Libellenstaub - Alisa&Chess - Band 1

„Libellenstaub – Alisa & Chess“ von Fae Moco entführt den Leser in eine außergewöhnliche und zugleich tiefgründige Geschichte, die verschiedene Themen wie Liebe, Freundschaft, Mathematik, Philosophie und das Konzept des Multiversums miteinander verbindet. Der erste Band der Reihe ist keine leichte Kost – es ist vielmehr eine Erzählung, die den Leser herausfordert, zum Nachdenken anregt und ihn mit einer spannenden Mischung aus Wissenschaft und Emotionen fesselt.

Die Geschichte dreht sich um Alisa, die Tochter eines amerikanischen Ingenieurs, und Chess, ein mathematisches Wunderkind, die sich in der Internationalen Schule Venedigs kennenlernen. Bereits hier beginnt die Autorin, den Leser mit einer ungewöhnlichen Ausgangssituation zu überraschen. Die beiden Mädchen kommen aus völlig unterschiedlichen Welten – Alisa aus einer privilegierten Familie und Chess aus eher bescheidenen Verhältnissen. Was wie eine typische Geschichte über das Leben zweier Jugendlicher beginnt, entwickelt sich rasch zu etwas Tiefgründigerem, als die beiden Freundinnen in einem Schulprojekt in einem katholischen Kloster untergebracht werden. Aus Freundschaft wird Liebe, doch dies ist erst der Beginn der Komplexität, die den Roman auszeichnet.

Fae Moco erschafft eine Liebesgeschichte, die weit über das rein Romantische hinausgeht. Die Liebe zwischen Alisa und Chess ist eine Verbindung, die tiefer reicht als das bloße Diesseits. Sie ist eine Liebe, die den Tod überwindet und in einer früheren Existenz der beiden Mädchen wurzelt. Durch Rückblenden erfahren wir, dass Alisa in einem früheren Leben, im Alter von neun Jahren, ihrem Leben ein Ende setzte, um einem unfassbaren Grauen zu entkommen. Diese düstere Vergangenheit schwebt wie ein Schatten über der Erzählung und gibt dem Roman eine mystische, fast schon tragische Tiefe.

Doch was „Libellenstaub“ so faszinierend macht, ist die Art und Weise, wie die Autorin wissenschaftliche und metaphysische Elemente in die Handlung einwebt. Alisa und Chess erhalten durch eine göttliche Entität, die in Form eines Ozeans auftritt, die Chance, Alisas Schicksal zu ändern. Dies geschieht jedoch nicht ohne einen hohen Preis: Chess muss eine mathematische Gleichung lösen, die sie zum Schöpfungsort des Multiversums führt. Diese Gleichung und die damit verbundenen Rätsel symbolisieren die Herausforderungen des Lebens und die Suche nach Antworten, die oft schwer zu begreifen sind.

Hier liegt einer der großen Reize des Buches: Es fordert den Leser heraus. Die Autorin bietet keine simplen Lösungen oder klare Erklärungen an. Stattdessen fordert sie Geduld und Nachdenken, während die Geschichte sich langsam entfaltet. Manche Zusammenhänge und Bilder, die im ersten Moment rätselhaft erscheinen, werden erst viel später im Verlauf des Romans klar. Dieser anspruchsvolle Erzählstil ist jedoch keineswegs abschreckend – vielmehr lädt er den Leser zu einer tiefen intellektuellen und emotionalen Reise ein, die weit über das hinausgeht, was man von einem Jugendroman erwartet.

Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Fae Moco komplexe Themen wie Mathematik, Religion, Astronomie und Kunst in die Handlung integriert. Die mathematische Begabung von Chess wird nicht nur als intellektuelle Fähigkeit dargestellt, sondern als Schlüssel zum Verständnis der Welt und des Multiversums. Dadurch wird das Buch zu einer Mischung aus philosophischer Abhandlung und packender Liebesgeschichte, was es besonders für Leser interessant macht, die sich für die Schnittstelle zwischen Naturwissenschaften und menschlichen Gefühlen begeistern.

Die Liebesgeschichte zwischen Alisa und Chess ist dabei nicht nur eine romantische Episode, sondern ein zentrales Element der Handlung. Ihre Beziehung ist intensiv, zart und zugleich von einer Schicksalsschwere durchdrungen, die den Leser tief berührt. Die Idee, dass ihre Liebe den Tod überdauert und durch die Zeit hindurch Bestand hat, verleiht dem Roman eine epische Dimension. Es ist eine Geschichte über zweite Chancen, über die Möglichkeit, Vergangenes zu korrigieren und sich selbst zu finden.

Trotz der thematischen Schwere bleibt „Libellenstaub“ ein Roman für junge Leser, der jedoch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Reflexion erfordert. Fae Moco vermeidet es, dem Leser einfache Antworten oder eine klar strukturierte Handlung zu präsentieren. Stattdessen baut sie eine Erzählung auf, die sich über Jahrhunderte, Kulturen und Universen erstreckt und den Leser auf eine Reise zu sich selbst mitnimmt.

Der Titel „Libellenstaub“ ist dabei nicht nur poetisch, sondern auch symbolisch: Die Zerbrechlichkeit der Libelle und ihr schimmernder Staub, der im Licht tanzt, stehen für die feinen, vergänglichen Momente des Lebens und der Liebe. Die Autorin verwebt dieses Bild mit den großen Fragen des Seins, des Universums und des Multiversums.

Abschließend lässt sich sagen, dass „Libellenstaub – Alisa & Chess“ ein einzigartiger Roman ist, der tiefgründige Themen mit einer berührenden Liebesgeschichte verbindet. Es ist ein Buch für Leser, die bereit sind, sich auf eine komplexe und emotionale Reise einzulassen. Die Mischung aus Wissenschaft, Mystik und Romantik macht diesen Roman zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis, das weit über das hinausgeht, was man von einem typischen Jugendroman erwarten würde. Wer Geduld, Neugier und Offenheit mitbringt, wird mit „Libellenstaub“ eine Reise erleben, die ihn lange nicht loslassen wird – eine Reise zu den Grenzen des eigenen Verstandes und der eigenen Seele.