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Juli, August, September
Roman
von Olga Grjasnowa
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Erscheinungstermin 17.09.2024 | Archivierungsdatum 08.12.2024
Hanser Verlag | Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
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Zum Inhalt
Auf der Suche nach Wahrheit: Die Geschichte einer modernen jüdischen Familie. „Olga Grjasnowa erweist sich als kluge Chronistin moderner Verirrung.“ Publishers Weekly Lous zweiter Ehemann ist eine...
Eine Anmerkung des Verlags
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Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783446281691 |
PREIS | 24,00 € (EUR) |
SEITEN | 224 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Identitätssuche
Lou ist mit dem Konzertpianisten Sergej verheiratet. Sie sind kommen beide aus der ehemaligen Sowjetunion und sind beide jüdisch, auch wenn sie ein säkulares Leben führen. Ihre Ehe läuft nicht besonders gut und als ihre 5-jährige Tochter Rosa mit einem Buch über Anne Frank konfrontiert wird, fragt sich Lou nicht nur, was sie ihrer Tochter über ihre jüdische Identität vermitteln möchte, sondern fängt auch an ihre Identiät, ihre Familiengeschichte und ihr Selbstverständnis zu hinterfragen. Da kommt eine Einladung nach Gran Canaria zum 90. Geburtstag ihrer Tante, die zusammen mit der restlichen Familie in Tel Aviv wohnt, gerade recht...
Olga Grjasnowas Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, ich bin geradezu durch die kurzen Kapitel gefolgen und habe das Buch in einem Rutsch gelesen. Besonders gerne mochte ich das unterschwellig Zynische und den Humor, gerade bei den Begnungen mit der Familie musste ich oft schmunzeln und habe mich in das Haus meiner Schwiegerfamilie versetzt gefühlt.
Ihre Figuren sind gut ausgearbeitet, interessant und vielschichtig. Ich konnte sie mir bildlich vorstellen. Die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie sind super dargestellt.
Die Autorin lässt viele Fragen offen und regt den Leser dadurch zum Nachdenken an und lässt viel Spielraum für Interpretation. Mir war das an manchen Stellen etwas zu viel und ich hätte mir gewünscht, dass ein paar der angestupsten Themen weiter ausgeführt werden.
Das Cover finde ich super ansprechend und nach der Lektüre ist es noch passender.
4,5/5 Sternen
Den eigenen Wurzeln nachspüren
Lou lebt mit ihrem zweiten Ehemann Sergej und ihrer Tochter Rosa in Berlin. Als erfolgreicher Pianist ist Sergej ständig unterwegs, auch Lou führt als Kunsthistorikerin ein nicht gerade häusliches Leben, wenngleich ihr Beruf wegen Rosa momentan eher zweitrangig ist, sie also ihre Tage mit Kind gezwungenermaßen daheim verbringt. Wäre da noch das Gerücht um eine Trennung von Sergej, das nicht verstummen will. Ein Gerücht, das immer wieder aufflammt.
Und nun steht der 90. Geburtstag von Lous Großtante Maya an, sie hat in ein Resort auf Gran Canaria eingeladen. Auch Lou und Rosa sollen mit, denn – so meint Lous Mutter – es könnte Mayas letzter Geburtstag sein. Also, werden die Flüge gebucht. Sie sind die ersten, die dort eintreffen, so nach und nach trudelt dann die ganze jüdische Verwandtschaft ein.
Der Roman wird aus Lous Sicht erzählt, untergliedert in diese drei titelgebenden Monate. Der Juli führt zunächst zu Lou, Rosa und Sergej, zu ihrem ganz normalen Alltag. Und auch wenn sie jüdisch sind - mit russischen Wurzeln - so leben sie diesen Glauben nicht, kennen sich mit diesen Ritualen so gar nicht aus. Nun, es geht nach Gran Canaria und später dann fliegt Lou alleine nach Tel Aviv. Hier will sie ihren Wurzeln nachspüren, dabei erfährt sie so einiges aus früheren Tagen, erfährt von ihren Vorfahren und ihrem beschwerlichen Dasein.
Olga Grjasnowa ist ein gut lesbares Buch gelungen, das eine Familie näher beleuchtet und das neben dem Familiären auch die angespannte Weltpolitik thematisiert. Die Hauptprotagonistin Lou ist eine weltoffene junge Frau, die ihre Herkunft hinterfragt. Dabei werden so manche geschönte „Wahrheiten“, die ein Leben lang immer weitergesponnen werden, aufgedeckt. Und das auf eine amüsante Weise, garniert mit so einigen Drinks.
Es ist die Geschichte einer durchaus modernen jüdischen Familie, deren Glauben eher Nebensache ist und die Suche einer Frau nach ihrer Identität. Es ist das etwas andere Leseerlebnis, gut und kurzweilig geschrieben, das mit einem Ende aufwartet, dem ich sehr viel abgewinnen kann.
Olga Grjasnowa entfaltet in diesem Roman ein beeindruckendes Panorama innerer Zerrissenheit, Identitätssuche und familiärer Verstrickungen. Mit scharfsinnigem Sarkasmus zeichnet die Autorin das Portrait einer Frau, die zwischen äußerer Selbstsicherheit und tiefgreifender Unsicherheit schwankt. Lou, Ljudmilla, ringt nicht nur mit ihrer russisch-jüdischen Herkunft und den Schatten der Vergangenheit, sondern auch mit den komplexen Dynamiken ihrer Beziehung zu ihrem Mann Sergej, einem erfolgreichen und eher unkonventionellen Pianisten, und ihrer Rolle als Mutter.
Besonders bemerkenswert ist Grjasnowas Fähigkeit, die alltäglichen Herausforderungen jüdischer Familienzusammenkünfte, die stets von widersprüchlichen Erwartungen und unausgesprochenen Konflikten geprägt sind, in ebenso treffender wie zynischer Leichtigkeit darzustellen.
Ganz nebenbei streut sie dabei herrlich amüsante Anekdoten über absurde All-Inclusive-Pauschalreisen ein, die zwar für die Geschichte selbst keine zentrale Rolle spielen, aber einen großen Anteil zur Leichtigkeit beitragen. Dagegen stehen die erschütternden Erinnerungen an die Zeit des Holocausts.
Grjasnowa versteht es, in gutem Tempo in einen emotionalen Sog zu ziehen, der sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt.
Die ungeplante Reise Lous nach Israel markiert den Wendepunkt der Geschichte. Hier findet Lou, wenn auch nur andeutungsweise, einen inneren Frieden, der ihrer zerrütteten Identität anfängt Stabilität zu verleihen. „Juli, August, September“ ist ein herausragendes Werk, das die Komplexität menschlicher Beziehungen und Identitäten in einer Weise erforscht, die lange nachhallt. Großartig!
Olga Grjasnowa erzählt aus der Sicht von Lou die Geschichte einer modernen jüdischen Familie im heutigen Berlin. Die Familie, das sind Lou, Sergej und die kleine Tochter Rosa, in deren Leben das Jüdischsein kaum eine Rolle spielt. Doch die Großtante hat eine Reise im Supermarktprospekt gewonnen und lädt nun zum Familienfest nach Gran Canaria. Für Lou ein Anlass, sich mit ihrer sowjetisch-jüdischen Familie auseinanderzusetzen, und mit ihrer Beziehung zu Sergej und ihrer Rolle als Mutter. In dem Roman passiert eigentlich nichts Besonderes, aber Olga Grjasnowa entwirft mit Lou eine moderne, facettenreiche Figur, der man gerne in die Lebenskrise folgt.
In ihrem fünften Roman stellt Olga Grjasnowa eine junge Frau in den Mittelpunkt, die durch eine Fehlgeburt ihr zweites Kind verloren hat und in eine Krise geraten ist, in der sie besonders empfindlich wird, was Spannungen und offene Fragen in ihrem Leben anbetrifft, etwa ihre Identität als jüdische, in Russland geborene Person, die ihren Vater kaum kennt. Auch Lous Mann Sergej, ein Konzertpianist und ebenfalls russisch-jüdischer Abstammung, gerät in eine Sinnkrise. Über ihre Trauer um das ungeborene Kind, können sie miteinander kaum sprechen. Die beiden leben mit ihrer 4-jährigen Tochter in Berlin in engem Kontakt zu Lous Mutter. Lou hat sich eine Pause von ihrer Arbeit als Kuratorin in einer Kunstgalerie verschafft – derzeit übrigens ein sehr angesagter Beruf in deutschen Romanen
Lou reist mit Kind und ihrer Mutter nach Gran Canaria zu dem großen Familientreffen aus Anlass des 90. Geburtstags ihrer Großtante Maya. Die letzten Zusammenkünfte in den Sommern ihrer Kindheit in Tel Aviv liegen lange zurück, wenig familiäre Nähe ist spürbar. Als die hochbetagte Maya wieder einmal eine völlig verzerrte Version ihrer Kriegs-und Fluchtgeschichte an der Seite ihrer Schwester Hannah zum besten gibt, will Lou das nicht mehr als Familienfolklore durchgehen lassen und fasst den Mut, längst fällige Fragen zu stellen. Sie möchte den Lebensgeschichten ihrer Großmutter und ihrer Mutter näher kommen und ergründen, und was diese und damit indirekt auch sie selbst geprägt hat. Dass ihr Mann bei seinem Konzertaufenthalt in Salzburg von der Bildfläche verschwindet, wird auch für Lou zur Nerven- und Loyalitätsprobe.
Die 40-jährige Autorin ist in Baku geboren, ihre Mutter war Musikerin. Derzeit ist Olga Grjasnowa Professorin am Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst in Wien. Sie erzählt erfrischend direkt, unsentimental und temporeich. Die Autorin macht Reibungspunkte sichtbar, lässt ihre Figuren auch in Konfrontationen gehen, bleibt aber feinfühlige Beobachterin. Auch in diesem Roman ist die Identitätsfindung als ausländische Person in Deutschland ein wichtiges Thema. Im Mittelpunkt steht die Frage, woher sich die Kraft nehmen lässt für die kleinen und großen Krisen des Alltags, gespiegelt an den Zumutungen, die die Eltern- und Kriegsgeneration zu bewältigen hatte. Ein lebensnah erzählter, ehrlicher Roman, der nicht zwanghaft versucht, Antworten zu geben. Eine lohnende Lektüre über die Generationen hinweg.