handlung eine weitere Lesart hinzufügen). Wer "Die Wahrheiten meiner Mutter" gelesen hat, wird hier einiges Wiedererkennen können. In meinen Augen ist es der Autorin hier jedoch gelungen, die Auseinandersetzung noch kunstvoller zu verbinden und literarischer auszugestalten. Kein Wunder, dass sie sich mit diesem Werk in die Herzen der Norweger geschrieben hat und seither als eine der talentiertesten Schriftstellerinnen des Landes gilt,
Hjorth hat den Text bereits 2016 verfasst, drei Jahre später erfolgte die Übersetzung ins Deutsche unter dem Titel "Bergljots Familie":
. Bergljot, die Protagonistin beschreibt sehr klarsichtig ihre Familie, die sie seit vielen Jahren nicht mehr besucht hat und die jetzt durch den Tod des Vaters wieder zusammenkommen muss. Aufgrund der Erbangelegenheiten und Zwistigkeiten um zwei Ferienhäuser treten noch andere Dinge zu Tage, die viel zu lange verschwiegen und verdrängt wurden. Sie kann es immer nur wiederholen, es wird ihr nur nicht geglaubt, aber der Vater hat sie missbraucht als sie ein kleines Mädchen war. Ihre Schwestern Astrid, Ada und die Mutter stemmen sich vehement gegen diese Behauptung. Im Sog dieser Geschichte, die die Autorin fast in einer Art von Bedrängnis niederschreibt, getrieben, manchmal mit Wiederholungen ist man sofort gefesselt und ich wollte und musste mit ihr da durch. Diese feinen, vergifteten Beziehungen der Geschwister untereinander, das Wegsehen der Mutter, deren Unzulänglichkeit und Feigheit. Der Vater der „danach“ kein Vater mehr war, all dies hat mich so mitgenommen. Auch deshalb weil die Sprache so genau auf dem Punkt ist, nichts passt da dazwischen, das ist Beton, der die Sätze zusammenhält. Es gibt keine Kapitel alles wirkt wie ein einziges Bewusstsein, ein Paket an klugen und schmerzhaften Gedanken. Absolut empfehlenswert.
Grandioses Buch! Das dichte Gefühlsleben einer dysfunktionalen Familie, wird in diesem Roman ganz fantastisch beschrieben. Ich bin begeistert!
"Ein falsches Wort" von Vigdis Hjorth
"Ein falsches Wort" von Vigdis Hjorth (als dem Norwegischen von Gabriele Haefs) ist die spannende und stilistische neuartige Umsetzung eines alten Themas, das leider immer noch von einer bedrückenden Aktualität ist: Missbrauch. Dies ist kein Spoiler, denn wer zuhört, der weiß das schon nach den ersten Seiten und nimmt das unangenehm Gefühl der Bedrohung und der Verletzung bis zum Ende des Romans mit.
Es ist auch deshalb kein Spoiler, weil dieses Buch die norwegische Öffentlichkeit und Hjorth Familie nach seiner Veröffentlichung stark beschäftigt hat und ausführlich darüber berichtet wurde. Denn es ist ein autofiktionales Buch, in dem Namen und einige Umstände geändert wurden, aber die Zusammenhänge leicht erkennbar sind. Helga Hjorth, die Schwester der Autorin, verfasste sogar eine Art Gegenroman Fri vilje ("Freier Wille"), um das Ansehen der Familie wieder herzustellen.
Wie konnte uns dieser Text entgehen? Der schon 2017 unter dem dem Titel „Bergljots Familie“ im Osburg Verlag erschien und kaum wahrgenommen wurde. Nun, es gibt wohl für alles eine Zeit und gerade ist es die Zeit von Vigdis Hjorth, die jetzt als eine der herausragenden Autorinnen Norwegens gefeiert wird. Und es ist auch eine Zeit, in der Romane von Frauen immer öfter als Literatur angesehen werden und nicht hinter dem Label "Frauenroman" verschwinden.
Mich hat das Buch sehr beeindruckt. Das Thema wäre für mich eher ein Grund gewesen, das Buch abzubrechen. Nicht, weil es nicht wichtig wäre oder ich es zu oft höre, sondern weil das Lesen an manchen Stellen emotional sehr anstrengend ist. Und sein soll. Das ist eine der Leistungen des Buches, dass wir das fühlen können, was die Autorin uns fühlen lassen möchte. Bedrohung, Unsicherheit, Angst, Unglaube, Verwirrung, Wut, Rache, Schmerz.
Stil und Umsetzung
"Es ist die falsche Frage, ob das mein Leben ist", sagt die Autorin in einem Interview mit der ZEIT. Denn es geht ihr weder um eine Abrechnung mit ihrer (alten) Familie, noch um ein Aufdecken. Auch wenn ihre Romane, wie sie selbst bestätigt, zur radikalen skandinavischen Selbstentblößungs-Literatur gehören. Karl Ove Knausgård fällt einem da gleich ein oder Jon Fosse, der 2023 den Literatur Nobelpreis erhielt.
Interessant ist hier die Umsetzung. Anders als Fosse und Knausgård, mit ihrem manchmal quälend langsamen linearen Erzählstil, springt Hjorth zwischen den verschiedenen Zeiten der Erzählung hin und her. Die Protagonistin ist 60, hat mit 30 in einer Therapie ihren Missbrauch aufgedeckt, der im Alter von fünf Jahren begann. Und alles hängt zusammen, hat sich über Stationen der Erkenntnis und Abrechnung oder Ausspracheversuchen mit der Familie bis in die Gegenwart entwickelt. Denn mit dem Aufdecken des Missbrauchs ist es nicht getan - hier wird die Frage gestellt: Was, wenn dir keine glaubt? Was, wenn du es nicht beweisen kannst? Was, wenn es überhaupt keine Rolle für die Menschen deiner nächsten Verwandtschaft spielt, ob tatsächlich etwas passiert ist? Oder anders gesagt: Wenn sie es lieber leugnen, als mit der Ent-täuschung umzugehen,
Anlass der Rückerinnerung ist der Tod des Vaters und eine anstehende Erbschaft. Geld und Macht, und Geld und Zuwendung werden zum Themen. Durch das fast unmerkliche Hin- und Herspringen zwischen den Zeitebenen, entsteht mehr ein Gefühlsteppich als eine fortlaufende Erzählung. Und das ist gut, denn für Menschen, die durch ein Ereignis traumatisierte wurden, ist die Vergangenheit aktueller als die Gegenwart, schaltet sich immer wieder ein und definiert sie. Dies nachzuempfinden gelingt Hjorth grandios.
Fazit
Wie schön, dass dieses Buch endlich eine größere Beachtung findet. Es erzählt uns etwas über die Macht der Erinnerung, die Abwesenheit einer echten Wahrheit und dem Leben mit Trauma. Und es ist innovativ in der Umsetzung und gleichzeitig spannend und emotional. Unbedingte Leseempfehlung.
Die Autorin
Vigdis Hjorth ist 1959 in Oslo geboren. Ihr Werk unter anderem mit dem norwegischen Kritikerprisen und dem Bokhandlerprisen ausgezeichnet und war für den International Booker Prize nominiert.
Dr. Gabriele Haefs, übersetzt aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Englischen, Niederländischen und Gälischen, u.a. Werke von Jostein Gaarder, Håkan Nesser und Anne Holt.
interessant ist, was nicht ausgesprochen wird
Der Titel des Romanes gefällt mir nicht so gut, er ist irreführend – falsch war nicht ein Wort, sondern eine Tat in der Vergangenheit und um diese Tat dreht sich die gesamte Familiengeschichte. Der Roman wird aus Sicht von Bergljot erzählt, die durch den Missbrauch durch ihren Vater in der Kindheit traumatisiert ist, und sich von ihrer Familie zumindest gewünscht hätte, dass ihr geglaubt wird. Nach dem Tod des Vaters entsteht ein Erbstreit um die beiden Ferienhütten, doch der wahre Hintergrund der Auseinandersetzungen liegt viel tiefer begraben. Durch den Tod des Vaters bekommt die Familie eine neue Dynamik, wer kann mit wem und wer steht auf welcher Seite? Die Karten werden wieder neu gemischt, auch die Enkelinder und Urenkelkinder werden involviert. Sich nicht zu positionieren ist gar nicht möglich. Interessant sind die nächtlichen E-Mails, in denen gesagt wird, was man sich nicht öffentlich ins Gesicht zu sagen oder wozu der Mut dann fehlt. Noch interessanter als die geschriebenen Worte sind aber jene, die zwischen den Zeilen stehen. Das Ungausgesprochene, die Vorwürfe und die jahrelangen Verdrängungen, die zu viel Unmut geführt haben, bewirken dass die Familie sich immer mehr entzweit und auseinander driftet.
Der Roman ist sehr emotional geschrieben, teilweise wiederholend, teilweise sprunghaft von einem Thema zum anderen – wie im echten Leben.
Ein falsches Wort
Roman von Vigdis Hjorth
Vigdis Hjorth nimmt mich wieder sofort gefangen. Auch in ihrem neuesten Buch geht es wieder um eine Frau mittleren Alters, die sich sehr intensiv mit ihrer Vergangenheit und ihrer Familie auseinandersetzt.
Scheibchenweise nähern wir uns dem Kern des Dramas, Dem Missbrauch durch Bergljots Vater in ihrer frühen Kindheit und dem Dauerhaften Leugnen der Taten durch die Eltern und auch die Schwestern.
Sehr tiefgründig, psychologisch beeindruckend und erschütternd ist es dieses Schicksal zu lesen.
Ich bin sehr nachdenklich und aufgewühlt am Ende des Buches - ein überaus passender Zusatand nach dieser Lektüre.
Schwieriges Thema
Worte können so viel bewirken.
Ob es sich nun um gesprochene oder nicht gesprochene handelt.
Vigdis Hjorth nimmt dies als Thema ihres Buches.
Aber es sind nicht nur Worte die für große Probleme im Familiengefüge sorgen, nein, auch lange verschwiegene Themen lasten darauf.
Vieles wird lange nur angedeutet und der Fantasie überlassen.
Der Schreibstil ist nicht immer einfach und die Protagonisten sind es auch nicht.
Trotzdem lohnt es sich am Buch dranzubleiben.
Denn nicht umsonst wird die Autorin in ihrer Heimat Norwegen hochgelobt.
Der Plot ist schnell erzählt: der Vater stirbt, die Familie streitet sich ums Erbe, und alte Konflikte und Verletzungen werden wieder lebendig. Eine bekannte Situation.
Der Roman besteht aus einem einzigen Gedankenstrom, der verschiedene Zeitebenen und Lebensphasen in den Blick nimmt und der gelegentlich mit Reflexionen von psychologischer Fachliteratur unterfüttert wird. Als Leser sitzt man quasi im Kopf der Protagonistin und muss ihre ewig kreiselnden Gedanken aushalten, so wie sie selbst eben auch und auch ihre Kinder, ihre Freunde und Lebenspartner. Dieser Gedankenstrom wirkt auf den ersten Blick unstrukturiert, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil: sehr kunstvoll kreiselt sich die Erzählerin zu dem eigentlichen Thema hin, sie verdichtet die Anzeichen und stellt das üble Geschehen in der Mitte des Romans wie in einem Showdown vor.
Dieser Blick in einer verstörte (gestörte?) Seele ist nicht leicht auszuhalten, und die Erzählerin erschwert ihn zusätzlich durch ständige, teilweise wortwörtliche Wiederholungen, durch ständigen Aufgriff bereits gesagter Inhalte, durch identische Motive und durch Rückgriffe auf Bekanntes. Diese Art zu erzählen macht das Lesen schwer; eine straffere und weniger wortreiche Erzählweise hätte der Aussage des Buches gutgetan.
Die Erzählerin nimmt auch in immer kleinen Facetten die anderen Familienmitglieder in den Blick und zeigt auf, was ihr Vorwurf mit ihnen macht. Hier zeichnet sie sehr subtil die Zerstörung einer Familie nach. Im Fadenkreuz steht insbesondere die Mutter. Die Mutter ist wirtschaftlich vom Vater abhängig, und ihren Sozialstatus leitet sie ebenfalls von ihrem Mann ab. Sie stellt aus eigener Kraft nichts dar. Daher kämpft sie mit teilweise merkwürdigen Mitteln um Geltung. Sehr schön stellt die Autorin heraus, wie die Mutter ihre Schwäche zur Waffe macht und sich damit immer wieder in den Mittelpunkt schiebt. Zugleich ist die Mutter bestrebt, das öffentliche Ansehen der Familie zu wahren. Der äußere Schein ist ihr jede Lebenslüge wert und erklärt den Verrat an der Tochter. Auch die Geschwister werden in diese Lebenslüge verstrickt und werden zur Parteinahme gezwungen.
Das grundlegende Problem besteht darin, dass das gesamte Geschehen aus Bergljots Sicht erzählt wird und der Leser den Wahrheitsgehalt nicht überprüfen kann. Was stimmt? Was wird imaginiert, ohne deswegen weniger leidvoll zu sein? Bergljot ist, bei allem Mitleid für ihr Leiden, keine sympathische Protagonistin. Es gelingt ihr im Laufe eines langen Familien- und Berufslebens nicht, ihre Verletzungen zu heilen. Immer wieder heizt sie den Konflikt mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter aufs Neue an, ohne ihn einer Lösung zuführen zu wollen. Der Eindruck entsteht, dass sie in ihrem Leid verharren will.
Und so entsteht Seite für Seite das Bild einer Familie, in der das öffentliche Ansehen und die harmonische Fassade wichtiger sind als die Probleme einzelner Familienmitglieder, die als Störfaktoren kurzerhand und dauerhaft unter den Teppich gekehrt werden.
Eine nicht einfache, aber lohnende Lektüre!
Bergljot hat vor Jahren mit ihren Eltern gebrochen. Vor sie ist die 'Sache' damit erledigt. Doch durch ihren Bruder bahnt sich ein Erbstreit an; nach anfänglichem Zögern ergreift sie nun auch Partei. Wieso verstehen ihre Schwestern nicht, warum ihre Eltern ungerecht sind? Und was ist damals passiert, dass es zum Kontaktabbruch kam? Ein Roman, der das Gedankenkarussel der Protagonistin offenlegt. Eine Eltern-Tochter Beziehung zwischen Liebe und Hass. Einfach großartig!
Bergljot kämpft mit ihrer Familie. Vordergründig geht es um eine Erbschaft von zwei Ferienhütten, doch der Kampf ist viel komplexer, viel tiefsitzender: sie wurde als Kind von ihrem Vater missbraucht. Doch nicht alle glauben ihr, wollen die Realität nicht anerkennen, verdrängen kontinuierlich - auch weil, das Geschehene lange verdrängt wurde und dann mit voller Wucht wieder ins Bewusstsein rückt. Bergljot nimmt uns mit auf ihren inneren Kampf der Selbstbefreiung von den Fesseln der Familie.
Dieser Roman ist harte Kost, thematisiert er doch das Unaussprechliche. Vigdis Hjorth versteht es, mit ihren klaren Worten, ihren eindringlichen Satzwiederholungen, für die Lesenden eine Ebene zu schaffen, auf der es erträglich ist, den inneren Kampf von Bergljot mitzuverfolgen, wenn auch äußerst herausfordernd. Dieser ist so vielschichtig, dass man ihr jedes Wort glaubt. Es geht hier nicht nur darum den Täter anzuklagen, sondern das ganze System, das ihn stützt. Es geht um Machtmissbrauch, emotionale Erpressung, Vernachlässigung, körperliche Gewalt, der Suche nach Aufmerksamkeit in den unterschiedlichsten Stufen. Die komplexen Beziehungen der Schwestern, des Bruders und vor allem der Mutter zueinander werden aufgedröselt; Hjorth zeigt, dass es niemals eine einfache Antwort geben kann; dass es immer ein System ist, das den Missbrauch stützt. Und über allem steht die Frage des Beweises, die anklagend und mit Fingerzeig auf die Betroffene blickt. Der Roman ist anstrengend zu lesen, es wird einem viel abverlangt, denn das Gedankenkarussell läuft unaufhörlich und scheint nicht aufhaltbar zu sein. Oft wollte ich die Protagonistin packen und schütteln und sie fragen, warum es ihr nicht möglich ist, "einfach" mit der Familie zu brechen, den Kontakt ein für alle mal aufzugeben. Aber die Penetranz und die Verdrängungsgabe besonders der Mutter und der Schwester Astrid sind so stark, dass sie Bergljot nicht loslassen können. Gekonnt werden in die Geschichte Theorien der Psychoanalyse eingeflochten. Es werden auch Bezüge zu Theater oder Filmen hergestellt, allen voran zu dem ersten Dogma 95-Film "Das Fest", in dem es ebenso um Kindesmissbrauch geht, mit dem sich die Protagonistin vergleicht. So krass das Thema ist, umso erstaunlicher ist es, wie subtil Hjorth auch Schwarzhumoriges einfließen lässt, wenn sie über den Gebrauch des Wortes "Inzest" schreibt. Fast ist es unfassbar, wie genial das Thema aufgearbeitet wird, die Komplexität des Geschriebenen ist so tiefgängig, dass man oft vergisst, dass es sich um Autofiktion handelt. Doch mutmaßlich arbeitet Hjorth hier ihre eigene Geschichte auf. Und abgesehen von der Härte der Thematik, ist das Buch einfach eine herausragende Prosa mit schriftstellerischer Brillanz, die sicher eines meiner persönlichen Highlights des Jahres 2024 ist.
Mein Fazit: "Ein falsches Wort" ist ein heftiger Roman, der die Lesenden an ihre Grenzen bringt. Die Autorin schafft es durch ihre feinfühlige Sprache und der Vielschichtigkeit der Aushandlungen innerhalb der Familie, ein Gefängnis nachzuzeichnen, aus dem die Protagonistin nur schwer entkommen kann - jenem der Familie. Ein herausragendes Werk, bei dem es aber aufgrund der Heftigkeit gut überlegt sein soll, ob man sich dem Thema annähern kann oder will.
Keine normale Familie
Bergljot hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern. Der plötzliche Tod des Vaters löst einen Streit aus, der zunächst wie ein banaler Erbstreit aussieht. Doch für Bergljot geht es um eine jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Sie nimmt den schweren Weg und steht ein für diese Wahrheit, auch wenn sie dafür hart kämpfen muss in ihrer Familie.
Das Buch erzählt die Geschichte einer Frau, die nach Jahren des Nichtgehörtwerdens mit Vehemenz dafür eintritt, gehört zu werden. Das gelingt ihr nicht auf Anhieb. Auch braucht es eine Weile, bis der Leser den Hintergrund ihres Verhaltens erfährt. Denn Bergljot erscheint in vielem recht schwatzhaft, wie sie ihre Geschichte erzählt, sie teilt jeden ihrer Gedanken mit dem Leser, so dass es nicht immer einfach ist, beim Wesentlichen zu bleiben. Doch sie braucht dies vermutlich, um die Ungeheuerlichkeit ihrer Geschichte überhaupt erzählen zu können, um Kraft und Mut aufzubringen, dies gegen die Widerstände in ihrer Familie zu erzählen. Damit durchbricht sie die von den Eltern, vor allem der Mutter inszenierten „Aufführung einer glücklichen Familie“ (ebook S. 143) und beharrt darauf, dass ihre Familie keine normale Familie ist. Der Roman ist harte Kost, gerade weil der Leser immer ganz nah bei Bergljot bleibt, während der gesamten Geschichte, und mit ihr zusammen die vielen Tiefen ihres Lebens aufrollt.
Auch wenn die Geschichte nicht einfach zu lesen ist, geht sie doch sehr unter die Haut, erzählt sie so viele Facetten zu den Themen Inzest und Verwicklungen einer dysfunktionalen Familie, dass ich das Buch unbedingt weiter empfehle. Sehr gerne vergebe ich alle 5 möglichen Sterne.
Hard stuff. Meine Empfehlung - am Besten liest man Vigdis Hjorths Roman "Ein falsches Wort" ohne allzu große Pausen... er wird an Eindringlichkeit gewinnen. An einem Anlass, dem Tod des Vaters, entrollt sich das Drama einer Familie. Vordergründig entspinnt sich unter den vier Geschwistern und der Mutter eine Erbauseinandersetzung, aber es geht um viel mehr. Auch um viel mehr, als 'nur' um die Frage, wie die Liebe der Eltern unter den Geschwistern aufgeteilt war, oder wer die meiste Aufmerksamkeit bekommen hat. Es geht um ein düsteres Geheimnis, dass sich der älteren Schwester Bergljot offenbart, als sie beschließt eine Psychoanalyse zu machen. Sie stößt auf ein Ereignis in ihrer Kindheit, welches die gesamte Familiendynamik bestimmt. das Problem ist nur - es kann nicht sein, was nicht sein darf. Scharfsinnig und mit psychologischem Feingefühl komponiert die Autorin einen herausfordernden Bewältigungsversuch. Absolut lesenswert!
Nach dem Tod des Vaters geht es um die Erbschaft. Während sich die Geschwister um das Erbe streiten, kommen alte Verletzungen und Kontroversen wieder hoch. Besonders Bergljot leidet unter den traumatischen Erinnerungen. Immer wieder kreisen ihre Gedanken und die Schatten der Vergangenheit werden immer deutlicher. Sie möchte, dass die anderen anerkennen, was ihr widerfahren ist. Doch was ist die Wahrheit?
Diese Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Daher kann das Ergebnis eigentlich nicht zuverlässig sein. Es kommen auch andere zu Wort, aber immer nur aus der Perspektive der Erzählerin.
Es ist schrecklich, was der Erzählerin widerfahren ist. Es hat Einfluss auf ihr weiteres Leben. Ich konnte mit ihr fühlen, aber Sympathie für sie empfinden konnte ich nicht. Sie wollte ihr Leid mitteilen, aber niemand hat ihr geglaubt oder wollte ihr glauben. Der Anschein nach außen war wichtiger, als sich um ein harmonisches Familienleben zu kümmern. Sie muss erkennen, dass sie von der Familie keine Unterstützung erwarten kann und selbst den Kampf gegen ihre Dämonen aufnehmen muss, auch wenn sie nie vergessen wird.
Dieser Roman ist nicht leicht zu lesen, denn es gibt natürlich immer und immer wieder Wiederholungen bei diesen kreisenden Gedanken. Aber es lohnt sich dennoch, dieses Buch zu lesen, zeigt es doch, wie die alten Wunden ein Leben lang nicht verheilen und die Menschen um das Opfer herum ebenfalls beeinträchtigt werden.
Keine leichte Kost!
Schon der erste Roman von dieser Autorin war eine Entdeckung für mich.
Nichts für ihre Mütter liebende Töchter.
Eine Abrechnung mit der Herkunftsfamilie, gnadenlos und klar, mutig und ehrlich seziert die Protagonistin ihren Bruch mit der Familie, ihre Wut, ihre Enttäuschung und ihre Einsamkeit berührt.
Niemand seziert so präzise und unerbittlich Familienstrukturen wie Vigdis Hjort. Schonungslos ihren Figuren gegenüber und dennoch immer bemüht um Verständnis für sie. Eingebunden in kluge Analysen der politischen und zeitgenössischen Ereignisse. Bereichernde Lektüre in jeder Hinsicht!
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