Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist
von Nadine Olonetzky
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Erscheinungstermin 24.04.2024 | Archivierungsdatum 23.06.2024
Zum Inhalt
Die Familie ihrer Mutter hinterlässt Erinnerungen, Erbstücke und Geschichten. Von der jüdischen Familie des Vaters bleibt lediglich ein kleines Foto. Nur ein einziges Mal erzählt ihr der Vater von dem, was während der Shoah mit ihm und seiner Familie geschehen ist. Da ist sie fünfzehn, und ihr Vater mittlerweile Grafiker und Amateurfotograf, der alles festhalten muss, bevor es verschwindet. Jahrzehnte später stößt sie auf Berge von Akten und erfährt, was ihre Eltern so lange vor ihr geheim gehalten hatten.
»Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist« erzählt unsentimental und poetisch davon, wie man Verlust nicht wiedergutmachen, aber behutsam sichtbar machen kann.
»Dass diese Familiengeschichte aus mehr Fragen als Antworten besteht, macht sie so universell und lässt uns darin auch unsere eigenen Familien erkennen.« Peter Stamm
Die Familie ihrer Mutter hinterlässt Erinnerungen, Erbstücke und Geschichten. Von der jüdischen Familie des Vaters bleibt lediglich ein kleines Foto. Nur ein einziges Mal erzählt ihr der Vater von...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783103975901 |
PREIS | 25,00 € (EUR) |
SEITEN | 448 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Vaters Vergangenheit
„Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ ist eine besondere Aufarbeitung der Autorin Nadine Olonetzky. Sie erkundet die Lebensgeschichte ihres Vaters. Der ist 1943 in die Schweiz geflüchtet. Als Jude war er in Deutschland in Gefahr.
Seine Tochter findet nach seinem Tod Briefe über seinen Kampf eine Entschädigung zu bekommen.
Erstaunlich was die Behörden für Problem damit hatten.
Seine Tochter macht sich viele Gedanken über ihn.
Es ist entsetzlich das er nicht mit seiner Familie darüber reden Konnte.
Es ist schwierig das zu rezensieren.
Es liest sich aber interessant.
Die Autorin erfährt erst spät über Geschenisse in ihrer Familie, vorallem der Familie des Vaters. Die Verschwiegenheit ihrer Eltern lassen sie kaum etwas über Großväter und Großmütter erfahren. Später mit 15 Jahren erzählt der Vater ihr von dem Leben unter den Nazis, was es bedeutete für seinen Vater und seine Mutter. aber auch hier erfährt sie nichts genaues, nur Bruchstücke. Jahrzente später findet sie Dokumente und Akten, die etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wie geht man damit um, kaum etwas von der eigenen Vergangenheit der Eltern und Gr0ßeltern zu wissen. Welche emotionalen Momente beim Lesen der Akten empfindet die Autorin ?
In einer leisen und unsentimentalen Sprache erzählt uns Nadine Olonetzky von ihrer Lebensgeschichte, die sie prägt und mit diesem Buch aufarbeitet.
"Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist" von Nadine Olonetzky ist ein berührendes und tiefgründiges Werk, das die Themen Verlust, Erinnerung und familiäre Geheimnisse auf poetische Weise verhandelt. Olonetzky erzählt die Geschichte einer Frau, die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg auf die verborgenen Schicksale ihrer jüdischen Vorfahren stößt.
Die Erzählung ist geprägt von einer sensiblen und doch klaren Sprache, die das Lesen zu einem eindrucksvollen Erlebnis macht. Olonetzky gelingt es, die Tiefe des Verlusts und die Schwere der Vergangenheit auf eine Art und Weise zu vermitteln, die beim Leser nachhallt. Die Geschichte wird dabei nicht sentimental, sondern behutsam und respektvoll erzählt, was die Authentizität der Erlebnisse unterstreicht.
Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie die Autorin mit dem Thema Erinnerung umgeht. Sie zeigt auf, dass Erinnerungen flüchtig sind, aber dennoch eine starke Präsenz in unserem Leben haben können. Die metaphorische Frage, wohin das Licht geht, wenn der Tag vergangen ist, dient dabei als roter Faden und regt zum Nachdenken über Vergänglichkeit und das Bewahren von Erinnerungen an.
Die Entdeckung der Aktenberge und die daraus resultierenden Erkenntnisse über die Familie verleihen dem Buch eine Spannung, die nicht auf konventionellen Erzählstrukturen beruht, sondern auf der emotionalen Reise der Protagonistin.
Peter Stamm bringt es treffend auf den Punkt, wenn er sagt, dass die Geschichte aus mehr Fragen als Antworten besteht. Dies macht "Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist" zu einem universellen Werk, in dem viele Leser Aspekte ihrer eigenen Familiengeschichten wiederfinden können.
Kurzum: Nadine Olonetzky hat ein Werk geschaffen, das nicht nur die Geschichte einer Familie erzählt, sondern auch einen tiefen Einblick in die menschliche Seele bietet. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und dabei gleichzeitig tief bewegt. Es ist eine Leseempfehlung für alle, die sich für die Themen Familiengeschichte, Erinnerung und die Bewältigung von historischem Erbe interessieren.
Dies ist ein sehr wichtiges Buch zu den Themen Holocaust, Vertreibung, Flucht, Verfolgung, Krieg. Auch wenn es bereits sehr viele Bücher zu diesem Thema gibt, schaftt Nadine Olonetzky hier was Neues, nämlich die Verbindung zur Gegenwart. Auch die Beschreibung der Flucht und der Umzüge, die jeweils ein zurücklassen weiterer Gegenstände mit sich bringen, wird hier sehr einfühlsam und nachvollziehbar beschrieben. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
Dieses Buch hat mich emotional tief berührt und erschüttert.
Nadine Olonetzky beschreibt auf einfühlsame, fast poetische Weise die Geschichte ihres Vaters, der als Jude Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg leisten muss. Ihr Großvater und eine ihrer Tanten werden deportiert und ermordet, während anderen Familienmitgliedern die Flucht nach Israel gelingt.
Die Autorin erfährt nur wenig über den Leidensweg ihres Vaters und seiner Familie. Erst als sie, längst erwachsen, beginnt zu recherchieren, erhält sie eine Vorstellung des Geschehens. Und erfährt, dass ihr Vater und seine Geschwister jahrzehntelang um Wiedergutmachung gekämpft haben.
Doch welches Leid hat ihr Vater tatsächlich erlitten? Wir wissen es nicht.
Eins ist jedoch gewiss: Egal, wie viel Gras über Trümmer und Gräber wächst, der Schmerz bleibt.
Der Titel deutet es schon an - eine Familiengeschichte erfragt und ans Licht gebracht durch eine Perlenkette an Fragen. Was für eine intensive und berührende Archivarbeit an der eigenen Geschichte! Sprachlich ungewöhnlich, inhaltlich erhellend - ein wichtiges, emotionales Berichten, dem ich dennoch leicht und gern gefolgt bin.
Diese Buch beschreibt die Geschichte von Moritz und Benjamin Olonetzky, wie sie im zweiten Weltkrieg durch die Nazis verfolgt, allen Eigentums beraubt und entwürdigt, versuchen das unerträgliche zu ertragen. Moritz verliert sein Leben, Benjamin „findet„ ein neues. Nadine Olonetzky erzählt die Geschichte ihres Großvaters und ihres Vaters anhand von Dokumenten, oft bin ich fassungslos was die Antragsteller ertragen mussten, wahrscheinlich noch immer müssen, wie sich Bürokratie über Jahrzehnte hinzieht und ein Menschenleben in Geldzahlungen aufgerechnet wird, ebenso der Verlust aller Wertgegenstände, aller Erinnerungen, das Auslöschen jeglicher Existenz bis in die letzte Instanz. Die Ignoranz in der Aufarbeitung, die Anerkennung von Schuld, all das lassen die Behördenschreiben vermissen. Und doch gibt es Menschen, die nach allem was sie an Schrecken erlebt haben nicht locker lassen, und ich bewundere ihren Mut.
Natürlich ist dieser Teil der Geschichte auch mir nicht unbekannt, aber die Art wie Nadine Olonetzky schreibt macht mich einmal mehr wütend und fassungslos. Ich habe das Gefühl die Sprachlosigkeit greifen zu können die sie beschreibt, weil auch ich mich so schwer tue hier die richtigen Worte zu finden, umso bewundernswerter ist es, das sie sie gefunden hat.
Es ist kein Buch was man in Windeseile lesen kann, immer wieder musste ich das Buch weglegen und brauchte Zeit um wieder weiter zu lesen, wie mag es ihr mit all diesen Dokumenten ergangen sein?
Mit all den Erinnerungen und Gespenstern die dadurch wieder aufgetaucht sind?
Und dennoch bin ich sehr dankbar ds ich dieses Buch lesen durfte, es nimmt einen mit in Überlegungen ohne mit Vorwürfen um sich zu werfen. Es hardert nicht, es erzählt die Geschichte. Und das in einem unglaublich unaufgeregten, aber sehr metaphorischen Stil.
Vielen Dank
Ich bin ja eine Person die viel Erfahrungsberichte aus der NS Zeit liest, aber diese Form war mir neu. Sie hat sehr deutlich gemacht das noch Generationen danach unter dem leiden was die Eltern und Großeltern erlebt haben.
Die offenen Fragen die durch ihre Recherchen entstanden sind haben einen das Gefühl gegeben bei ihr auf dem Sofa zu sitzen und dabei zu sein wenn sie einem die Geschichte Ihres Vaters erzählt.
Poetischer Titel – schwere Kost
Warum habe ich dieses Buch ausgewählt?
Der poetische Titel in Verbindung mit der Inhaltsangabe, die Thematik Holocaust und Wiedergutmachung, die biografische wie autobiografische Sicht der Autorin. Das alles hat mich neugierig gemacht. Das freche Kindergesicht im altmodischen Rahmen ließ mich auch zugreifen.
Worüber schreibt Nadine Olonetzky in ihrem über 400 Seiten starken Buch?
Die Autorin hat ein umfangreiches Werk verfasst, dass in kein Genrekorsett zu zwingen ist. Sie bietet dem Leser ihre Autobiografie, insbesondere über ihre Kindheit und Jugend. Sie berichtet von den Schwierigkeiten der Suche nach der Wahrheit ihrer Vorfahrengeschichte. Sie schreibt ein poetisches und fast philosophisches Gartentagebuch, das sie offensichtlich zur Ablenkung von den schicksalhaften Ereignissen vor allem für sich selbst schreibt. Sie dokumentiert detailreich die tragische Lebensgeschichte ihres Vaters vor allem anhand von Tausenden Seiten aus Archiven. Sie versucht eine Biografie ihres Großvaters zu erstellen, die überwiegend ihrer Fantasie entspringen muss, weil die Fakten fehlen. Sie klagt des Rechtssystem der Bundesrepublik und die bürokratische Gesetzgebung zu Wiedergutmachung und Entschädigung an. Sie beschreibt Vernichtungslager und Deportationen, Flucht, Rettung, Auswanderung, es gibt ausreichend Beispiele in ihrer Familie, wie man die Juden beseitigen und vernichten wollte im Dritten Reich. Sie erzählt von der Suche nach echten Orten ihrer familiären Vergangenheit.
Was habe ich empfunden beim Lesen des Buches?
Zu Beginn, bis weit über die Mitte hinaus, habe ich mich sehr schwergetan mit dem Schreibstil von Nadine Olonetzky. Das ständige Wechseln der Themen und Zeiten, die Gartenbeschreibungen, später das alles überschattende Erlebnis eines einzigen Tages, an dem ihr Vater auf einer Parkbank die „Wahrheit“ über sein Leben und das seiner Familie erzählt, an dem sie erfährt, dass ihr Großvater durch die Nazis ermordet wurde, ihr Vater wie durch ein Wunder überlebte und in die Schweiz fliehen konnte. All das prasselt in komprimierter Form auf die 15jährige Nadine ein. Und lässt sie nie mehr los.
Ich habe die Gartenbeschreibungen meist überblättert, wie auch einige sehr lange Zitate aus der Wiedergutmachungsakte, es war einfach zu viel des Guten. Trotzdem hat mich das Buch dann bis zum Ende nicht losgelassen, ich musste es ganz genau lesen bis hin zum Anhang, der mich auch interessierte, insbesondere die Quellen.
Was hat mich am meisten bewegt?
Das ist der Mut der Autorin, sich den vielen Dokumenten zu stellen, den eigenen Vater zu „sezieren“, sich auch kritisch über ihn zu äußern. Dass er Massel hatte, viele Male, dass seine Geschwister Massel hatten und auswanderten, dass auch die Überlebenden gezeichnet und traumatisiert sind, dass die Nachgeborenen all das einfach ignorieren oder wie die Autorin, bis ins letzte Detail erforschen wollen. Dass Traumata vererbt werden wie Rheuma oder ein Gendefekt. Dass in den deutschen Amtsstuben nach 1945 wahrscheinlich die gleichen Beamten und Angestellten tätig waren, die in den Finanzbehörden des Dritten Reiches das Eigentum der Juden zählten, bewerteten, inventarisierten und verschacherten.
Was konnte ich aus eigenem Erleben und Forschen nachvollziehen?
Die Angst, die unbegründete und doch vorhandene Angst als Kind. Den Schrecken, den die Enthüllungen über die Familiengeschichte in einem Kind auslösen. Auch mein Großvater wurde in Auschwitz ermordet. Auch von meiner Familie sind viele Tote zu beklagen, aber es gibt auch eine bedeutende Anzahl, die die Auswanderung schafften. Es ist eine Freude, heutzutage über das Internet ihre Nachkommen zu finden und kennenzulernen. Die Entschädigungsakte des eigenen Vaters zu lesen, das stelle ich mir schlimmer vor als das Lesen einer ebensolchen Akte eines entfernten Verwandten. Das gleiche trifft auch auf die sogenannten Vermögenserklärungen zu, es ist erschütternd, wenn man liest, was, wie wenig den Juden überhaupt noch geblieben war vor der Deportation.
Dass das Schweigen solange Bestand hatte, dass der richtige Moment immer gerade nicht da war. Dass Tausend Fragen vom Vater nie beantwortet wurden. Dass manche Fragen nie, nicht einmal durch Dokumente beantwortet werden. Und ich kann mich gut hineinversetzen in die Autorin, wenn sie von heutigem Standard und Luxus, von vielen nützlichen und unnützen Gegenständen schreibt, die unsere Wohnungen bevölkern und die wir heiß und innig lieben, und die doch von einem Tag auf den anderen verloren gehen können durch die Gewalt von Verbrechern, Mördern und Despoten. Wie haben sich die Juden gefühlt, wenn sie geliebte Dinge abgeben mussten, Radios, Fotoapparate, Bilder, Silberbestecke, all das hat zu ihrem Leben gehört und war weg. Dass die Nachkriegsrechtsprechung kaum zur Entschädigung dieser Dinge bereit war, weil sie am Ende ja nie auf den Vermögenserklärungen auftauchten, ist umso bitterer.
Der Satz „Du bist wie dein Vater, warf sie mir dann vor.“, der kommt mir sehr bekannt vor, den hörte ich von meiner Mutter nicht nur einmal.
Meine Gedanken zum Vater, dem Hobbyfotografen
Die Autorin schildert die Besessenheit ihres Vaters, alles, jeden Moment des Glücks im Foto festzuhalten. Sein Hobby war seine Erlösung, er gestaltete die Fotoalben, damit niemals wieder einfach alles weg wäre. Auch das Tagebuch für die Tochter fällt in dieses Hobby ein. Für die Autorin als Kind oftmals eher lästig, hat sie als Erwachsene etwas, das ihr niemand nehmen kann, die bildliche Erinnerung an Momente des Glücks. Ich weiß das umso mehr zu schätzen, weil z. B. von meinem ermordeten Großvater nicht einmal ein Foto geblieben ist.
Was hat mich gestört in diesem Buch?
Geschlechtergerechtigkeit scheint an keinem aktuellen Buch vorbeizugehen, aber die endlosen Doppelnennungen beider Geschlechter trüben den Eindruck eines flüssig zu lesenden Schreibstils. Dass niemand, auch Nadine Olonetzky nicht, das konsequent durchhalten kann, liegt auf der Hand. Das Gerede von „Jüdinnen und Juden“ ist ebenso lächerlich, wie von „Chelmerinnen und Chelmern“ zu schreiben, dass dann irgendwie auch Russen, Holländer und Belgier auftauchen, ist wahrscheinlich normal, aber man denkt unwillkürlich, was, keine Frauen aus diesen Ländern? Dann kommen plötzlich wieder „Holländer und Belgerinnen“ oder „tschechische Juden…“ Formulierungen wie, „erschossen sie ihn, erschossen sie sie“, sind doch völlig überflüssig. Aus meiner Sicht verliert das Buch durch dieses merkwürdige Hin- und Herschreiben der Geschlechter deutlich an Qualität.
Wird von einem Autor ein genaues historisches Datum genannt, erwartet der Leser, dass es gut recherchiert ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass nicht die Atombomben auf Japan am 2. Mai 1945 das Datum des Kriegsendes in Europa bestimmten. Die beiden Atombomben wurden erst am 6. August 1945 auf Hiroshima und dann am 9. August auf Nagasaki abgeworfen. Erst danach kapitulierte Japan.
Die Gartenphilosophie hat mir nicht gefallen, weil sie vom Wesentlichen ablenkt, es zu weich und anschmiegsam macht.
Die Kapitelüberschrift wirken im Gegensatz zu dem sehr weitschweifigen Text verkürzt und sehr abrupt.
Welches Zitat aus diesem Buch ist mir besonders ans Herz gegangen?
Die Frage der Autorin „Wie hätte ich mich wohl verhalten?“, lässt mich innehalten und mich fragen, hätte ich immer richtig gehandelt? „Ich weiß nicht, was alles in mir schlummert.“ ist ihre kluge Antwort.
Fazit
„Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist? … Und was ist mit all den Menschen und ihrem Massel und Schlamassel, wo gehen die hin, wenn die Zeit vergeht? Sie sind erst weg, wenn sich niemand mehr an sie und ihre Geschichten erinnert, wenn niemand mehr ihre Bilder betrachtet, ihre Namen kennt. Wenn niemand mehr von ihnen erzählt.“ Für diese Worte hat es sich gelohnt, dieses Buch zu Ende zu lesen.
Ich kann dieses Buch nur empfehlen, so ausführlich und eindringlich habe ich selten über den Holocaust, die Opfer und Überlebenden gelesen. Es hat mich tief berührt.
Die Geschichte der Eltern in Kriegszeiten, immer sind da nur Erinnerungsinseln, Bruchstücke. Olonetzky verfolgt die Spuren ihrer Eltern, Jude zu sein in Kriegszeiten, das wirft oft und auch hier mehr Fragen auf als Antworten. Nur einmal erzählt ihr Vater von dieser Zeit, doch erst später kommt sie an einen Berg von Akten, die die Geschichte etwas erhellen. Aus den trockenen Akten muss sie die Geschichte entwirren. Hat die Erinnerung des Vaters getrügt, hat er verdrängt, um es selber zu ertragen oder wollte er sie verschonen. Das Sinnbild mit der Fotografie ist gut gelungen, werden doch immer die schönen Momente festgehalten und zeigen doch nur einen Bruchteil der Geschichte, der Wahrheit.
Etwas weniger Aktendeutsch wäre für mich okay gewesen, doch soll dies gerade die Anstrengung des Entwirrens und Schälens der Geschichte aufzeigen. Sehr lesenswert.
Erschreckend, aufwühlend, aber auch poetisch.Ein Buch, über welches sich kaum sprechen läßt. Nadine Olonetzky arbeitet hier die Geschichte ihrer Familie auf. Als Juden wurden der Großvater und die Tante im Rahmen der Shoa ermordet, die übrigen verloren alles, konnten aber flüchten. Nadine erlebt eine fast normale Kindheit in der Schweiz und erfährt erst mit 15 ganz wenig davon. Viel später erfährt sie mehr aus Dokumenten über den Kampf um die Wiedergutmachung. Bürokratisch korrekt, aber blind gegenüber dem Leid.Ein aufwühlendes Buch in wunderschöner Sprache, dabei in seiner Verhaltenheit und den Naturbildern berührend
Nadine Olonetzky hat sich in ihrem Roman „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ mit ihrer Familiengeschichte beschäftigt. Ihr Großvater Moritz kam in einem Konzentrationslager ums Leben, ihrem Vater Emil gelang 1943 die Flucht in die Schweiz.
Eigentlich wäre das schon Stoff genug für einen Roman. Aber ihr Vater hat Nadine Olonetzky nur einmal, auf einer Parkbank, seine Geschichte erzählt. Kaum genug, um einen Roman zu füllen. Doch als sie im Jahr 2020 auf Unterlagen der Anträge zur Entschädigung stieß, begann Nadine Olonetzky die Geschichte ihres Großvaters und ihres Vaters zu rekonstruieren und besuchte auch die Orte ihrer Vergangenheit.
So ist „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ letztlich auch ein Bericht über die Detektivarbeit, aus rund 2500 Seiten an Dokumenten eine Lebensgeschichte zu rekonstruieren. Freilich bleiben viele Lücken, Unklarheiten und Ungenauigkeiten, auch Widersprüche.
Von der Gestapo verhaftet, wurde ihr Großvater Moritz am 26.4.1942 von Stuttgart nach Izbica deportiert, ein Konzentrationslager oder „Transitghetto“ bei Lublin, 300 Kilometer entfernt von Treblinka. Dort kam er vermutlich im gleichen Jahr zu Tode. Ihrem Vater Emil gelang jedoch 1943 auf abenteuerliche Weise mit gefälschten Papieren die Flucht in die Schweiz.
Zur Fluchtgeschichte kommt immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Vater. Der Vater, der alles fotografierte, festhalten wollte. Der allen seinen Ehefrauen untreu war. Der häufig Wutausbrüche hatte. Der fünf Jahr lang nicht mehr mit seiner Tochter redete, sagte sie sei für ihn gestorben.
Und: Der Vater, der sich taufen ließ. Die Tochter wusste nichts davon:
Wie bitte? Mein Vater ließ sich taufen? Das erfahre ich erst jetzt aus den Dokumenten.
Dies gehört zu den Lücken, die bleiben. Warum er vom Judentum zum Christentum konvertierte und vor allem: warum er das seiner Familie nie erzählte, darauf hat Nadine Olonetzky keine Antwort.
Die Familiengeschichte ist das eine, das die Autorin erzählt. Das andere ist die Geschichte des 20 Jahre andauernden Kampfs um Wiedergutmachung. Ein Stück Nachkriegsgeschichte. Ausführlichst zitiert Nadine Olonetzky aus der Korrespondenz zwischen ihrem Vater bzw. dessen Rechtsanwälten und dem Landesamt für Wiedergutmachung.
„Schaden an wirtschaftlichem Fortkommen“, „Ausbildungsschaden“, „Schaden an Freiheit“, „Schaden im beruflichen Fortkommen“: So klingt Verfolgung im Juristendeutsch. 24 Jahre lang führte Emil Olonetzky den Schriftverkehr für Wiedergutmachung für sich und seinen Vater. Da ist seine Tochter Nadine stolz, stolz und verwundert. Auch das, dass er für Entschädigung so lange kämpfte, wusste seine Tochter nicht. Erst 2020 hat sie die Unterlagen entdeckt – der Anlass, sich intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen. 17000 Deutsche Mark bekam Emil Olonetzky schließlich als Entschädigung, natürlich unterteilt in die unterschiedlichen „Schadenskategorien“. 3816 Mark. Für die Anwälte, vermutet die Tochter, habe der Vater ein Mehrfaches ausgegeben. Rückblickend urteilt sie:
Dass mein Vater so sehr für das bisschen Entschädigung kämpfen musste, zerreißt mir heute das Herz. Dass er einfach nicht aufhören konnte, wie unglaublich stark war das. Wie verbissen und wie demütigend auch.
Insgesamt hat Nadine Olonetzky aber etwas zu viel in ihr Buch hineingepackt. Aktuelle Bezüge zum Ukraine-Krieg liegen zwar nah, führen aber doch eher vom Eigentlichen Weg. Die eingerückten Teile über den Garten wirken sehr befremdlich – auch wenn am Anfang des Buches darauf hingewiesen ist, dass „die tröstende Kraft eines Gartens im Jahreslauf“ für alle da sei, die die Geschichte lesen. Für Pausen beim Lesen braucht es keinen beschriebenen Garten.
Auch wenn die Autorin ins Poetische übergeht, schießt sie sprachlich über das Ziel hinaus, wenn zum Beispiel von der Erinnerung als Skelette, die in der Erde stehen, geschrieben ist. Oder wenn sie sich zu Aufzählungen hinreißen lässt.
So schreibt sie über das verkohlte Holz der Stuttgarter Synagoge:
Wie viele Schwarz gibt es? Schwarz wie Trauerkleidung, wie die Rabenkrähen, die im Garten landen. Schwarz wie das Fell meiner Lieblingskatze. Schwarz wie die Dunkelkammer, bevor das rote Licht aufflammt. Schwarz wie das Schwarze Meer? Schwarz wie Pech. Schwarz wie schwarzer Humor.
Andere, wiederkehrende Motive überzeugen dagegen, wie etwa die Parkbank, auf der der Vater der 15-jährigen Nadine seine Geschichte erzählte. Oder der Verweis auf Zlatek die Ziege.
Fazit: Gerade weil man über die Entschädigungs-Prozedur so wenig weiß, ist das Buch so spannend, wenn auch die behördlichen Briefwechsel sehr ernüchternd sind.
Einen großen Dank an Nadine Olonetzky für diese Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte. Es nennt sich literarische Fiktion. Da mich der Text über mehrere Tage sehr mitgenommen hat, werde ich einiges zitieren, damit Ihr ein Gefühl für die Sprache bekommt, der Stimmung und weshalb dieses Buch zustande kam. Jahre nach dem Tod der Eltern stieß die Autorin auf Schriftstücke, die endlich Antworten auf die Vergangenheit des Vaters gaben und auf das große Schweigen in der Familie. Es waren Berge von Akten, die das jüdische Schicksal seiner gesamten Familie offenbarten. -
„Doch wie andere mit der gleichen Geschichte im Rücken reiste ich irgendwann an die Orte, an denen der Großva-ter, Vater, die Onkel und Tanten gelebt haben. Von denen aus sie fliehen mussten oder von denen aus sie deportiert wurden.
Ich stand in neuen Straßen, vor neuen Häusern. Wie andere ging ich ihren Spuren nach. Wir Nachgeborenen fassen uns ein Herz und brechen auf, gehen den Weg zurück. - das tut sie, sie fährt an den Ort, an dem die Spuren ihres Großvaters Moritz enden. Ein Zwischenlager in Polen. Wo ging er von da hin ? Kam er in ein KZ ? Keine Lebenszeichen mehr. Nadines Vater war leidenschaftlicher Fotograf, ohne seine Kamera war er fast nie anzutreffen. - „Die Fotos, die er von uns immer machte, waren Steine, so kommt es mir heute vor, mit denen er eine Mauer baute. Er baute mit den Bildern eine hohe und lange Mauer gegen jene Welt, in der Dinge geraubt worden waren und Menschen ohne Grund oder Recht verschwanden und in der irgendwann alles sinnlos in Trümmern lag. Auch gegen eine Welt, die einen misstrauisch beäugte.“ - Diese und andere Stellen gingen mir unter die Haut. Ein Herz fassen für dieses Buch, Mut haben es zu lesen das wünsche ich ihm. Absolut empfehlenswert.
Ein Buch, was ich in kleinen Happen lesen musste. Zu nah und bedrückend war die Wirklichkeit hinter den geschriebenen Worten.
Ein gutes und wichtiges Buch!
#gegendasVergessen
Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die Nadine Olonetzky hier erzählt. Sie begibt sich auf die Spuren ihrer jüdischen Vorfahren väterlicherseits und erzählt davon, wie und wo diese die Zeit des Krieges verbracht haben.
Ihr Vater hat nur einmal über diese Zeit gesprochen, die Erzählerin ist 15 Jahre alt, und sie fragt sich ihr weiteres Leben, warum sie nur stumm zugehört hat. Doch die Fragen kommen später, als sie die hinterlassenen Dokumente von ihm durchforstet.
Und es sind hunderte Fragen, die sie sich stellt.
Zunächst verfolgt sie den Weg ihres Großvaters, besucht den Ort, an den er deportiert wudre, geht sogar dem Leben des Obersturmführers nach, der für dessen Tod verantwortlich war. Die Dokumente geben Aufschluss, was und wofür der Vater Wiedergutmachung gewollt und bekommen hat, wobei sie sich an diesem Wort stößt, denn das kann man nicht wieder gut machen. Sie zeigt auf, wie viele Jahre es dauert, was man alles beweisen muss, weitere traumatische Momente nach sich ziehend.
Die Autorin klärt mit diesem Buch auf, dass die Folgen, die Traumata des Krieges viele Menschenleben beeinflussen, darunter auch ihr eigenes. Sie versteht ihren Vater oder versucht es zumindest. Was macht so ein „Erlebnis“ mit einem Menschen, was ändert es. Und immer wieder steht die Frage im Raum: Warum habe ich nicht nachgefragt bei meinem Vater?
Ihre Sprache ist poetisch, sie jongliert mit Gedanken und Worten. Dadurch, dass sie sich immer wieder Fragen stellt in einer Endlosschleife, kommt auch der Leser/ Hörer zum Nachdenken.
Ein Buch, das ich nur empfehlen kann.
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