
Umkämpfte Zone
Mein Bruder, der Osten und der Hass
von Ines Geipel
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Erscheinungstermin 16.06.2019 | Archivierungsdatum 30.04.2019
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Zum Inhalt
Woher kommt die große Wut im Osten? Fremdenfeindlichkeit und Hass auf »den Staat«: Verlieren wir den Osten Deutschlands? Das Buch sucht Antworten auf das Warum der Radikalisierung, ohne die aktuell...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783608963724 |
PREIS | 20,60 € (EUR) |
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Erhellende Erklärungsansätze
Ines Geipels Buch Umkämpfte Zone, mit den sprechenden Untertitel Mein Bruder, der Osten und der Hass ist alles andere als ein emotionsloses Sachbuch. Ausgehend vom Tod ihres jüngeren Bruders Robbie setzt sie ihre Familiengeschichte in den Kontext der Geschichte Deutschlands, insbesondere des Ostens und dem Aufschwung der AfD. Dadurch wird es ein sehr privates Buch. Und die Autorin spricht klare Worte.
Eine Reizfigur ist der Vater, der über viele Jahre lang für den Osten spionierte und ein extremer Mensch war. Zwischen Ines und Robbie gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Vergangenheit zu verarbeiten sei. Während Ines aufbegehrte, bevorzugte ihr Bruder die Form der positiven Verdrängung. Beides sind schwere Wege, die Beschädigungen nach sich ziehen. Ines ist schließlich 1989 in den Westen geflohen. Die Vergangenheitsbewältigung bleibt ein Thema.
Ines Geipel analysiert auf deutliche Art die Fremdenfeindlichkeit des Ostens.
Ines Geipels Erklärungsansätze über den Zustand des Landes empfinde ich als erhellend und nachvollziehbar.

Warum ist der rechte Hass im Osten, wo doch zu DDR-Zeiten die internationale Solidarität hochgehalten wurde, so viel größer als im Westen? Ines Geipel, Schriftstellerin, Professorin für Verskunst und ehemalige DDR-Leistungssportlerin, ist mit knapp 30 kurz vor der Wende in den Westen geflohen, ihr Bruder wohnte hingegen sein ganzes Leben im heimatlichen Dresden. In diesem Buch, in dem sie das Verhältnis zum im vergangenen Jahr verstorbenen Bruder reflektiert, beschreibt Geipel, wie die Geschwister und ihre Ansichten immer weiter auseinander drifteten. Dennoch ist der Text viel mehr als ein Memoir: Die Familiengeschichte ist mit historischen und soziologischen Erklärungen verwoben, die dem hier rezensierenden Wessi insbesondere einige Bezüge zwischen den aktuellen Gewaltphänomenen im Osten und der fehlenden Aufarbeitung des Holocaust in der DDR verdeutlicht haben.
Geipels Großvater war ein Nazi, ihr Vater wurde Stasi-Agent, sie selbst und ihr Bruder, „Mauerkinder“, wuchsen mit der DDR-Indoktrination auf. Da der Arbeiter- und Bauernstaat sich als Hort des Antifaschismus inszenierte, wurden die Nazi-Verbrechen, die dort zur Hitlerzeit begangen wurden, nicht etwa, wie im Westen, jahrzehntelang aufgearbeitet, sondern aus der Kollektividentität ausgelagert. Hinzu kam der Antisemitismus in Moskau und in der Ost-Berliner Staatsführung. Geipel berichtet, dass so ein Kreislauf aus Verdrängung, Schuld und Trauer begann, ein Schweigebann in der Gesellschaft und innerhalb von Familien, der vor dem Hintergrund der DDR-Diktatur und ihrer Verbrechen fortgesetzt und weiter verkompliziert wurde. Nach der Wende sei der Westen mit seiner Erinnerungskultur in der Aufarbeitung der Geschichte bereits weit vorangeschritten gewesen, während der Osten nun die Nazi- und die DDR-Vergangenheit bewältigen müsse; das dies nicht ausreichend stattfindet und der Verdrängungsmechanismus weiter angewandt werde, wird von Geipel scharf kritisiert. „Totalitäre Systeme sind Verantwortungsentlastungsen“, führt Geipel aus, ihre „affektive Verleugnungstendenz“ stünde der Demokratie entgegen. Die Autorin bricht dies bis zum geliebten Bruder herunter: „Robby wollte nicht. Er hielt an den spektakulären Unwahrheiten der Familie fest.“
Geipel führt die hier kurz geschilderten Zusammenhänge mit zahlreichen Details, Verweisen und Studien aus. Am verstörendsten an dieser Leseerfahrung war für mich aber, dass ich als Wessi nicht einschätzen kann, inwiefern die Interpretationen Geipels in ihren Einzelheiten zutreffend sind (gut, ich bin zudem über 20 Jahre jünger als Geipel, aber trotzdem). Und ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt des Gesamtproblems: Klar haben wir seit 89 viele Fortschritte gemacht, aber so manches ist einfach noch nicht richtig diskutiert und betrachtet worden, auch, weil es sehr viel Mut erfordern würde. Die DDR findet noch nicht ausreichend als Gegenstand der historischen Debatte in Deutschland statt. Auch deshalb ist Geipels Buch so lesenswert.

Sehr beeindruckend geschrieben. Die Autorin moralisiert nicht, sondern analysiert anhand ihrer Familiengeschichte sehr eindringlich, wie Menschen in der DDR dahin gekommen sind, wo sie jetzt sind. Sie verknüpft dabei geschickt das Persönliche mit historischen Ereignissen.
Würde das Buch unbedingt empfehlen, besonders für die jüngere Generation.