Zeit der Verwandlung

München 1900 und die Neuerfindung des Lebens

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Erscheinungstermin 14.10.2023 | Archivierungsdatum 22.02.2024

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Zum Inhalt

München 1900: Laboratorium der Moderne

Franziska zu Reventlow und Frank Wedekind, Hedwig Pringsheim und Thomas Mann, Lou Andreas Salomé und Rainer Maria Rilke, Marianne von Werefkin und Wassily Kandinsky – mutig und tatkräftig brechen sie alle um 1900 in die damals modernste deutsche Stadt auf, um ein freieres, emanzipiertes Leben zu führen und die Zukunft zu gewinnen. Ihre inspirierenden Schicksale führen uns vor Augen, dass damals so vieles begann, was bis heute fortwirkt.
Ausgerechnet in der bierseligen, faschingsverwöhnten Kunststadt München kommt es zwischen 1886 und 1914 zu einem beispiellosen kulturellen Aufbruch: Psychotherapie und Jugendstil, Secession und Satirezeitschrift, Frauenemanzipation und fluide Geschlechter – das alles gedeiht hier erstmals und in beispielloser Vielfalt. In München versteht man zuerst, dass Jugend ein Lebensgefühl ist. Ein Hypnosearzt entwickelt gleichsam aus dem Nichts die Verhaltenstherapie. Um die Kunst vor Bevormundung zu schützen, entstehen die erste Secession und in ihrem Gefolge mit dem Blauen Reiter die abstrakte Kunst. Neue Zeitschriften und Kabaretts machen München zur unheimlichen Satirehauptstadt des von Berlin aus regierten Reiches. Unterdessen zeigt Franziska zu Reventlow, dass freie Liebe nicht länger Männersache ist. Und mit der Erfindung des modernen Tanzes verschwimmen die traditionellen Geschlechterrollen und Geschlechts­identitäten dann endgültig. Ein ebenso grandioses wie buntes Panorama des Aufbruchs und der Veränderung, in dessen Zentrum begabte Frauen und Männer stehen, die diese Verwandlung herbeigesehnt, erkämpft und gelebt haben.

München 1900: Laboratorium der Moderne

Franziska zu Reventlow und Frank Wedekind, Hedwig Pringsheim und Thomas Mann, Lou Andreas Salomé und Rainer Maria Rilke, Marianne von Werefkin und Wassily...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608986778
PREIS 28,80 € (EUR)
SEITEN 384

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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Über Franziska zu Reventlow und die Familien Pringsheim/Thomas und Katia Mann ist ausführlich geschrieben worden. Wie Felsen in der Brandung ragen sie aus Stefan Bollmanns Kultur- und Sittengeschichte Münchens zwischen 1887 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Um diese Pole ordnet Bollmann eine Vielzahl historischer Personen an, die in vielfältiger Weise miteinander verknüpft waren. Am Beispiel Hedwig Pringsheims (Thomas Manns Schwiegermutter und Tochter Hedwig Dohms) erleben wir, wie Frauen wohlhabender bürgerlicher Herkunft neben ihrer Mutterrolle durch Sport neue Freiräume beanspruchten – eine entscheidende Rolle dabei spielte die Entwicklung des Fahrrads mit Gummireifen. Als Gastgeberinnen literarischer Salons und „Tees“ knüpften Frauen wie sie Kontakte zwischen Künstlern, Autoren, Mäzenen, Verlegern u. a. prägenden Figuren des wilhelminischen Deutschlands.

Hochinteressant fand ich, wie nach München strebte, was in Kunst und Literatur Rang und Namen hatte, um in der Liberalitas Bavariae alternative Lebensentwürfe auszuprobieren und für Frauenrechte einzutreten. Grenzen waren auszutesten in einer Epoche, die Frauen nicht an Kunstakademien zuließ und in der Homosexualität als therapierbare Störung galt. Das „intolerante, uniforme Berlin“, wie es Hedwig Pringsheim erlebte, war kurz vor der Jahrhundertwende in der Kunst- und Literaturszene abgeschrieben. Mit München konnte allenfalls Paris als Traumziel konkurrieren. Besonders stark muss der Drang nach Bayern in Lübeck ausgeprägt gewesen sein; denn gleich mehrere Figuren stammten aus der Hansestadt. Wir erleben Anita Augspurg und Sophia Goudstikker bei der Gründung ihres Fotoateliers Elvira, lernen den Monte Verità im Tessin als Zufluchtsort kennen und die Künstlerkolonie um Münter und Kandinsky in Murnau. Bollmann lässt zahlreiche prominente Namen auftreten und legt ihr Beziehungsnetz aus. Künstler treffen Mäzene oder Mentoren, Autoren und Übersetzer:innen zukünftige Verleger, Hypnose, Psychotherapie und psychische Erkrankungen gewinnen an Aufmerksamkeit. Wer wen liebt und wer seine schwangere Geliebte im Stich lässt (weil man für Emanzipation und gegen die patriarchale Ehe eintritt) nimmt einigen Raum ein. Stefan Bollmann lässt zwar Kritik und leichte Süffisanz anklingen, auf die sexuelle Ausbeutung junger Groupies beiderlei Geschlechts hätte er m. A. kritischer reagieren dürfen. Schon zu Beginn des Buches habe ich mich gefragt, wer in der Münchener Bohème am Ende die Zeche zahlen würde; wenn jeder sich durchschnorrt und alte mit neuen Schulden tilgt.

Besonders interessiert hat mich die Begegnung von Malerei und Fotografie; über die Existenzgründerinnen Augspurg/ Goudstikker hätte ich gern mehr gelesen. Aus heutiger Sicht hochinteressant finde ich die Darstellung genderfluider Identitäten, gerade auch im Zusammenhang mit Malerei und Fotografie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutlich wenigen Betrachtern bewusst gewesen sein wird. „Zeit der Verwandlung“ könnte durchaus als Beginn eines non-binären Zeitalters wahrgenommen werden. Das Buch lässt sich trotz seines umfangreichen Ensembles gut weglesen; ein Literaturverzeichnis regt zum Weiterlesen an.

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München 1887: Eine Stadt im Umbruch, auf dem Weg, moderne Metropole zu werden. Ein Magnet für die aufkommende intellektuelle Elite, Schmelztigel der Kulturen. In dieser Zeit verdoppelt sich die Einwohnerzahl, was natürlich nicht nur den zustrebenden Künstlern zu verdanken ist.
Man ist experimentell in gewissen Kreisen, aufrührerisch nannte man das damals, was heute als mutig betrachtet wird.
Bis heute unvergessene Namen wie Thomas Mann, Hedwig Pringsheim, Franziska zu Rentlow, Rainer Maria Rilke, Wassily Kandinsky u.v.a. tummelten sich in dem neuen Mekka der Kreativen.
Stefan Bollmann hat es mit viel Fingerspitzengefühl verstanden, uns in diese Welt abtauchen zu lassen. Mit Herz und Respekt gelingt es, ein Hauch der Aufbruchsstimmung zu erhaschen. Grossartig!

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München war von etwa der Mitte der 90 er Jahre des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg ein Sehnsuchtort der Moderne. Hier trafen sich Künstler, aber auch Spiritualität und praktische Veränderungen. Auch für die Frauen war es ein Ort der Freiheit. Daneben entstanden bekannte Magazine und Vereinigungen. Insgesamt jedoch Erneuerung und Jugend in vielfältiger Hinsicht.
Stefan Bollmann bietet ein spannendes Kaleidoskop, das nie oberflächlich bleibt sondern auch die Nöte und Besonderheiten der Personen zeigt. Daneben ist leicht und manchmal humorvoll. Ein wunderschönes Buch

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Mit großem Interesse und noch größerem Vergnügen habe ich diese Zeitreise ins München der Jahrhundertwende unternommen und bin dabei Figuren der (Kultur)-Geschichte begegnet, die mir bereits bekannt waren und anderen, über die ich noch nicht so viel wusste. Stefan Bollmann gelingt es auf unterhaltsame und kluge Weise, das bohemienhafte und zugleich "länglich"-gemütliche Lebensgefühl Münchens lebendig werden zu lassen, das Besondere jener Aufbruchjahre ab 1880 herauszuarbeiten und dabei auch immer die Unterschiede zwischen München und anderen Metropolen zu verdeutlichen. Schwabing und Maxvorstadt werden zum Anziehungspunkt für eine illustre, aber auch eigenwillige Mischung aus Künstler*innen und Lebenskünstler*innen. Aufbrüche in Kunst, Literatur, in der Liebe und im Zusammenleben, in Medizin/Psychologie, in Philosophie und in der Art und Weise wie Menschsein und menschliches Entwicklungspotential gedacht wurden - all das hat die "Zeit der Verwandlung" so besonders gemacht.
Sehr gut gefallen hat mir, dass Stefan Bollmann den weiblichen Protagonistinnen dieser "Zeit der Verwandlung" viel Raum gegeben hat (aber nicht nur ihnen).
Ein kulturwissenschaftliches Buch, das sich streckenweise anregend wie ein Roman liest.

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Autor Stephan Bollmann nimmt sich in seinem Buch „Zeit der Verwandlung“ einer faszinierenden Epoche Münchens an. Ab den 1890er-Jahren ist München der Sehnsuchtsort zahlreicher Künstlerinnen und Künstler. Während sich Berlin streng, also preußisch, gibt, scheint München so herrlich unkompliziert zu sein. Natürlich ist auch dort nicht alles Gold, was glänzt.

Für Frauen wie Franziska von Reventlow bietet München die große Freiheit, auch wenn die mittellose Lebenskünstlerin ihren Lebensunterhalt manchmal auch im Bordell verdienen muss. Man trifft sich, feiert, liebt Frauen und Männer gleichermaßen, malt, dichtet oder politisiert - der Aufbruch in die Moderne scheint nicht aufzuhalten zu sein. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges lässt zunächst noch die Puppen tanzen, das Ende 1918 ist bitter.
Wir begegnen zahlreichen literarischen Größen wie Frank Wedekind, Hedwig Pringsheim und ihrem zukünftigen Schwiegersohn Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke. Auch die bildende Kunst ist mit klingenden Namen wie Wassily Kandinsky oder Gabriele Münter vertreten.
Es ist Platz für die Frauenrechtlerinnen wie Anita Augspurg sowie Anarchisten wie Erich Mühsam. Daneben wird dem Spiritismus Platz eingeräumt bis man ihn als Talmi entzaubert.
Stefan Bollmanns Buch bietet einen spannenden Einblick in diese Aufbruchsstimmung, einem Kaleidoskop ähnlich, das nie oberflächlich bleibt, sondern auch die Schattenseiten zeigt.

Fazit:

Diesem faszinierenden Spaziergang durch die Kulturgeschichte der Boheme Münchens um die Jahrhundertwende gebe ich 5 Sterne.

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