Das Wohlbefinden
Roman
von Ulla Lenze
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Erscheinungstermin 17.08.2024 | Archivierungsdatum 24.11.2024
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Zum Inhalt
»Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive Prosa. Echt und wahr und ehrlich.« David Wagner
Die Fabrikarbeiterin Anna wird als Medium verehrt, Johanna Schellmann ist Schriftstellerin. In den Heilstätten Beelitz entsteht eine Verbindung zwischen den ungleichen Frauen, von der beide profitieren – bis der Kampf um Anerkennung und Aufstieg sie zu Rivalinnen macht. Ulla Lenze hat in ihrer unvergleichlich kristallinen Prosa einen großen Roman über die Verführungskraft der Selbsterlösung geschrieben.
Versteckt in den Kiefernwäldern vor den Toren Berlins liegen die Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz. Als sich die Fabrikarbeiterin Anna Brenner und die Schriftstellerin Johanna Schellmann hier im Jahr 1907 begegnen, hat das für beide Frauen existenzielle Folgen. Anna gilt als hellsichtig, und obwohl die Avantgarde der Kaiserzeit begeistert mit dem Okkulten experimentiert, wird Annas wachsende Anhängerschaft für den Leiter der Heilstätten zum Problem. In Johanna legt die Begegnung eine tief verschüttete Spiritualität frei, und sie ahnt, dass Anna eine Schlüsselrolle in ihrem literarischen Schaffen spielen könnte. Nur: Anna lässt sich nicht vereinnahmen, von niemandem. Sechzig Jahre später versucht Johanna Schellmann Worte für ihre Verstrickungen in der Vergangenheit zu finden, doch erst Vanessa, ihre Urenkelin, bringt Licht ins Dunkel – mitten in einem luxussanierten Beelitz, durch das noch die Geister der Vergangenheit wehen. Vom Kaiserreich bis in die Gegenwart porträtiert Ulla Lenze drei Frauenleben, die Befreiung und Aufstieg erfahren und sich doch nicht vor dem drohenden Bedeutungsverlust retten können.
»Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive Prosa. Echt und wahr und ehrlich.« David Wagner
Die Fabrikarbeiterin Anna wird als Medium verehrt, Johanna Schellmann ist Schriftstellerin. In den...
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Bitte nicht vor dem 17. August 2024 besprechen.
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Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783608986853 |
PREIS | 25,00 € (EUR) |
SEITEN | 336 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Unter dem Druck einer Eigenbedarfs-Kündigung ist während des Lockdowns 2020 die knapp 40jährige Vanessa auf der Suche nach einer Wohnung in Berlin. Ihr Handy liefert ihr Druck und Stütze zugleich; eine Meditations-App bietet ihr Führung, aber ständige Forderungen in den Benachrichtigungen nach Entscheidungen machen deren Wirkung wieder zunichte. Vanessa ist sich bewusst, dass sie therapiebedürftig ist. Der Anruf einer Literaturwissenschaftlerin konfrontiert sie damit, dass ihre Urgroßmutter Johanna hundert Jahre zuvor erfolgreiche Autorin gewesen sein muss, deren Werke offenbar nicht erhalten sind. Bei einer Besichtigung der Lungenheilstätte in Beelitz, die nach 1945 in der damaligen DDR als russisches Militär-Krankenhaus diente, schließt sich ein Kreis in Vanessas Leben. In Beelitz wirkte Anfang des 20. Jahrhundert das Medium Anna, die zur Heilung ihrer Tuberkulose als Patientin auf „dem Zauberberg der Proletarier“ war – und über Beelitz wollte um 1900 Vanessas Urgroßmutter Johanna Schellmann ein Buch schreiben. Johanna stammte aus wohlhabender bürgerlicher Familie und genoß für ihre Zeit ungewöhnliche Freiheiten. Ihr Mann Simon forschte als Mediziner an der Entwicklung eines Antibiotikums (das zur Tuberklosebehandlung dringen erwartet wurde), fühlte sich jedoch als Bildungsaufsteiger in seinem Beruf ausgegrenzt. Anfang des Jahrhunderts blühte in München unter Schrenck-Notzing das Interesse an Okkultismus, und während des Ersten Weltkriegs waren Frauen nicht ungewöhnlich, die „die Gabe“ hatten, den Tod von Angehörigen vorhersagen zu können. Johanna Schellmann griff mit dem Thema Okkultismus ein aktuelles Thema auf, kam mit ihrem Roman jedoch schwer voran. Wie ihre Urenkelin ein Jahrhundert später war sie auf der Suche nach Führung und geriet offenbar unter den Einfluss der stark religiös geprägten Anna (eine fiktive Romanfigur, die an eine reale „Seherin“ angelehnt ist). 60 Jahre später, während der Anti-Schah-Demonstrationen in Berlin, wird Vanessas Urgroßmutter mit über 80 Jahren durch ihren Alltagshelfer Klaus wieder mit ihrem Manuskript von 1907 konfrontiert.
Fazit
Ulla Lenze erzählt aus einer Rahmenhandlung der Gegenwart heraus auf weiteren Zeitebenen (1900, 1967) über eine für ihre Epoche ungewöhnlich erfolgreiche Autorin, von Okkultismus, der schnödem Profitstreben diente, und sehr stimmungsvoll vom Komplex der Beelitzer Heilstätten, in denen mit neuen Methoden die Arbeitsfähigkeit Tuberkulosekranker wiederhergestellt werden sollte. In Beelitz treffen die Figuren und drängende Probleme der Epoche aufeinander. In der Beziehung zwischen Anna in der Rolle des Dienstmädchens und dem bürgerlichen Arztehepaar Schellmann bringt die Autorin die damalige Klassengesellschaft auf den Punkt. Setting und Epoche wirken sorgfältig recherchiert, insgesamt haben mir jedoch ein roter Faden gefehlt, ein zentrales Thema und eine vertiefte Hauptfigur. Gerade weil Anfang des 20. Jahrhunderts Frauen mit „der Gabe“ noch häufig anzutreffen waren, hatte ich mir vom Einblick in Annas Persönlichkeit mehr versprochen als ihre Religiosität.
Knappe 4 Sterne
Drei Frauen
Ulla Lenze ist eine Autorin, die einen eleganten Stil hat und weiß, einen Plot geschickt zu gestalten. Sie nutzt 3 Zeitebenen. 1908 mit der Schriftstellerin Johanna und der hellsichtigen Anna, die als Medium wirkt. Dann 1967, die Zeit der Studentenunruhen und der jetzt alten Johanna, die sich mit ihrer Autobiografie beschäftigt. Zuletzt 2020 mit ihrer Urenkelin Vanessa, die begonnen hat, sich mit ihrer Ahnin zu beschäftigen. Das greift alles mühelos ineinander.Der Autorin gelingt es die Stimmungen der Zeiten zu vermitteln.
Ein Buch, das man empfehlen kann!
Die Beelitz-Heilstätten müssen ein besonderer Ort gewesen sein, der seiner Zeit weit voraus war - mit Genesungsprogrammen für lungenkranke ArbeiterInnen, die sich einen solchen Luxus nie hätten leisten können und einem ganzheitlichen Ansatz, der auch vor ungewöhnlichen Heilungsmethoden und Experimenten mit dem Okkulten nicht halt machte. Heute eine beliebte Wohngegend für stadtmüde BerlinerInnen, die Ruhe und frische Luft suchen.
Hier spielt ein wesentlicher Teil des Romans, und zwar um 1908 und 2020. Hier lernte 1908 die exzentrische Schriftstellerin Johanna das Medium Anna kennen. Eine hochinteressante Beziehung zwischen zwei ungewöhnlichen Frauen, die nicht unbedingt diejenigen sind, als die sie scheinen. Die verwöhnte Johanna, die ihr Heil in Anna sucht, die sich aber nicht vereinnahmen lässt, hin- und hergerissen zwischen dem Komfort, den ihre Gabe ihr ermöglicht, und dem Unbehagen, der mit ihrer begeisterten Anhängerschaft einhergeht und den Menschen, die sie als Scharlatanin abstempeln.
2020 kommt Enkelin Vanessa unverhofft in den Besitz von unveröffentlichten Manuskripten ihrer Großmutter Johanna, die zeitlebens unter der Trennung von Anna nach einem tragischen Zwischenfall litt. Vanessa, selbst von Zweifeln und depressiven Anflügen geplagt, ist fasziniert von der Geschichte der herrischen Johanna, die diese 1967 als hochbetagte, pflegebedürftige Frau in einem letzten Versuch, an ihren ersten literarischen Erfolg anzuknüpfen, niederschrieb.
Mein Fazit:
Das Cover des Buchs ist wunderschön und passt perfekt zum Inhalt. Und Ulla Lenze schreibt wundervoll:
"Jedes Mal schabte der Schmerz ein bisschen Lebensfreude und Mut von einem ab."(S.73)
"Um den Plötzensee brodelten die informellen Partys,die ganze Stadt lag wie ausgekippt auf jeder Grünfläche."(S.106)
Die drei Geschichtsstränge beginnen vielversprechend und spannend. Am besten hat mir der Teil aus 1967 gefallen, wo die alte Johanna kämpft und leidet, diese Intensität hätte ich mir auch für den fortschreitenden Prozess im ersten Teil gewünscht, wo Johanna Anna gegen den Willen ihres Ehemanns "im Haus behält" und nicht müde wird, Anna für ihre Zwecke einspannen zu wollen. Mit Vanessa wurde ich leider nicht so richtig warm, aber vielleicht diente ihre Figur in erster Linie als Rahmenhandlung. Ein interessantes und ungewöhnliches Buch, dass ich gern gelesen habe und dass in mir den Wunsch weckte, diesen besonderen Ort besuchen zu wollen.
Die Autorin Ulla Lenze hat ausführlich über den Okkultismus und die Komplexität des im Buch erwähnten Behandlungszentrums berichtet, dabei geschickt gesellschaftliche Unterschiede und die sozialen Probleme der Zeit reflektiert. Es war schön. Aber es könnte immer noch besser sein.
Es ist ein interessantes Stück (Sozial)-Geschichte, das uns die Autorin Ulla Lenze in diesem Buch präsentiert. Vor allem die Passagen, die in der Arbeiter-Heilstätte Beelitz zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielen, sind sehr anregend zu lesen. Auch das Thema das Okkultis-mus und Spiritismus hat mich interessiert und fasziniert. Die ambivalente Beziehung zwi-schen der Schriftstellerin Johann Schellmann und dem Medium Anna Brenner, einer Fab-riksarbeiterin, die ihre Fähigkeiten dem Göttlichen zuschreibt und eigentlich ursprünglich kein Kapital daraus schlagen will, ist sehr spannend erzählt.
Was mich am Roman ein wenig gestört hat, das ist die Aufteilung auf drei Zeitebenen. Dadurch dass wir Johanna als alte, bereits etwas demente Frau und vergessene Schriftstel-lerin in den späten 1960er Jahren erleben, bzw. dass wir ihrer Urenkelin Vanessa in der Gegenwart des Lockdown-Berlins begegnen, wird der Erzählfluss rund um die sehr faszinie-rende Anna-Johanna-Geschichte um 1907/08 immer wieder unterbrochen. Die (scheinba-ren) Parallelen, aber auch die Kontraste der einzelnen Frauenschicksale wirken manchmal etwas zu bemüht und konstruiert. Trotzdem ist die Lektüre insgesamt interessant und fes-selnd; vor allem die Figur der Johanna in all ihrer Widersprüchlichkeit, mit ihrem Willen zur Selbstfindung, aber auch mit ihrem berechnenden Verhalten und – letztlich – ihrem man-gelnden Mut ist faszinierend. Ebenso waren die verschiedenen männlichen Figuren interes-sante Charaktere des Buches, die verschiedene Aspekte der patriarchal geprägten Medi-zingeschichte beleuchten: Ärzte wie Dr. Schellmann, Dr. Blomberg oder Dr.Schrenck-Notzing verkörpern unterschiedliche Zugänge zum Thema Gesundheit und Heilung und gehen auf je eigene Weise mit (para)psychologischen Phänomenen und mit Frauen um.
👥In „Das Wohlbefinden“ erzählt Ulla Lenze die Geschichte zweier Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Leben durch eine ganz besondere Verbindung zusammen führten. Anna und Johanna begegnen sich in der Heilstätte Beelitz, vor den Toren Berlins.
2020 erfährt die Urenkelin von Johanna wie dramatisch die Geschichte damals endete und dass Johanna am Ende ihres Lebens von der Vergangenheit eingeholte wurde.
🩺Anna ist Gast und Patientin in Beelitz. Eine Arbeiter-Lungenheilstätte für FabrikarbeiterInnen aus Berlin. In einem drei bis sechsmonatigen Aufenthalt können sie auf der Kur wieder Kräfte sammeln. Entspannung und Erholung als Medizin wird erkannt und eingesetzt. Anna scheint mehr zu sehen und zu wissen als die Anderen und wird durch den Professor als Medium gehandelt, der sich, wie der Großteil der Gesellschaft in dieser Zeit, für okkulte Praktiken interessiert.
📙Johanna lernt Anna kennen und ist sofort eingenommen von ihrem Wesen. Die Frauen finden zusammen und Anna unterstützt sie bei ihrem ersten Roman. Das Buch wird ein Erfolg. Knapp 60 Jahre später erzählt Johanna die wahre Geschichte von ihr und Anna ihrem Nachbarn, der sich um sie kümmert und ihr hilft sie zu verstehen und aufzuschreiben. Denn Annas Geist hat sie noch immer nicht losgelassen.
📜2020 fällt Vanessa dieses Manuskript ihrer Urgroßmutter in die Händen. Sie führt die Geschichte der beiden Frauen zusammen und schlägt den Bogen über 120 Jahre in die Gegenwart.
🧡“Das Wohlfebinden“, Familiensaga, historischer Roman und feministischer Erzählung, hat mir sehr gefallen. Die Hintergründe zu Beelitz und den damaligen medizinischen Stand fand ich spannend. Wir wechseln zwischen den drei Zeiteben und haben verschiedene Erzählstimmen. Ein spannender und berührender Roman, der das Thema Wohlbefinden in jeder Epoche neu definiert. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, Leseempfehlung von mir!
„Wenn sie an damals zurückdachte, schien ihr eigentlich alles wie ein seltsamer Traum, der auch anders hätte geträumt werden können.“ (Zitat Pos. 2360)
Inhalt
Die Content-Managerin Vanessa Schellmann wohnt im Wedding, doch gerade wurde ihre Wohnung gekündigt, dies bedeutet Wohnungssuche in Berlin. Sie besichtigt auch ein aufstrebendes Neubauprojekt auf dem Areal der ehemaligen Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz. Dort, im ehemaligen Postgebäude, hatte sich 1908 ihre Urgroßmutter eingemietet, die Schriftstellerin Johanna Schellmann, denn sie wollte ein Buch über die Heilstätten Beelik schreiben. Als Vanessas Makler hört, wer sie ist, übergibt er ihr einen alten, mit Schreibmaschine geschriebenen Text, den Johanna Schellmann verfasst hatte, der jedoch nie veröffentlicht wurde. So erfährt Vanessa nicht nur, wer ihre Urgroßmutter war, sondern auch deren besondere Beziehung und von Spiritualität geprägte Verbindung zu der Arbeiterin Anna Brenner, eine Patientin, die Johanna in den Heilstätten kennengelernt hat und die wegen ihrer Hellsichtigkeit und philosophischen Ansichten bewundert, aber auch gefürchtet wird.
Thema und Genre
In diesem Generationenroman geht es um die für den Beginn des 20. Jahrhunderts moderne und besonders unter sozialen Aspekten fortschrittliche Einrichtung Lungenheilstätten Beelitz der Arbeiterwohlfahrt. Wetere Themen sind schreibende Frauen, sowie der zu dieser Zeit im Bürgertum beliebte Okkultismus mit Séancen und Medien. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Frauen auf der Suche nach Selbstbestimmung und ihrem eigenen Weg im Leben.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte spielt in Berlin auf drei unterschiedlichen Zeitebenen, die jeweils chronologisch geschildert werden, Johanna und Anna 1907 – 1909, Johanna 1967 und Vanessa 2020. Die Abschnitte, die in den Heilstätten Beelitz spielen, zeigen ein eindrucksvolles, lebendiges Bild dieser weitläufigen sozialen Einrichtung und der damit verbundenen Problematiken. Das Jahr 2020 beschreibt die reale Situation einer modernen Stadtentwicklung und Bebauung von nicht museal genutzten Teilen des Areals. Im gesellschaftspolitischen Mittelpunkt stehen jedoch die Frauen. Durch Generationen getrennt sind Johanna, Anna und Vanessa auf der Suche nach Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Die Sprache schildert ruhig und präzise, die Wechsel zwischen den Zeitebenen unterbrechen teilweise den Erzählfluss, Ortsangabe und Jahreszahl in der Überschrift erleichtern die Zuordnung.
Fazit
Ein interessanter gesellschaftspolitischer Generationenroman, ein anschauliches Bild der Entwicklungen und Bestrebungen jener Zeit. Das Wohlbefinden, Heilung durch Selbstheilung, ist nicht nur der medizinische Ansatz jener Jahre zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern wird durch unterschiedliche Blickwinkel des Erzählens auf die jeweilige Lebenssituation der Hauptfiguren zur Metapher für das Streben der Frauen unterschiedlicher Generationen nach Eigenständigkeit und persönlicher Freiheit.
Eine vergessene Schriftstellerin der Jahrhundertwende wurde als Feministin gefeiert und war es anscheinend gar nicht, sondern ist wohl mehr durch Zufall als solche gesehen worden. Jahre später stößt ihre Urenkelin, auch zufällig, auf die Geschichte ihrer Vorfahrin und spürt ihr nach. Somit wird das Buch in drei Zeitebenen, um 1906, 1967 und 2020 erzählt. Die Geschichte der Schriftstellerin Johanna hat mich gepackt, und die Rückblenden in die Zeit als ihr Roman entstand und wie er entstand packte mich. Der Strang mit der Okkultistin Anna, die eine prägende Rolle bei alldem spielte auch. Nicht so ganz eingängig war mir warum die Geschichte um die Urenkelin Vanessa ebenfalls breitgetreten werden musste. Ich verstehe, dass es der Autorin womöglich um einen Aufhänger ging, die Urenkelin macht eine schwere Zeit durch, zu Zeiten Coronas wurde ihr die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt, auf der Suche nach einer neuen gerät sie zu den Heilstätten Beelitz wo sich ihre Urgroßeltern und auch Anna tummelten und wo heute Wohnraum angeboten wird. In diesem Zuge geriet Vanessa an ein altes Manuskript Johannas und forschte nach. Man hätte es bei diesem Aufhänger belassen sollen, da Vanessas Story meiner Meinung nach die ansonsten spannende und gut komponierte Geschichte störte.
Dieser verschachtelte Roman ist für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.
Ulla Lenze verbindet mehrere Zeitebenen: und widmet sich vor allem der Welt des Okkulten um 1900.
Professor Blomberg ist Arzt in den Beelitzer Heilstätten und stellt der aufstrebenden Schriftstellerin Johanna Schellmann sein Medium Anna vor, einer Geisterbeschwörerin, der sie verfällt.
Ihre Urenkelin Vanessa, eine typische Vertreterin der Generation Awareness, befasst sich mit dem Nachlass und geht auf Spurensuche.
Ein unterhaltsamer Familienroman.
Die Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz liegt in einem Kieferwäldchen vor Berlin etwas versteckt. Hier treffen sich 1907 die Fabrikarbeiterin Anna Brenner und die Schriftstellerin Johanna Schellmann. Von dieser Begegnung profitieren beide, bis der Kampf um Anerkennung sie zu Rivalinnen werden lässt. Viele Jahre später versucht Johanna Worte für ihre Vergangenheit zu finden. Doch erst ihre Urenkelin Vanessa bringt Licht ins Dunkle. Dies ist ein fesselndes und spannendes Buch der den Leser in die Tiefen der menschlichen Psyche und die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen entführt. Es wird die die Verführungskraft der Selbsterlösung und die Suche nach Anerkennung, die die Protagonistinnen beleuchtet, die zu Rivalinnen werden. Diese Geschichte spannt einen Bogen aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Dieses Buch habe ich mit Interesse gelesen. Es enthält die Erkundung der historischen und sozialen Dynamiken einer vergangenen Ära. Es ist auch ein Echo der menschlichen Sehnsucht nach Verbindung und Sinnhaftigkeit. Ein Buch das man lesen sollte.
1907. In der Heilanstalt Beelitz begegnen sich Anna und Johanna. Erstere – Patientin aus einfachen Verhältnissen – gilt als Medium, erfährt als solches gleichzeitig Anbiederung und tiefe Ablehnung. Letztere – wohlsituierte Gattin eines Arztes und ambitionierte Schriftstellerin – ist nur zu Besuch. Die Differenz dieser Frauen auf allen Ebenen ist offensichtlich, aber etwas scheint beide zu verbinden. Nach ihrer Entlassung wird Anna einige Zeit bei Johanna leben und der Einfluss sein, der es Johanna erlaubt, den wichtigsten Roman ihres Lebens zu schreiben. Und doch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die aus dem Ungleichgewicht entstehenden Spannungen sich zu entladen drohen.
2020. Johannas Urenkelin Vanessa verschlägt es auf ihrer Wohnungssuche ausgerechnet in die Heilanstalt Beelitz, wo ihr unerwartet durch den Makler unbekannte Aufzeichnungen ihrer Großmutter in die Hände fallen …
Ich sage es gleich vorneweg: Ich habe „Das Wohlbefinden“ von Ulla Lenze sehr gerne gelesen. Der Stil, der Aufbau, die Charaktere … alles hat eine wunderbar homogene Einheit ergeben, die einfach Freude gemacht hat.
Ganz besonders hat mir die Schilderung der Beziehung zwischen Anna und Johanna gefallen. Erstaunlich, wie Lenze es schafft, hier ohne viele explizite Worte eine Atmosphäre zu schaffen, die das aus den Diskrepanzen entstandene Ungleichgewicht zwischen den beiden so unglaublich fühlbar macht.
Ebenfalls besonders gut gelungen fand ich die Ebene, auf der wir 1967 der nun gealterten Johanna begegnen. Großartig, wie Lenze hier eine Frau schildert, deren Gedächtnis und Körper sie langsam im Stich lassen, die an ihrer Identität festzuhalten sucht und der doch alles zu entgleiten droht. Eine ergreifende Schilderung, die dabei ganz ohne Dramatik auskommt.
Wenn ich dann aber doch zögere, in komplett uneingeschränkte Begeisterungsstürme zu verfallen, dann hat das vor allem zwei Gründe:
Der wesentlichere ist, dass mich der Roman irgendwie leicht unbefriedigt zurückgelassen hat. Das liegt zum einen daran, dass sich mir nicht komplett erschlossen hat, worum es Lenze bei der Erzählung dieser Geschichte ging, für mein Gefühl haben am Ende ein oder zwei Puzzle-Steine gefehlt. Es ist ein wenig, als wäre das große Potenzial dieser Geschichte nicht vollständig ausgeschöpft worden.
Mein zweiter Grund liegt in dem Erzählstrang um Vanessa. In letzter Zeit lese ich häufiger Romane, die zu diesem erzählerischen Stilmittel greifen, zwischen den Zeiten und Generationen zu springen. Für mich funktioniert das nur sehr selten. Fast immer finde ich den Teil, der in der Gegenwart spielt, überflüssig. So ging es mir auch hier, für mein Empfinden hätte es Vanessa nicht gebraucht, die Geschichte wäre ohne sie genauso gut, wenn nicht noch besser gewesen.
Aber diese Kritikpunkte fallen nicht allzu sehr ins Gewicht. Vermutlich bin ich gerade, weil „Das Wohlbefinden“ so gut ist, besonders pikiert über jeden kleinen Flusen. Flusen des persönlichen Geschmacks noch dazu. Darum geht für diesen Roman auch eine ganz klare Leseempfehlung raus.
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024 und meine Daumen sind auf jeden Fall schon einmal für das Erreichen der Shortlist gedrückt.
Nachdem ich vor ein paar Jahren die Heilstätten Beelitz im Süden Berlins besucht habe, war ich sehr gespannt auf Ulla Lenzes neuen Roman. Die heute verfallenen Häuser lassen kaum noch erahnen, wie modern und technisch anspruchsvoll die damalige Ausstattung war. Dazu kam ein ganzheitlicher Heilungsansatz, der allen zur Verfügung stehen sollte. Gerade Menschen aus den überbevölkerten Mietskasernen, oft an Typhus erkrankt, bekamen hier zum ersten Mal überhaupt medizinische Betreuung, ordentliche Verpflegung, Ruhezeiten. Der mehrmonatige Aufenthalt sollte ihr "Wohlbefinden" stärken.
Vor diesem historischen Hintergrund erzählt Ulla Lenze die Geschichte zweier Frauen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, die in Beelitz aufeinander treffen: Johanna, die schriftstellernde Gattin eines Arztes und Anna, aus armen Verhältnissen mit übersinnlichen Fähigkeiten. Die Berliner Salons der Jahrhundertwende bilden die Bühne für allerlei okkulte Treffen, bei denen Mesmerismus, Hypnose und reiner Hokuspokus zelebriert werden. Ein gewisser Rudolf Steiner treibt auch sein Unwesen.
Die Zeit ist im Umbruch und die Leute suchen nach Halt, die Kirchen verlieren auch damals schon an Einfluss. Die beiden Frauen suchen jede auf ihre Weise ihren Weg zu einem selbstbestimmten Leben und wir erfahren mit ihnen schmerzhaft die Beschränkungen der damaligen Gesellschaft.
Wie auch "Der Empfänger" lässt sich dieser Roman von Ulla Lenze durchaus als Kommentar zur Gegenwart lesen, vieles kommt uns erschreckend bekannt vor.
Mir gefällt schon das Cover ,aber fasziniert hat mich die vielfältige Welt, die der Roman offenbart. Schon die drei Zeitebenen sind in sprachlich und vom Denken der Hauptpersonen verschieden, aber am meisten begeistert mich die Heilstätte Beelitz 1908 ,die Person und Philosophie Annas. Über den Kreis um Schrenck-Notzing hätte ich gerne mehr erfahren. Johanna war auch interessant
Ein wunderbares Buch
Ich habe mich direkt in die Geschichte eingesogen gefühlt.Die drei Zeitebenen sind so geschickt miteinander verwoben,dass ich unbedingt wissen wollte,wie es bei Anna/Johanna,Johanna im Alter, und Vanessa Johannas' Urenkelin weiterging.Auch der geschichtliche Teil,die Beelitzer Heilanstalten,die Versuche ein Heilmittel gegen TBC zu finden und die ersten gefährlichen Schritte mit dem Röntgen,waren sehr spannend und aufschlussreich.
Ein grosses Leseerlebnis und sehr weiterzuempfehlen.
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Belletristik, Historische Romane