Ours. Die Stadt
Roman | »Ein großer, 700 Seiten langer Triumph der Vorstellungskraft über die trübe Realität.« Adam Soboczynski, DIE ZEIT
von Phillip B. Williams
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Erscheinungstermin 09.10.2024 | Archivierungsdatum 08.12.2024
Zum Inhalt
Ein bildgewaltiges Epos über die Freiheit - »Ein kühnes, wildes, oft betörendes Buch.« Guardian Nördlich von St. Louis liegt in den 1830er Jahren eine Stadt, die auf keiner Landkarte verzeichnet...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783103976090 |
PREIS | 28,00 € (EUR) |
SEITEN | 704 |
Auf NetGalley verfügbar
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Utopie? Magischer Realismus? Gesellschaftsroman? Williams erzählt zauberhaft von einem scheinbaren Paradies mit Schattenseiten, von starken Charakteren, die die Stadt bewohnen. Ein wirklich "großer" Roman, wunderbare Lektüre für Wintertage.
“Ours – Die Stadt” liest sich wie ein Märchen oder eine opulente Fantasy-Story. Phillip B. Williams, der an zwanzig Jahre an der Geschichte gearbeitet hat, schafft hier eine epische Saga, die randvoll mit spannenden Geschichten rund um gefährliche Zauber, afrikanische Spiritualität, Voodoo, komplexe Beziehungen und eine sich gegenseitig schützende Gemeinschaft ist. Im Mittelpunkt steht die Zauberin Saint, die einen Safespace für ehemalige Sklaven schafft, aber ihren Zauber bei der Organisation der Stadt ziemlich eigenwillig einsetzt. Zugleich will der Autor zeigen, welche Traumata die Menschen durch die Sklaverei erlitten, wie unterschiedlich sie mit diesen seelischen Erschütterungen umgingen und was das aus ihnen machte. Hinzu kommt Williams großes Interesse an afrikanischer Mythologie, das ihm seine Mutter in die Wiege gelegt hat. So ist “Ours – Die Stadt” von Phillip B. Williams ein eindringlicher Gesellschaftsroman, der sich vordergründig mit Mythen, Voodoo und Zauberei, hintergründig aber intensiv mit den Folgen von Sklaverei auseinandersetzt.
Mit diesem Buch schafft Phillip B Williams eine poetische Saga. Um 1830 erscheint die Voodoo Zauberin Saint um versklavte Afrikaner*innen von den Plantagen der Vereinigten Staaten zu befreien, die sogenannten Herren fallen einfach Tod um. Und führt die Befreiten in die, von ihr neu gegründete Stadt Ours. Mit einem Zauber vor fremden und Eindringlingen geschützt leben die Menschen nun frei in der neuen Gemeinschaft. Und jede*r kämpft mit seinen eigenen Dämonen der Vergangenheit. Williams bedient sich einer wunderschönen epischen Sprache die manchmal wie Gesang anmutet. So beschreibt er Schicksal und persönliche Erlebnisse der einzelnen Bewohner*innen aus den unterschiedlichen Perspektiven, es gibt keine Hauptprotagonisten und dennoch verliert man den Faden nicht. Es geht um tiefe Traumata, Schuld und Vergebung und wie uns das in der Vergangenheit erduldete über Generationen beeinflusst. Ich bin von der ersten Seite in den Bann gezogen und tief ergriffen. Diesen Autor muss man sich merken.
Ein spannender Roman, der historische und fantastisch magische Elemente kombiniert und damit einen Hauch von Science Fiction hat. Das Setting zur Zeit der Abolition der Sklaverei wird aus einer mitreißenden Perspektive aufgegriffen. Die Geschichte dreht und wendet sich zwischen wiederkehrenden Personengruppen, von deren Natur, Zielen und Idealen Stück für Stück mehr enthüllt wird. Sehr spannend und interessant geschrieben, was sich trotz des relativ großen Seitenumfangs hält.
In den 30ern des 19. Jahrhunderts und noch vor dem Amerikanischen Sezessionskrieg (1861-1865) gründete Eleanor, die sich fortan Saint nannte, nördlich von St. Louis einen imaginären/in den Wäldern unauffindbaren Ort als Zuflucht für ehemalige Sklaven. Die ehemals weiße Siedlung nennt sich nun „Ours“, ihre Bewohner werden „Ouhmey“ genannt. Saint verfügt über mächtige afrikanische Zauber und einen imponierenden hölzernen Zeremonienstab, um den sich geschnitzte Schlangenköpfe winden. Den Geretteten ist sie nicht geheuer. Man erzählt sich, sie sei eine erfolgreiche Rächerin, die Angriffe aller Art umkehren und ihre Angreifer töten kann. Weitere Figuren sind u. a. Saints adoptierte Zwillingskinder, auch sie ein mächtiger Zauber, um ihre Macht zu festigen, das Paar Miss Love (m) und Miss Wife mit ihrem begabten Sohn Luther-Philip, der später von Nachbarn aufgenommen wird und dessen Schulkamerad Justice.
Philip B. Williams großer amerikanischer Roman, an dem er 20 Jahre lang arbeitete, hat keine Hauptfigur und fordert seine Leser:innen damit heraus, dass Figuren in mehreren Versionen ihrer selbst auftreten können, mit wechselnden Namen, tot und lebendig, als Täter und Opfer, mit noch offener Identität. Wenn afrikanischer Hoodoo-Zauber oder Schlangen-Magie ins Spiel kommen, kann Unwissen über magische Kräfte des Gegenübers unangenehm werden.
Im Zusammenleben der Leute von Ours geht es u. a. darum, elternlose Kinder aufzunehmen und die Kultur versklavter Menschen wieder zusammenzufügen, die durch willkürlichen Verkauf von ihren Partnern, Kindern, Mitsklaven und den Gräbern ihrer Liebsten getrennt wurden. Soziale Elternschaft, das Heilen von Traumata und die Bewahrung von Erinnerungen lassen Elemente afrikanischer Kultur wie in einem Mosaik an ihren Platz fallen und bilden die Kultur Versklavter ab. Ich hatte den Eindruck, dass kulturelle Vielfalt in Ours als gegeben hingenommen wird; man nutzt, was sich bietet und wählt Sitten und Werte nicht ab.
Williams Vorsatz, mit seinem 700-Seiten-Schmöker das Verschwinden der Geschichte der Sklaverei zu verhindern, könnte nicht aktueller sein. Es geht in seinem komplexen Plot um das Verhältnis von Freiheit, Sicherheit und Gewalt, darum, wen wir lieben, und nicht zuletzt um den Boden, den vor den Plantagenbesitzern schon andere Kulturen bewohnt haben.
Der Roman spricht sicher Leser:innen von Colson Whitehead und Jesmyn Ward an. Ich finde ihn schwerer zugänglich durch die fehlende Identifikation mit einer Hauptfigur und die teils unscharfe Sicht darauf, wer gerade erzählt oder im Focus steht. Die Mosaiksteinchen, aus denen meine Einschätzung der Figuren wächst, tauchen teils unvermittelt auf, ergeben am Ende jedoch ein befriedigendes Gesamtbild. Erschwert wird das Lesen durch androgyne, teils willkürlich gewählte Vornamen, die Identitäten weiter verschleiern, die im dialoglastigen Text ohnehin sparsam beschrieben werden. Williams Händchen für stimmungsvolle Beschreibungen hätte ich gern stärker in der gegenseitigen Wahrnehmung der Figuren erlebt.
In seinem Nachwort erzählt Williams, wie seine Mutter in seiner Kindheit eine Enzyklopädie afrikanischer Mythologie anschaffte, um die Dominanz griechischer Mythologie auszugleichen. Eine weise Entscheidung; denn sie bot die Basis für Williams fiktive Stadt, in der die Mythologie der Schwarzen überleben konnte.
"Ours. Die Stadt" von Philipp B. Williams ist eine kraftvolle Sammlung von Geschichten, die die Themen Identität, Verlust und Gemeinschaft auf eindringliche Weise erkunden. Mit einer lyrischen Sprache und beeindruckender Bildhaftigkeit schafft Williams Texte, die sowohl emotional berühren als auch zum Nachdenken anregen. Die Gedichte reflektieren persönliche und gesellschaftliche Kämpfe und verbinden intime Geschichten mit universellen Fragen. Für Liebhaber moderner Literatur, die sich durch sprachliche Intensität und Tiefgang auszeichnet, ist dieses Werk eine echte Empfehlung.