Im Traum kannst du nicht lügen
Roman
von Malin Persson Giolito
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Erscheinungstermin 26.10.2017 | Archivierungsdatum 07.11.2017
Zum Inhalt
Stockholm: Nach einem Blutbad an einem Gymnasium steht die achtzehnjährige Maja vor Gericht. Sie hat geschossen, und unter den Toten sind ihre beste Freundin Amanda, ihr Freund Sebastian und der...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783431039931 |
PREIS | 16,50 € (EUR) |
Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Eigentlich bin ich eher Leserin von Liebesromanen, zu Krimis und Thrillern zieht es mich eher selten. Aber bei diesem Buch hat mich der Klappentext überzeugt. Mich hat Majas Geschichte jedenfalls noch weit über das letzte Kapitel hinaus beschäftigt, definitiv ist das kein Roman der Sorte "Lesen und wieder vergessen".
„Im Traum kannst Du nicht lügen“ ist ein starkes Buch, dass ich am Anhang als etwas langatmig empfunden habe, das mich im Verlauf aber immer mehr in seinen Bann gezogen hat.
Zu Beginn des Buchs steht die 18-jährige Maja Norberg vor Gericht, sie ist angeklagt, an einem Blutbad in ihrer Schule beteiligt gewesen zu sein, bei dem unter anderem ihr Freund Sebastian, ihr beste Freundin Amanda und ein Lehrer erschossen wurden. Aber ist Maja wirklich schuldig? Wie konnte es dazu kommen, dass dieses beliebte Mädchen aus reichem Elternhaus in so eine Tragödie verwickelt und zu einem derartigen Hassobjekt wurde?
Die Autorin lässt Maja in der Ich-Perspektive in Rückblicken von den Ereignissen erzählen, die zu dem Blutbad geführt haben aber auch von ihrer Zeit im Gefängnis, von ihren wechselnden Gefühlen und ihren Ängsten.
Der Prozess, der sich über insgesamt drei Wochen erstreckt, bildet eine Art Rahmenhandlung, während der Maja noch einmal mit der Tat aber auch mit ihrer Beziehung zu ihrem Freund Sebastian Fagerman konfrontiert wird, dem Haupttäter, der durch sie zu Tode gekommen ist.
Der Leser bleibt bis zum Schluss im Ungewissen darüber, in wieweit Maja schuldig oder ein Opfer ist, die tatsächlichen Ereignisse, Hintergründe und Zusammenhänge werden nur schrittweise herausgearbeitet. Der Spannungsbogen ist dabei durchweg hoch, auch trotz der wechselnden Zeitebenen verliert man nie den Überblick.
Eine große Stärke des Buches liegt in der Intensität und Offenheit mit der Maja ihre Eindrücke schildert. Die Autorin wird in der Erzählung zu Maja, diese spricht den Leser zum Teil direkt an, was eine große Nähe zur Hauptfigur schafft. Ihre Wut ist ebenso greifbar wie ihre Verzweiflung.
Im Verlauf der Geschichte war mir Maja mal mehr, mal weniger sympathisch, mal ist ihr Verhalten abstoßend, mal leidet man mit ihr, wenn Freunde und Familie sie missverstehen und allein lassen.
Das Buch ist ein Drama, das Fragen von Schuld und Verantwortung, von Bestrafung und Versöhnung aufwirft aber bewusst keine Antworten gibt, sondern den Leser sich sein eigenes Urteil fällen lässt. Es geht um Liebe, Freundschaft, Jugend, Drogenmissbrauch, soziale Verantwortung und Klassenunterschiede. Ein Thriller der besonderen Art, der nachhallt und oft sprachlos macht. Ich werde mir die Autorin auf jeden Fall merken, dieser Erzählstil ist beeindruckend realistisch und nahe gehend.
Am Schlusspunkt angekommen, hatten sich soeben einige Tränchen in meinen Augenwinkeln gesammelt: Dabei kann ich gar nicht so genau benennen, was exakt mich so berührt hatte. Vielleicht war ich auch gar nicht so sehr gerührt, sondern viel eher besorgt und sprach-, aber nicht tränenlos ob der Authentizität dieser Geschichte, die so Vieles, und auch so viel Verrücktes und Widersprüchliches, aus dieser gegenwärtigen Welt anspricht, von dem man sich wünschte, es wäre doch bitte ausschließlich fiktiv.
In "Im Traum kannst du nicht lügen" legt die Autorin mittels ihrer Protagonistin den salzbestreuten Finger in die offene Wunde einer sozialen Gesellschaft, die sich zueinander allzu oft asozial verhält, und an vielen Stellen hat man das Gefühl, die Geschichte erzähle weniger Majas Geschichte als dass der gutbürgerliche Leser in seinem durchschnittlichen Alltagsverhalten reflektiert wird. Dabei wird unter Anderem auch Bezug auf die aktuelle Flüchtlingssituation genommen, die (inter)nationale Ökonomie wird angesprochen, Differenzen zwischen sozialem und wirtschaftlichem Verhalten sowie den entsprechenden Erwartungen aufgezeigt und all das ist so fein in Majas Geschichte eingewoben, dass es nie aufklärend, erklärend oder belehrend wirkt, sondern allenfalls nachdenklich machend und lediglich ganz langsam nachhallend.
Maria, von Allen nur "Maja" genannt, bleibt aber immer im Zentrum des Romans, was nicht nur daran liegt, dass sie als Hauptfigur hier auch die Erzählstimme vertritt, sondern daran, dass sie als Dreh- und Angelpunkt dient: Aktuell berichtet Maja vom gegenwärtig gegen sie geführten Prozess, von ihrem Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis, ihrer Isolationshaft. Diese Berichte aus der Gegenwart sind immer wieder unterbrochen durch ihre Wiedergabe der Ereignisse vornehmlich des vergangenen Sommers und einfach einer Zeit, die in einem Blutbad endete. Maja ist angeklagt, gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian einen Amoklauf geplant und durchgeführt zu haben; Sebastians Beteiligung steht außer Frage, doch Maja behauptet, nichts von seinem Vorhaben gewusst zu haben. Sie räumt ein, Sebastian und auch ihre beste Freundin Amanda erschossen zu haben, behauptet aber, hierbei habe es sich um Notwehr gehandelt.
Doch die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass Maja sich nur herauszuwinden versucht und dass sie die tatsächliche Drahtzieherin ist, zumal diverse Ermittlungsergebnisse, wie Kameraaufnahmen, auch Maja stark belasten.
Der Leser wird von Maja sehr früh darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie sich eben durchaus zu diesen zwei Todesfällen bekennt; unklar bleibt, was ihr Anteil am Geschehen war und auch, ob sie nicht doch mehr damit zu tun hatte als sie zuzugeben bereit ist. Hier erfährt man Majas Hintergründe erst quasi parallel zur Gerichtsverhandlung und da gelingt es der Autorin meines Erachtens prima, den Leser einerseits zwar Mitgefühl mit Maja empfinden zu lassen, ihn aber auch kritisch gegenüber Maja bleiben zu lassen. Ich schwankte da sehr zwischen "wenn sie die Schießerei nun echt nur beenden und den Amokläufer ausschalten wollte" und "wenn sie vor Gericht aber nur schauspielert und tatsächlich aktiv an Planung und Durchführung beteiligt war".
Dabei ist Maja eine eher unauffällige Jugendliche gewesen, die nichtsdestotrotz auch Ecken und Kanten aufwies; insgesamt war sie relativ "typisch" und grade das machte vor Allem die starke Präsenz ihrer Figur aus: Sie war sozusagen das nette Mädel von nebenan, jemand wie du und ich, jemand, für den die Floskel "Dass ausgerechnet sie mal so ein Verbrechen begehen würde, damit hätten wir doch niemals gerechnet!" geprägt wurde. Dadurch wurde der Amoklauf noch realistischer, noch greifbarer, und "Im Traum kannst du nicht lügen" macht letztlich keine Unterschiede mehr: Man traut so ziemlich jedem alles zu, nachdem man zwischendurch schon geschockt realisiert hat, dass, egal wie es in Majas Fall letztlich gewesen ist, man selbst auch nahezu im Nu fälschlicherweise eines geplanten Kapitalverbrechens beschuldigt werden könnte - woraufhin man eher zu hoffen bereit war, dass Maja doch aktiv involviert gewesen war, denn Notwehr könne doch niemanden so sehr an den Pranger und schon gar nicht vor Gericht bringen?!
Man ist kaum in der Lage "Im Traum kannst du nicht lügen" aus der Distanz heraus zu lesen, so sehr ist die Geschichte mitten aus dem Leben gegriffen, so sehr wird der ganz normale Alltag widergespiegelt, so sehr wirkt dieser fiktive Roman autobiografisch und wenn es der Autorin derart gelingt, Majas Erzählung völlig echt wirken zu lassen: grade dann ist die Auszeichnung "Bester Kriminalroman Schwedens 2016" nicht nur nachvollziehbar, sondern auch völlig verdient!
Ein Schulmassaker, der schlimmste Albtraum, Stockholm unter Schock. Doch es gibt eine Person, auf die sich der ganze Hass fokussieren kann: Maria Norberg, genannt Maja, 18 Jahre alt, Haupttäterin gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian Fagerman, Sohn eines der reichsten Schweden. Zusammen haben sie erst Claes Fagerman getötet, bevor sie in die Schule gefahren sind, um dort Lehrer und Mitschüler umzubringen. Der Fall schein glasklar und einfach. Aber war es wirklich so? Maja sitzt in Isolationshaft im Gefängnis und lässt ihre Gedanken zurückschweifen, sie geht gedanklich nochmal alles durch, von dem Moment an, als sie Sebastian kennenlernte und die ein Paar wurden, bis zu den unheilvollen Monaten vor der Tat und den Abend bevor ihr Leben eine schreckliche Wendung nahm. Sie hat den Tod von mindestens einem Menschen verschuldet, aber hätte sie alles verhindern können? Der Prozess muss Klarheit bringen.
Malin Persson Giolitos Roman wurde in ihrem Heimatland Schweden zum besten Kriminalroman des Jahres 2016 gewählt. Eigentlich ist es kein wirklicher Krimi, schon zu Beginn weiß man, wer die Toten sind und letztlich auch, wer für ihren Tod verantwortlich ist. Für mein Empfinden ist der Roman viel mehr eine psychologische Studie über Familienbeziehungen und Abhängigkeiten. Auf jeden Fall eine emotional schwerwiegende Geschichte, die einem nicht kalt lässt.
Auch wenn der Amoklauf in der Schule das zentrale Element ist, spielt dies für den Roman nur eine untergeordnete Rolle. Es ist das Ergebnis all dessen, was sich zuvor zugetragen hat. Da wir nur Majas Perspektive haben und sie sehr lange nicht zu dem Leser spricht über die unmittelbaren Ereignisse, weiß man auch lange Zeit nicht, ob man ihr trauen kann und wohin ihre Gedanken einem führen werden. Interessant fand ihre fast emotionslose Reaktion auf all das, was geschehen ist. Sie wirkt geradezu ausgelaugt und leer, als wenn sie keine Gefühle mehr haben könnte und teilnahmslos auf ihr Leben und die Vorgänge blicken würde. Erst spät erklärt sich, weshalb sie wirklich in diesem Zustand ist und dass sie durch die Erlebnisse vorher weit über ihre Grenzen hinausgegangen war.
Immer wieder lenkt uns die Autorin auch auf falsche Fährten, plötzlich wird der soziale Hintergrund der Clique relevant; konnte alles nur passieren, weil den Oberschichtenkindern langweilig war und sie schon lange den Bezug zur Realität verloren hatten? Oder will sie auf das Thema Drogen und deren zerstörerische Wirkung hinaus? Womöglich sind es aber doch sogar politisch Motive; weshalb war der syrische Mitschüler nicht akzeptiert und wurde vorgeführt, nur geduldet, weil er intelligent war, aber niemals als Gleicher behandelt? Auf komplexe Vorgänge gibt es keine einfachen Antworten oder simple Erklärungen, das macht die Autorin klar. Das Leben, die Menschen sind vielschichtig und die von außen so naheliegende Deutung greift oftmals zu kurz.
Eine schwierige Thematik, die hinter der Geschichte steckt, die jedoch clever aufgebaut und geschickt entfaltet wird. Ein bemerkenswerter Roman, der unerwartete Tiefe bietet und eine detaillierte Charakterstudie darstellt.
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