Eine Frau
Roman - Mit einem Nachwort von Elke Heidenreich | Der erste feministische Roman Italiens in deutscher Neuübersetzung
von Sibilla Aleramo
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Erscheinungstermin 25.04.2024 | Archivierungsdatum 30.06.2024
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Zum Inhalt
Die unbeschwerte Kindheit von Sibilla Aleramo findet ein abruptes Ende, als sie sich mit siebzehn Jahren in einen Arbeiter aus der Glasfabrik ihres Vaters verliebt, ungeplant schwanger wird und heiraten muss. Plötzlich Mutter und Ehefrau, sieht sie sich gefangen in den patriarchalen Strukturen der damaligen Zeit – so wie ihre eigene Mutter und alle Frauen, die sie kennt. Doch statt sich den Erwartungen an ihre neue Rolle zu fügen, strebt sie nach Freiheit, Selbstbestimmung und einem Leben voller Bildung und Literatur.
Sibilla Aleramo ist eine Frau – und doch fängt sie das Schicksal einer ganzen Generation von Frauen ein und beschreibt authentisch und mit außergewöhnlicher Intensität, wie sich ihre Protagonistin aus den Fesseln der Tradition befreit und ihre eigene Identität findet.
Eine Frau ist nicht nur das eindringliche Porträt der italienischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende, sondern auch ein Manifest für Gleichberechtigung in jedem Sinne – und inspiriert so noch heute, über die Grenzen der eigenen Lebensumstände hinaus zu denken.
„Das Buch springt uns direkt an als ein Leidensruf einer Frau, die lange braucht, um sich aus ihren Verhältnissen zu lösen. (…) Das hat uns auch heute noch was zu sagen.“ Elke Heidenreich
Die unbeschwerte Kindheit von Sibilla Aleramo findet ein abruptes Ende, als sie sich mit siebzehn Jahren in einen Arbeiter aus der Glasfabrik ihres Vaters verliebt, ungeplant schwanger wird und...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783961611850 |
PREIS | 23,00 € (EUR) |
SEITEN | 288 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Sibilla Aleramos autobiographischer Roman ist in dieser Neuübersetzung die Entdeckung feministischer Literatur aus Italien. .Das Leben der Protagonistin ist vorgezeichnet,, ähnlich wie das ihrer Mutter .Sie muss sich bereits als Jugendliche dem Patriarch ihres Mannes unterwerfen, einem ungebildeten Süditaliener .Nur die Liebe zu ihrem kleinen Sohn läßt sie ausharren, obwohl sie immer mehr in Depressionen verfällt und dieses Leben ohne Freiheiten, ohne Selbstbestimmung und die Enge des süditalienischen Dorfes sie an ihrem Leben zweifeln lassen.. Nach vielen Jahren schafft sie es zu gehen, das bedeutet für sie den Verlust ihres geliebten Sohnes, den der Vater beansprucht.
Für manchen Leser mag es teilweise etwas theatralisch, ein wenig altmodisch erscheinen. Es erinnerte mich an russische Klassiker des 19.Jahrhunderts mit Protagonistinnen .Süditalien war damals und ist sicher auch zum Teil noch heute geprägt vom Patriarchalem. Ein Blick weiter in den Nahen Osten: hier sind die Strukturen heute noch klar vorgegeben von den Männern. Das Leben einer Frau dort entspricht sicherlich eher dem Bild der Frau um 1900 in Süditalien..
Danke dem Eisele Verlag als Herausgeber für dieses wichtige Buch, es ist eine große Empfehlung für alle Frauen.
Karin Kersten
Dieser Roman erzählt klar und strukturiert die Sackgassen des Frauseins Anfang 1900. Durch die analytische Ich-Perspektive kann der Leser glasklar miterleben, wie aus einem selbstbewussten klugen Mädchen eine depressive Ehefrau wird. Mit Hilfe des Schreibens und dem Kontakt zu einer gesellschaftlichen Aufbruchstimmung wird sie sich daraus hervor arbeiten. Sie hat das klare Ziel nicht, wie ihre Mutter, in der Irrenanstalt zu landen. Gut, dass dieses wichtige Stück italienische Frauengeschichte und damit dieser gut erzählte, spannende Roman wieder aufgelegt wurde.
„Denken, denken! Wie war ich nur so lange ohne das Nachdenken ausgekommen? Menschen und Dinge, Bücher und Landschaften, alles bot Stoff zum Nachdenken für mich.“ (Zitat Pos. 1645)
Inhalt
Die Ich-Erzählerin, die Älteste von vier Kindern, verbringt ihre Kindheit in Mailand. Als sie zwölf Jahre alt ist, nimmt ihr Vater eine neue Stellung als Direktor einer Fabrik in einem Dorf in Süditalien an. Damit nimmt ihr Leben eine völlig neue Richtung, denn in diesem Dorf gibt es zwar das Meer inmitten einer lichtdurchfluteten Landschaft, aber keine weiterführenden Schulen. Mit fünfzehn Jahren arbeitet sie schon als Assistentin im Büro ihres Vaters. Sie ist erst sechzehn Jahre alt, als sie einen zehn Jahre älteren, einfachen Mann heiratet, obwohl sie bereits berechtigte Zweifel hat. Als ihr Sohn geboren ist, wird das Kind für sie zum Mittelpunkt ihres Lebens. Dies ändert sich auch nicht, als sie das Dorf verlassen und nach Rom ziehen. Doch in dieser lebhaften Stadt findet sie gleichzeitig eine völlig neue Freiheit, Kultur, Bildung und die intellektuelle Herausforderungen, die sie so lange vermisst hat. Dann wird ihrem Mann die Direktorenstelle in der Fabrik im Dorf angeboten, die bisher ihr Vater innegehabt hatte.
Thema und Genre
In diesem stark autobiografischen Roman, der 1906 erschienen ist, geht es um Gesellschafts- und Sozialstrukturen, die Situation der Frauen besonders in einem von Traditionen geprägten Umfeld und die Anfänge der Frauenbewegung.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte schildert chronologisch die ersten fünfundzwanzig Jahre im Leben einer Frau zwischen Städten wie Mailand und Rom und einem Dorf im Süden Italiens. Die Erzählform in der ersten Person schildert neben den Erlebnissen und Ereignissen vor allem die eigenen Bewusstseinsströme, die Gedanken, heftigen Zweifel, Auflehnung, aber auch Hoffnungen der Ich-Erzählerin. Dies wird dadurch verstärkt, dass diese zu schreiben beginnt, aufschreibt, wie sie sich fühlt und gleichzeitig beginnt, ihr Verhalten zu analysieren. Mit einer neuen Aufmerksamkeit beobachtet sie die Welt um sich herum, besonders das Leben der Frauen, das soziale Gefüge der Gesellschaft und die neue Arbeiterbewegung, die nun auch ihr Land erreicht hat. Die Sprache der engagierten italienischen Journalistin, Schriftstellerin und überzeugten Feministin ist lebhaft und wortreich, in den intensiven eigenen Gedankenströmen teilweise etwas überbordend, was sicher der Ausdrucksweise der damaligen Zeit entspricht. Ein ihrem Nachwort verweist Elke Heidenreich auf viele Fakten aus dem Leben der Schriftstellerin Sibilla Aleramo, die sich bis ins Detail in diesem Roman wiederfinden.
Fazit
Ein authentisches Zeitbild, das sich mit den Lebensumständen der Frauen um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert in Italien auseinandersetzt. Diese deutlich autobiografische Geschichte beschreibt eindringlich und intensiv die schwierige Suche der Protagonistin nach einem freien, selbstbestimmten Leben. Ein Roman der zum Nachdenken anregt, auch über die Situation in unserer modernen Zeit, in der Frauenweltweit immer noch in patriarchalischen, traditionellen Strukturen leben, fern von Gleichberechtigung und persönlicher Freiheit.
Von Sibilla Aleramo / Übersetzt von Ingrid Ickler
1906 kam dieses Buch in Italien raus und wurde jetzt endlich ins Deutsche übersetzt.
Eine Namenlose Frau kommt hier zu Wort und erzählt von ihrem aufwachsen und leben als Frau in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ist sie Anfangs noch der Überzeugung jemand ganz besonderes zu sein, nicht so wie die anderen Frauen in ihrer Umgebung, muss sie im laufe ihres jungen Erwachsenenalters feststellen, dass die Mühlen die Patriarchats langsam aber sicher mahlen und so verfängt auch sie sich in den Strukturen, die sie mürbe machen.
Von der Ehe zur Mutterschaft geht es schnell dazu über, dass sie eher eine Gefangene als eine Hauptperson ihres eigenen Lebens ist und nach einigen Vorkommnissen versucht sie ihrem Schicksal zu entkommen.
Der Roman ist beeindruckend und beengend.
Teilweise war mir die Erzählweise ein wenig zu langsam, die Geschichte zu bekannt, um mich ganz drauf einlassen zu können. Beeindruckt hat mich aber die Klarheit mit der hier die Probleme benannt werden und wie sie die unterschiedlichsten Lebensrealtitten hier zu Wort kommen lässt.
Der Titel ist Programm. Una donna, auf deutsch Eine Frau, erstmals 1906 im italienischen Original erschienen, ist Autobiographie, ist Roman, ist vor allem aber ein Exemplum, in dem eine Frau, eine schreibende Frau, von sich und im gleichen Atemzug für andere sprechen will, für die unzähligen anderen Frauen, deren Schicksale unerzählt geblieben sind. Im gesamten Text werden konsequent keine Namen genannt, weder der der Ich-Erzählerin noch die ihrer Familie, und auch nicht die der übrigen Figuren, was umso mehr ins Auge sticht, da das Handlungskonstrukt, das dem Nachwort von Elke Heidenreich zufolge stark autobiographisch beeinflusst ist, sehr romanhafte Züge aufweist. Auch die sehr flüssig lesbare deutsche Neuübersetzung von Ingrid Ickler kann glücklicherweise nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen Roman handelt, der, gleichwohl schon mit einem Fuß im neuen Jahrhundert, noch dem literarischen Geist des ausgehenden 19. Jahrhundert entspringt. Den Übergang, die Schwellenzeit kann man auch stilistisch in diesem zugleich so altmodischen und so modernen Text ausmachen, vielleicht, weil er sich auch so fluide zwischen Autobiographie und Fiktion bewegt, Bekenntnis, Analyse und eine emotionale Dramatik in sich vereint und eine Seelenerforschung betreibt, die man noch romantisch nennen mag und die auf jeden Fall einen anderen Charakter hat als die Ich-Analysen der gegenwärtig viel publizierten autofiktionalen Texte.
Zuweilen kommt man sich selbst ein wenig voyeuristisch vor, so atemlos lässt sich dem Spannungsbogen der Erzählung folgen, der ein emotional aufgeladenes Ereignis nach dem anderen bereithält; es geht um Schwangerschaft, um Mutterliebe, um heimliche, um ausgebeutete und um vernachlässigte Liebe, um Liebe, die in Verachtung umschlägt, um versuchte Selbstmorde, um Vergewaltigung. Und darum, wie verbreitet, wie alltäglich diese Dramen sind, wie alltäglich auch der Schmerz, der mitunter ein Leben lang weiterbrennt. Doch wird im Text bei weitem nicht alles auserzählt, vieles wird nur angedeutet, während die Gedankenwelt der Erzählerin einen umso größeren Raum einnimmt, und allmählich auch ihr langsam zu seiner Gestalt findendes literarisches und emanzipatorisches Vorhaben, die eigene Geschichte aufzuschreiben.
Wissbegierig, lernwillig, neugierig ist die Erzählerin schon als Kind, zum Vater, einem Naturwissenschaftler, der gerne mit seiner aufgeweckten Tochter philosophische Spaziergänge unternimmt, hat sie eine enge intellektuelle Beziehung, sie bewundert ihn, während sie ihrer Mutter gegenüber, die außer ihr noch drei weitere Kinder großzieht, Distanz und allmählich auch eine leise Verachtung verspürt. Erst später begreift die Erzählerin, wie unglücklich ihre Mutter in ihrer Ehe war, in der sie ihre Neigungen, etwa zur Literatur, zur Lyrik, nicht wertgeschätzt sah, ja unterdrücken musste, und in der ihre selbstverständliche Unterordnung und absolute Abhängigkeit mit einer zunehmenden Geringschätzung und schließlich dem völligen Gestaltverlust ihrer Person einherging. Nach dem Umzug der Familie von Mailand ins sehr traditionelle Süditalien, wo sich der Vater als Fabrikdirektor beruflich neu orientieren kann, wird die Depression der Mutter auch nach außen hin sichtbar. In der speziellen Schichtung der ländlich geprägten süditalienischen Gesellschaftsstrukturen bleibt die Familie ein Fremdkörper, die Macht des Vaters über die einheimischen Fabrikarbeiter trägt ihm nicht gerade Sympathien ein, die Erzählerin muss mangels lokaler Infrastruktur ihre Schulbildung abbrechen, der Mutter gelingt es immer weniger, sich um ihre Kinder zu kümmern und auch der Vater wendet sich stillschweigend mehr und mehr von der Familie ab, verbringt seine Zeit in der Fabrik und bei seiner Geliebten. Die Mutter erleidet einen Zusammenbruch und wird schließlich aus dem instabilen Familiengefüge herausgelöst und in klinische Verwahrung gegeben.
Die sich lange Zeit hinter einer Fassade von Alltäglichkeit abspielende Familiengeschichte ist auch deshalb so wichtig für die Erzählung, da die zentrale Erkenntnis des Textes darin besteht, dass weibliche Unfreiheit und patriarchale Denkmuster immer wieder von neuem vererbt werden. Gerade mit dem existentiell erlebten Eintritt ins Muttersein entstehen die Würde der Frau antastende emotionale Zwänge, die sich als Verantwortung tarnen beziehungsweise oft kaum von Verantwortung zu unterscheiden sind. Und so widerfährt der Erzählerin, die doch als Kind und als Jugendliche so selbstbewusst und dem Leben zugewandt ist, ihr Denken sich in seiner Freiheit entfalten sieht, ein ganz ähnliches Schicksal wie ihrer Mutter. Sie heiratet jung, mit gerade einmal 17 Jahren, einen Angestellten in der Fabrik ihres Vaters, den sie nicht liebt und der auch sie nicht wirklich liebt, sondern eher als Objekt des Begehrens und Besitzens betrachtet. Was im Ehebett, und schon zuvor, körperlich zwischen ihnen passiert, ist von sexuellem Einverständnis oder gar sexueller Erfüllung weit entfernt. Als die Erzählerin einen Sohn bekommt, fühlt sich durch die Mutterliebe verwandelt, jedoch verstärkt diese zugleich ihre Unfreiheit als Ehefrau. Die Eifersucht ihres Mannes und wohl auch seine Angst vor der intellektuellen Überlegenheit seiner Frau werden zum Gefängnis für die Erzählerin, die das Haus nicht mehr ohne ihren Mann verlassen darf, der schließlich sogar das Briefpapier abzählt, mit dem sie in Kontakt zur großstädtischen, fortschrittllicheren Außenwelt der Schriftsteller und Intellektuellen tritt. Aus beruflicher Not zieht die kleine Familie nach Rom, wo die Erzählerin journalistisch tätig werden und einen neuen Freundeskreis aufbauen kann. Die ersehnte Unabhängigkeit erfüllt sich ihr aber nicht, da ihr Ehegefängnis in Rom weiterbesteht, ihr Mann weiter Kontrolle ausübt und sie schließlich zwingt, zurück nach Süditalien zu gehen. Schließlich gelingt es ihr, zu einem eigentlich unbezahlbaren Preis, der rückständigen Welt den Rücken zu kehren; als sie Mann und Kind verlässt, ist sie 25 Jahre alt.
Die Autorin selbst hat ihren Mann und ihren Sohn 1902 verlassen, lange vergeblich um das Kind gekämpft und dann 1906 ihr Buch veröffentlicht, in dem sie den langen Weg ihrer Entscheidung für die Freiheit erzählt. Sie wurde über 80 Jahre alt und führte ein umtriebiges und engagiertes Leben als Journalistin, Sozialarbeiterin, Dichterin, Liebende, ihren Sohn aber konnte sie erst viele Jahre nach ihrem Fortgang wiedersehen.
Auch wenn ihr Buch Eine Frau ein eindrückliches literarisches Zeugnis der frühen Frauenbewegung ist und, wie Elke Heidenreich im Nachwort schreibt, auch in den 1970er Jahren schon einmal ins Deutsche übersetzt wurde, stieß es bisher in Deutschland auf erstaunlich wenig Resonanz. Das Leben und das Schreiben dieser Schriftstellerin, ihre innere und äußere Revolte gegen die (süd)italienischen patriarchalen, traditionellen Strukturen schienen nach außen hin wohl zu weit von der Lebenswelt der deutschen Frauenbewegung entfernt, die damals Simone de Beauvoir und Betty Friedan rezipierten. Zugegeben, sprachlich mag uns der Text, wenn er auch sehr gut lesbar, ja verschlingbar ist, heute stellenweise fremd erscheinen, in seiner eigenwilligen Mischung aus Pathos und Klarheit, aus Nachdenklichkeit und schockierender Direktheit. Immer wieder tauchen auch Gedankengänge auf, die etwas abrupt wieder abgebrochen werden, um die Handlung weiterzutreiben; vor allem die mystischen Passagen und die andeutungsreiche Begegnung der Erzählerin in Rom mit dem von ihr so genannten „Propheten“ können einen irritieren. Das verhindert aber keinesfalls, dass man beim Lesen ihrer sonst sehr konzisen, überlegten Sprache immer wieder ins Stutzen kommt, so nahe kommt sie einem mit ihren Gedanken und Gefühlen; immer wieder blitzen Sätze auf, die eine Frau heute genauso hätte ausdrücken können, und die vielen wunden Punkte, die sie schreibend berührt und offenlegt, die Gewissenserforschung und emotionalen Zwickmühlen, die sie beschreibt, erscheinen alles andere als verstaubt. Wenn sie etwa die Frage stellt, warum Muttersein so selbstverständlich mit Aufopferung gleichgesetzt wird, wie man als Mutter auch eine Frau bleiben kann, ja muss, für sich selbst, aber auch im Sinne eines ganzheitlicheren Daseinsverständnis, eines anders gedachten Verständnisses von Verantwortung, das die Verwirklichung der eigenen Stärken und Vorlieben als etwas betrachtet, das man dem Leben schuldig ist, gerade auch für die Kinder, denen die Mutter ja ein Vorbild, ein Beispiel sein will. Die Erzählerin lotet ihr Gewissen, aber auch die gesellschaftlichen Ursachen für geschlechtsbezogene und soziale Ungerechtigkeiten genauestens aus; ihr gesamter Text ist der Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, worin die eigene Verantwortung besteht, sich selbst und den anderen gegenüber. Ist eine Mutter, die bleibt, aber unterdrückt und unaufrichtig lebt, gegen die Werte, die sie eigentlich an ihr Kind weitergeben will, einer Mutter vorzuziehen, die geht, um ihre Würde zu bewahren und Erniedrigung, Einengung, vielleicht sogar der Gewalt zu entgehen? Dafür, dass künftige Generationen von Frauen nicht mehr vor ein solches Dilemma gestellt werden, schreibt Sibilla Aleramo ihre Geschichte auf, deshalb fasst sie selbst eine unkonventionelle, mutige und schmerzhafte Entscheidung, um für die Emanzipation zu kämpfen, nicht nur übrigens für die Emanzipation der Frauen, sondern auch der benachteiligten sozialen Bevölkerungsteile Italiens; ihre Sympathie für die Arbeiterbewegung, ihr solidarischer Blick auf die Armut, die Enge, das Leid der unteren Schichten geht schon aus ihrem ersten Buch deutlich hervor.
Allein, um sich diesen solidarischen Impetus der Emanzipation ins Gedächtnis zu rufen, lohnt es sich, in der Lektüre von Eine Frau den Bewusstwerdungsprozess dieser zu Unrecht kaum bekannten italienischen Schriftstellerin mit- und nachzuvollziehen.
Ich habe etwas gebraucht, um mich auf das Buch einzulassen, aber dann hat es mich doch sehr abgeholt. Auf seine Art ist es unglaublich modern! In dieser Hinsicht ist die Neu-Übersetzung sehr gelungen. Es ist in weiten Teilen ein schwieriges Buch, in dem man der Protagonistin wünscht, dass sie zu sich und ihren Weg findet. Mich hat ihre Geschichte sehr berührt - auch wenn mir die philosophisch-literarischen Stellen manchmal etwas zu viel wurden. Ein wunderbarer, moderner, aktueller feministischer Klassiker! Sehr schön, dass diese Bücher durch sprachliche Neubearbeitungen für heutige Leser:innen leichter zugänglich werden.
Ganz starke Geschichte, feministisch, und wenn man bedenkt in welcher Zeit er geschrieben wurde - Hut ab vor der Chuzpe Sibilla Aleramos! "Eine Frau" passt auch als Buchtitel wunderbar, denn die Geschichte/Biographie könnte zu der Zeit jede Italienerin glaube ich nachvollziehen bzw. leben. Unterdrückt vom Mann, der Dorfgemeinschaft mit dem Gerede und übler Verleumdungen ausgeliefert, zerbricht Sibilla fast an ihrem Schicksal, aber ihre Stärke, die sie aus ihrer Intelligenz zieht, lässt sie weitermachen und dieses Buch, ihr Leben, zu veröffentlichen. Ich bin tief beeindruckt von ihrem Mut und zusätzlich liest sich das Buch ganz toll.
Nicht oft genug kann man über Emanzipation sprechen! Auch wenn dieser Roman in den 20ger Jahren des letzten jahrhunderts geschrieben wurde hat er in vielen Ländern noch Aktualität. Mich hat er sehr berührt und ich bin dankbar, jetzt und hier als Frau zu leben.
Der italienische feministische Klassiker über eine Frau, die zwischen Selbstständigkeit und Tradition hin- und hergerissen ist. Sie will etwas anderes als das, was man von Frauen erwartet. Sie ist schlau und fleißig, hat viele Interessen, arbeitet und schreitet fort, spürt aber in sich den Konflikt zwischen ihren Wünschen und gesellschaftlichen Erwartungen, nämlich heiraten und Kinder kriegen. Nach einer gewaltigen Erfahrung mit einem Arbeitskollegen wird ihr Leben genau zu dem, was sie vermeiden wollte. Aber sie gibt nicht auf, auch wenn das bedeutet, dass sie einige schwierige Entscheidungen treffen muss.
Eine Frau ist eine Geschichte voller autobiografischer Motive, aber die wirkliche Stärke dieses Romans liegt darin, dass es auch Geschichte vieler Frauen ist, leider auch heute. Dass manche Frauen immer noch nicht sicher sind, immer noch finanziell von Männern abhängig sind und dieser Fakt von diesen Männern ausgenutzt wird, ist ein weiterer Grund, warum dieser Roman und ähnliche Literatur immer noch relevant sind und von vielen gelesen werden sollen. Absolute Leseempfehlung!
„Die Frau, die ich bis zu dieser Nacht gewesen war, sollte sterben. Manche Dinge lassen sich nur auf diese Weise lösen und müssen mit einem Grabstein ihr Ende finden.“
Sibilla Aleramo erzählt in ihrem Roman „Eine Frau“ weitestgehend ihre eigene Geschichte. Die eines begünstigt aufwachsenden Mädchens zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die junge Protagonistin darf in der Fabrik ihres Vaters Bürotätigkeiten übernehmen und sich recht eigenständig in ihrem Leben und ihrer Arbeit bewegen. Sehr selbstverständlich, hochnäsig und naiv genießt sie dieses Leben. Erst mit zunehmendem Alter und als ihr das Leben übel mitspielt, fängt sie an, die Gesellschaft und ihre Zwänge besonders für Frauen zu hinterfragen. Sie begreift, dass sie in einer Gesellschaft aufwächst, die Frauen systematisch benachteiligt und unterdrückt. Und nun erkennt sie auch, dass schon ihre Mutter, für die sie als junges Mädchen nur Verachtung übrig hatte, an diesen Strukturen zerbrochen ist.
Man schaut diesem intelligenten Mädchen, der frechen jungen Frau und der hinterfragenden Mutter und Ehefrau beim Erwachsenwerden zu. Sie analysiert sich selbst, die Gesellschaftsstrukturen und das Innenleben der anderen so genau und unverhohlen, dass einem der Kopf schwirrt. Wurde dieses Buch wirklich vor über hundert Jahren geschrieben? Die Autorin und Erzählerin beeindruckt mit ihrer Selbsterkenntnis und ihrem Weitblick.
Ich bin sehr dankbar, dass „Eine Frau“ in der Neuübersetzung wieder aufgelegt wurde. Welch ein herausragendes, bedrückendes Zeitzeugnis.
Sibilla Aleramo verliebt sich mit siebzehn Jahren in einen Arbeiter aus der Glasfabrik ihres Vaters. Sie wird ungewollt schwanger und muss heiraten. Bald einmal sieht sie sich gefangen in den patriarchalen Strukturen der damaligen Zeit. Statt sich zu fügen, strebt sie nach Freiheit. In der Geschichte beschreibt die Autorin authentisch und mit aussergewöhnlicher Intensität, wie sich ihre Protagonistin aus den Fesseln der Tradition befreit und ihre eigene Identität findet. Das Erscheinen dieses Buches sorgte für Aufsehen und fand grossen Anklang. Dies weil man als Leser den Weg dieser Frau toll mitverfolgen kann. Wie sie sich aus den patriarchalen Strukturen der Zeit zur Emanzipation wandelt. Dies ist nicht nur eine persönliche Geschichte, sondern fasst die Herausforderungen und Wünsche einer Generation zusammen. Das Lesen ist anspruchsvoll, spannend und sehr interessant. Das Buch kann ich nur empfehlen.
Freiheit contra Mutterliebe
Sibilla Aleramo, geb. 1876 in Alessandria Prov. Piemont, gest. 1960 in Rom, war eine italienische Schriftstellerin, Dichterin und Feministin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Mailand, bevor die Familie in ein Dorf im Süden Italiens zog, wo der Vater in einer Glasfabrik den Direktorenposten erhalten hatte. Mit knapp 15 Jahren arbeitete sie bereits als Assistentin im Büro ihres Vaters. Dort lernt sie auch einen zehn Jahre älteren Mann kennen, den sie im Alter von 17 Jahren trotz ihrer Zweifel an der Liebe heiratet. Bald wird ihr Sohn geboren, der zum Mittelpunkt ihres Lebens wird und sie für das öde Landleben entschädigt. Später zieht die Familie nach Rom, wo sie das lange vermisste kulturelle Leben und etwas persönliche Freiheit erfährt. Dort nimmt sie eine journalistische Tätigkeit für die sozialistische Wochenschrift L’Italia femminile auf, wo sie auch einige bedeutende Persönlichkeiten der Zeit kennen lernt. Doch dann wird ihrem Mann die Direktorenstelle, die bisher ihr Vater innehatte, in der Glasfabrik im Dorf angeboten …
Dieser autobiografische Roman „Eine Frau“ (orig. „Una Donna“ aus dem Jahre 1906), der in den 1970er Jahren schon einmal ins Deutsche übersetzt wurde, liegt jetzt in einer etwas moderneren Neuübersetzung von Ingrid Ickler vor und ist im Eisele-Verlag erschienen. Das Buch schildert die ersten fünfundzwanzig Jahre eines Frauenlebens in Italien im ausgehenden 19.Jahrhundert/Anfang 20.Jahrhundert, das ziemlich genau der Vita der Autorin entspricht. Sie schildert darin neben mehr oder weniger dramatischen Ereignissen auch ihre Zerrissenheit, ihre Gedanken, ihre Gefühle und ihre Zweifel, betrachtet aufmerksam ihr Umfeld und kritisiert die Gesellschaft. Ihre Sprache ist lebhaft, feinsinnig und bildreich, die Ausdrucksweise und Formulierung oft theatralisch, was wohl der damaligen Zeit entspricht. Sie will etwas anderes als das, was man seinerzeit von einer Frau erwartet, und muss deshalb eine schwerwiegende Entscheidung treffen …
Ein Nachwort von Elke Heidenreich trägt entscheidend dazu bei, das Buch und besonders die Gefühle der Frau besser zu verstehen.
Fazit: Es ist die Geschichte vieler Frauen, die auch heute noch mental und finanziell von Männern abhängig sind und von diesen ausgenutzt werden. Lesenswert!
Ein äußerst faszinierendes Bild einer Frau, sowohl zu Lebzeiten der Autorin aber auch auf die heutige Zeit bezogen noch. Die Erzählerin schwankt zwischen scharfer Beobachterin der Menschen um sich herum und der romantischen Verklärung ihrer Gesellschaft. Während sie sich durchaus ehrlich selbstanalysiert, kommt auch immer wieder das innere Seelenleben eines jungen Mädchen durch mit all seiner Unentschlossenheit und Dramatik. Auch heute noch haben Mädchen oft wenig Entscheidungsfreiheit über ihr eigenes Leben und müssen sich den Wünschen der Männer um sie herum anpassen. Die größte Erwartung ist heute wie damals, Mutter zu werden. Der innere Konflikt zwischen der Liebe zum eigenen Kind und der Notwendigkeit ein eigenes Leben zu führen wird spannend beschrieben, sowie die Flucht aus dieser Verpflichtung, mit all ihren Höhen und Tiefen.
Sibilla Aleramo, geboren als Marta Felicina Faccio (Rina), lebte von 1876 bis 1960. Sie arbeitete als Autorin und Dichterin und war eine der ersten Feministinnen Italiens. Im Eisele Verlag ist nun ihr Roman „Eine Frau“ der unter dem Originaltitel „Una Donna“ 1906 das erste Mal veröffentlicht wurde, neu aufgelegt und übersetzt worden. „Eine Frau“ ist ein autobiographischer Roman und erzählt die ersten 25 Jahre Lebensjahre von Rina.
1876 wird sie geboren und wächst die ersten 12 Jahre gemeinsam mit ihren Eltern und den drei jüngeren Geschwistern in Mailand auf. Als ihr Vater versetzt wird und die Familie in ein Dorf in Süditalien zieht, ändert sich ihr unbeschwertes Leben. Die Ehe der Eltern ist unglücklich, die Mutter unternimmt einen Selbstmordversuch und Rina wird von einem Angestellten ihres Vaters vergewaltigt, der sie ein Jahr später heiraten soll. Zu diesem Zeitpunkt ist sie 17 Jahre alt.
Als Rina selbst Mutter wird, erkennt sie die Parallelen zu ihrer eigenen Mutter. Merkt, dass sie nun ebenfalls im Ehegefängnis feststeckt. Schon im Kindesalter merken wir LeserInnen, dass Rina versteht und neugierig ist, sie strebt nach Höherem und nun scheint ihr Leben vorbei zu sein, ohne dass es richtig begonnen hat. Mit „dem Mann, dem ich gehörte“ an ihrer Seite.
Sie fängt an zu schreiben, wird Autorin und arbeitet für eine Zeitung in Rom, trotz dem Widerstand ihres Mannes. Immer wieder versucht die Protagonistin sich aus ihrer Ehe zu befreien und sucht nach einem Ausweg. Insbesondere die Liebe zu ihrem Sohn hält sie zurück. Doch als ihr Vater seinen Posten an ihren Mann vererbt, und sie in das Dorf ihrer Jugend zurückkehren soll, wird der Wunsch ein eigenes, freies Leben zu führen immer größer. Diesen inneren Kampf um ihr eigenes Leben schildert der Roman.
Gerade im Hinblick auf den italienischen Süden zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es ein bemerkenswerter und mutiger Roman. Fast 120 Jahre später liest er sich leider noch immer sehr aktuell. Die Reise einer Frau, die sich über die Jahre emanzipiert um Ende ihre eigenes Leben leben zu können.
Ein Blick auf die Weiblichkeit, ein Blick auf die Misogynie
Der Roman „Eine Frau“ ist ein intensives Buch. Dieses Buch blickt auf ein Frauenleben in einer vergangenen Zeit, dieses Buch blickt auf ein Frauenleben in einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft. Frauen müssen ihre eigenen Wünsche aufgeben, gehören ihren Männern, sind ihnen ausgeliefert. Werden darüber krank, aber auch das interessiert nicht, nur der Mann steht im Fokus der Welt, die Männer für sich selbst erschaffen haben. Ein wütend machendes Buch. Aber auch ein nachdenklich machendes Buch. Denn manches Gestrige hier im Buch scheint gar nicht so fern und auch manches patriarchale Denken ist immer noch in so manch einem Kopf zu finden. In Köpfen von Männern, aber leider auch in den Köpfen von Frauen, Verräterinnen des eigenen Geschlechts, wie ich finde. Aber gut.
Unsere heutige Freiheit haben wir mutigen Frauen zu verdanken, die feministische Sichten für sich und für andere erkämpften. Mutige Frauen, die dafür hohe Preise gezahlt haben.
Wie Sibilla Aleramo. 1876 geboren, 1960 gestorben. Eine vollkommen andere Zeit. Eine Zeit in der ich feministisches Denken wenig verortete, obwohl die Suffragetten ja auch zeitlich in etwa hierhin gehören. Aber deren Tun sich ja hauptsächlich in Großbritannien und den USA abspielte und nicht in der italienischen Provinz, wie das Leben der Sibilla Aleramo. In Mailand geboren und aufgewachsen, zieht Sibilla mit ihrer Familie 1881 in die mittelitalienische Provinz, bis 1891/1893 hat sie noch ein recht gutes Leben, doch dann holt sie das Schicksal der italienischen Frauen ein und ihr Kampf beginnt. In dem Buch wunderbar beschrieben, sehr dunkel, sehr ergreifend, sehr traurig und absolut intensiv. Denn Sibilla hat ihren Willen und nach und nach findet sie Wege, die ihr helfen selbstbestimmt zu leben. Allerdings zahlt sie einen hohen Preis dafür!
Ein Buch, welches ich dringend der Leserschaft ans Herz legen möchte. Ein Buch, von dem ich mir wünsche, dass es möglichst viele Leser erreicht. Denn es öffnet Augen und Hirn, gerade in der heutigen Zeit, in der rückwärtsgewandte Kräfte wieder versuchen uns Frauen einen Platz zuzuweisen, den wir nicht wollen!
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