1000 Serpentinen Angst
Roman
von Olivia Wenzel
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Erscheinungstermin 04.03.2020 | Archivierungsdatum 15.09.2020
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Zum Inhalt
»Ich habe mehr Privilegien, als je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Großmutter es sich vorstellen kann. Am Tag der Bundestagswahl versuche ich ihr mit dieser Behauptung 20 Minuten lang auszureden, eine rechte Partei zu wählen.«
Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR war und nie die Freiheit hatte, von der sie geträumt hat. Von ihrer Großmutter, deren linientreues Leben ihr Wohlstand und Sicherheit brachte. Und von ihrem Zwillingsbruder, der mit siebzehn ums Leben kam. Herzergreifend, vielstimmig und mit Humor schreibt Olivia Wenzel über Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit und über die Rollen, die von der Gesellschaft einem zugewiesen werden.
»Ich habe mehr Privilegien, als je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Großmutter es sich vorstellen kann. Am Tag der...
Eine Anmerkung des Verlags
Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2020!
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783103974065 |
PREIS | 19,63 € (EUR) |
SEITEN | 352 |
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
WOW!!! Einfach nur wow! Eine große erzählerische Kraft und ein essentieller Blickwinkel, den unsere Gesellschaft ganz dringend braucht!
Ein essentieller Blickwinkel
WOW!!! Einfach nur wow!
„1000 Serpentinen Angst“ ist für mich definitiv ein Jahreshighlight, aber es ist auch eines der Bücher, die ich nicht zu viele Worte zerreden möchte. Lest bitte selbst!
Als ich angefangen habe, wollte ich eigentlich nur mal kurz den ersten Satz lesen, aber dann war ich sofort elektrisiert! Stilistisch ist Olivia Wenzel eine absolute Meisterin und schafft in „1000 Serpentinen Angst“ eine geniale Mischung der Formen Epik, Lyrik und Dramatik.
Ich bin dankbar, dass Wenzel mir mit diesem wundervollen Roman erlaubt hat, in den Kopf ihrer schwarzen, queeren, ostdeutsche Ich-Erzählerin zu schlüpfen. Ich spüre ihre Kraft, aber auch ihre Ängste und ihre Trauer, und das alles so unmittelbar, dass ich absolut begeistert bin.
Ich möchte allerdings noch eine CN / Content Note anfügen: Suizid, Rassismus, Gewaltandrohung, Depression, Angststörung
Trotz dieser ernsten Themen schafft Wenzel einen fast leichtfüßigen Erzählstil, der sicherlich auch mit den ungewöhnlichen Formen zusammenhängt. Es gibt erzählende Dialogpassagen in verschiedener Form und Bildbeschreibungen, die in ihrer Exaktheit die Atmosphäre eines Moments absolut lebendig einfangen können.
Das Einzige, was ich beachten musste: Ich durfte nicht zu viel vom Buch auf einmal lesen, weil durch die erzählerische Kraft und Dichte vielleicht doch sonst etwas Ermüdung dazukommen würde.
Ein Highlight, für das ich begeisterte 5 von 5 Sternen vergebe. Ich würde 1000 vergeben, wenn dies möglich wäre.
Wie eine Woge kommt dieser ungewöhnliche Debütroman über den Leser.
Olivia Wenzels Protagonistin teilt einige Daten der Autorin.
Der Beginn besteht aus einer langen Selbstbefragung (so jedenfalls verstehe ich diese Form), die teilweise sehr hart ist, wie ein strenges Verhör.
Das ist so intensiv wie quälerisch zu lesen, bis sich der Stil nach einer Weile ändert. Es gibt einige Erinnerungen an ihre Kindheit im Osten, an ihren verstorbenen Bruder und ihre Großmutter sowie dem alltäglichen Rassismus, der ihre Jugend prägt so dass sie inzwischen an einer Angststörung leidet.
Viele Passagen beschreiben ihre Gefühlslage dazu. In dieser manchmal verstörenden Form habe ich das kaum einmal gelesen. Das macht den Roman zu einem einzigartigen Leseerlebnis.
#1000SerpentinenAngst steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2020. Hier berichtet die Ich-Erzählerin, deren Namen der Leser nie erfährt, von ihrem Leben. Von ihren Angstzuständen und den Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten. Ihre Hautfarbe macht sie zu einem Individuum. Sie wächst in einem kleinen Ort in der DDR auf und hat schon früh unter Neonazis zu leiden. Ihre Mutter war 19 als sie die Zwillinge entband. Der Zwillingsbruder starb schon mit 17 und der Vater ging zurück nach Angola, bevor die beiden Kinder geboren wurden. Eigentlich wollte die Mutter mit ausreisen, die Mächtigen der DDR verweigerten ihr das aber trotz Ausreisegenehmigung.
Es war für mich nicht leicht, den vielen verschiedenen Handlungssträngen zu folgen. Jedoch wurde ich durch die schöne Sprache entschädigt. Zitat: „Was sagt es über ein Land, wenn es mehrheitlich ekelhafte Lappen wie Mario Barth gut findet?“ Die Autorin schreibt über Kindheit und Jugend und der Zugehörigkeit zur FDJ und SED. Das mit der SED war die Großmutter. Die Mutter war Punk und das kam in der Dorfgemeinschaft nicht gut an. Später dann versucht die Tochter sich zu befreien. Von dem „Manko“ eine „Schwarze“ zu sein und immer und überall aufzufallen. Stets fallen dumme Bemerkungen darüber. Sie besucht New York und Hanoi und lebt zeitweilig in Berlin oder in Thüringen. Eine bunte Mischung aus Interview und Biographie verfasste die Autorin mit dem Buch. Es war anstrengend zu lesen aber auch mitreißend geschrieben. Daher gebe ich vier Sterne und empfehle es vornehmlich jungen Lesern. Vielleicht bin ich zu alt für diesen Schreibstil. #NetgalleyDE
Zu Unrecht nicht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2020: Olivia Wenzels "1000 Serpentinen Angst", erschienen im Fischerverlag.
Die Protagonistin ist eine bisexuelle Schwarze Frau, die Anfang der 90er in der ehemaligen DDR geboren wird. Sie erzählt von ihrem Zwillingsbruder, der sich das Leben genommen hat, von ihrer linksextremen Mutter, ihrer rechten Oma ... und sie verknüpft diese komplizierte Familiengeschichte wahnsinnig gut mit der Zeitgeschichte.
Der Schreibstil ist ... Wie beschreibe ich den am besten? Es ist fast durchweg ein Frage- und Antwort-Spiel, in das ich am Anfang überhaupt nicht reingefunden habe. Aber es lohnt sich, dranzubleiben! Die Verwirrung über diesen ungewöhnlichen Stil weicht irgendwann dem Grübeln über die Stimme, die fortwährend Fragen stellt. Wen diese Stimme verkörpert, wird nicht eindeutig festgelegt. Für mich sind es internalisierte Machtstrukturen, die im Kopf der Protagonistin zum Gedankenkarussell werden und zu ihrer Angststörung, den 1000 Serpentinen, führen. Somit ist das ganze Buch ein Monolog mit erinnerten Gesprächen und Situationen - eine Metapher dafür, dass die Protagonistin gezwungen ist, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen und immer allein unter weißen (kursiv) ist.
Gegen Ende geht eine Frage wohl an die Leser*innen: "Begreifst du den Gedanken, dass alles, was ich dir erzähle, in ein einziges Leben passt und dass dieses Leben dennoch ein gewöhnliches und ein gutes ist?", kurz darauf gefolgt von "niemand schien etwas vom anderen zu wollen. Vielleicht ist das die schönste Art des Zusammenseins." In diesen Sätzen wird der Optimismus der Protagonistin und ihr Wunsch nach Normalität deutlich. Der Appell an die Leser*innen, die rassistischen und heteronormativen Gesellschaftsstrukturen zu ändern, schwingt immer mit.
Ganz klare Buchempfehlung!