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Maybelline
von Taylor Brown
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Erscheinungstermin 15.02.2021 | Archivierungsdatum 23.12.2024
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Zum Inhalt
Rory Docherty ist nach Hause auf den sagenumwobenen Berg seiner Kindheit zurückgekehrt – eine neblige Wildnis, die ihre Geheimnisse verbirgt und sich von der Außenwelt abschottet. Von einem Holzbein...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783948392185 |
PREIS | 14,00 € (EUR) |
SEITEN | 416 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Granny May/Maybelline Docherty war nicht nur eine Legende, weil sie aus Teesatz die Zukunft lesen konnte oder wegen ihres imposanten Kastanienbaums, der als einziger weit und breit einen Baumpilz überlebt hatte. Die Bewohner ihres Appalachendorfs nahmen gern ihre Heilkunst in Anspruch, weil sie sich nichts anderes leisten konnten oder Mays Elixiere evtl. wirkungsvoller waren als die der Berufe im weißen Kittel. Kurz nach dem Koreakrieg (1950-53) lebt sie mit Enkel Rory in einer Hütte mit gesunder Distanz zum Ort, nachdem ein missgünstiges Geschöpf ihre bescheidene Existenz als Lieferantin von Backwaren denunzierte und damit Mays einzig denkbare Lebensgrundlage - außer Prostitution - zerstörte. Rory hat außer seinem hervorragend getischlerten Holzbein weitere Lasten aus dem Krieg mitgebracht, zu denen May noch nicht vorgedrungen ist.
Wie May ihr Kuchen-Business so verlor ebenso gesamte Ort sein Geschäftsmodell der Schwarzbrennerei, als das Tal für einen Dammbau geflutet wurde und so in den Bergen zahlreiche Standplätze verborgener Destillen von den Transportwegen abgeschnitten waren. Bis 1933 herrschte Prohibition, Verbot von Alkoholherstellung und -transport, ein Nebenerwerb, auf den diejenigen angewiesen waren, die weder Arbeit in der Strumpffabrik, im Möbelbau, noch Lust hatten, den ganzen Winter von gewilderten kleinen Säugetieren zu leben. Steuereintreiber und Behörden liefern sich in den Appalachen mit den Schmugglern und den mafiös organisierten Hintermännern aktuell offenbar ein Katz- und Maus-Spiel. Wenn der Verkauf von Einzelflaschen verboten ist, müssen die Transporter-Spezialanfertigungen eben noch einmal umgebaut werden für größere Tanks …
Granny May und Rory umweht die makabre Legende, dass Mays Tochter Bonni und ihr Boyfriend Winston bei einem Stelldichein von finsteren Gesellen in sackleinern Kapuzen überfallen wurden, Winston wurde getötet, Billie riss einem der Angreifer ein Auge aus und soll, seitdem schweigend, in einer psychiatrischen Klinik leben. Bonnis Sohn Rory wächst bei May auf. Wer nun glaubt, einäugige Männer mit Hang zur Selbstjustiz könnten sich im Ort nicht mehr sehen lassen, sieht sich getäuscht – im Gegenteil sind sie offenbar angesehene Stützen der Gesellschaft.
Episodenhaft und auf mehreren Zeitebenen erzählt Taylor Brown über drei Generationen von Schwarzbrennern in den Appalachen. Neben blutigen Kriegsszenen und gnadenlosen Schlägereien zeigt er eine Idyllische Gegend, die vermutlich nur zu schätzen weiß, wer hier nicht seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Von den Männerbünden grenzen sich zwei durchsetzungsstarke Frauenfiguren ab: May, die am Berghang hinter ihre Hütte Pflanzen für diverse Heilmittel erntet, die sie sich durchaus in Naturalien bezahlen lässt, und die begabte Hutmacherin Christine, die beinahe genug gespart hat, um endlich der Fabrikarbeit zu entkommen. Aus dem Cluster von Heilerin, Hillbillies, Rebellen und Schwarzbrennern war mir May Docherty am liebsten, weil ich Heiler-Figuren einfach gern mag. Brown zeigt sich hier als empathischer Berichterstatter über eine Epoche, in der Gottesdienste mit Klapperschlangen noch üblich waren. Dem Nachwort von Kirsten Reimers bleibt nur wenig zu erklären, weil Brown die Lebensbedingungen seiner Figuren bereits anschaulich beschrieben hat.