Verschickungskinder
Eine verdrängte Geschichte
von Lena Gilhaus
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Erscheinungstermin 06.07.2023 | Archivierungsdatum 05.04.2024
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Zum Inhalt
Über 15 Millionen Mal wurden Kinder in der BRD und der DDR seit 1945 zur Kur geschickt. Für viele von ihnen waren diese Wochen prägend – und doch haben sie kaum darüber geredet. Dieses Buch erzählt die wenig bekannte Geschichte der deutschen Verschickungskinder.
Als die Journalistin Lena Gilhaus durch Zufall davon hört, dass ihr Vater als Kind in Kur geschickt wurde, beginnt sie zu recherchieren. Sie veröffentlicht eine erste Recherche über Kinderkuren und löst damit eine Lawine aus: Menschen von überall melden sich und erzählen von eigenen Erfahrungen.
Lena Gilhaus folgt den Spuren weiter und stößt auf ein verdrängtes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Millionen Kinder aus der BRD und der DDR verbrachten einen Teil ihrer Kindheit in Heimen, an der Nord- und Ostsee, in den Bergen und auch im Ausland. Sie sollten dort zu Kräften kommen und gesund werden – viele erlebten diese Zeit aber als Grauen. Erst in den 70er- und 80er-Jahren änderten sich die Kurkonzepte langsam.
Wo liegen die historischen Wurzeln der Kinderverschickung? Hat der Nationalsozialismus Spuren hinterlassen? Wie waren die Kuren organisiert, wer finanzierte sie – und wer profitierte davon? Wie war der Alltag, was erlebten die Kinder dort – und welche Tiefenwirkungen hatte das für die Gesellschaft der Nachkriegszeit? Spannend, anschaulich und erschütternd: Lena Gilhaus erzählt anhand unveröffentlichter Dokumente und vieler Erlebnisberichte die verdrängte Geschichte der Kinderkuren.
Über 15 Millionen Mal wurden Kinder in der BRD und der DDR seit 1945 zur Kur geschickt. Für viele von ihnen waren diese Wochen prägend – und doch haben sie kaum darüber geredet. Dieses Buch erzählt...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783462002881 |
PREIS | 24,00 € (EUR) |
SEITEN | 352 |
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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder
Ich habe das erste Mal im Bekanntenkreis von Verschickung gehört, als mein Bekannter mit über 30 Jahren ganz plötzlich unter Albträumen litt. Er wurde mit 5 Jahren für 6 Wochen auf Kur geschickt und fing an sich zu erinnern, als sein Sohn ins gleiche Alter kam.
Die Autorin gibt viele Eindrücke von Betroffenen wider, sodass man sich zumindest annähernd vorstellen kann, was diese Einrichtungen mit Kinderseelen angestellt haben.
Diese Schilderungen haben mich tief betroffen gemacht und sind unfassbar grausam. Interessant sind aber auch die geschichtliche Entstehung und die Hintergründe dieser Kuren, die weit zurück bis in die Weimarer Zeit reichen.
Es ist der Autorin hoch anzurechnen, dass sie versucht durch Aufklärung die damaligen Träger dieser Einrichtungen dazu zu bringen Verantwortung zu übernehmen. Offensichtlich trägt ihre Arbeit nun endlich Früchte.
Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie Frieden mit ihrer Vergangenheit schließen können und das solche "Machenschaften" nie wieder gutgeheißen oder vertuscht werden.
Themen wie diese sollten viel öffentlicher diskutiert werden.
Ich bin beim Kiwi-Verlag über das Buch gestolpert. Unter dem Titel konnte ich mir nur vage etwas vorstellen, habe ein bisschen gegoogelt und dann war klar: Das will ich lesen, weil es nicht sein kann, dass ich davon bisher nichts wusste.
Etwa 600.000 Kinder pro Jahr wurden in der Nachkriegszeit und bis in die 80er-Jahre auf Kinderkuren geschickt. An die See, in die Berge – ohne ihre Eltern. Jahrelang fuhren Sonderzüge in die Kurorte. Wo auf die Kinder oft nicht die ersehnte Erholung wartete, sondern Gewalt und Zwang bis hin zu Missbrauch und Tod.
Die Schilderungen der jetzt erwachsenen Kinder zu lesen, war kaum auszuhalten. Die Autorin, deren Vater und Tante selbst Verschickungskinder waren, hat jahrelang recherchiert, sich mit Betroffenen unterhalten und nicht nachgelassen in dem Versuch, die Träger der Kuren zur Verantwortung zu ziehen.
Für mich ist unbegreiflich, wie so ein System so lange hat bestehen können, wie die schweigen konnten, die wussten, was vor sich geht. Und wie viele Leben diese Kuren zerstört haben muss. Denn ehrlich gesagt kann ich schon den Gedanken kaum fassen, ein 3-Jähriged Kind allein für mehrere Wochen wegzuschicken. Selbst wenn Esszwang, Isolation, körperliche Strafen und psychische Nötigung nicht dabei gewesen wären.
Es ist so wichtig, dass dieser Teil deutscher Geschichte jetzt aufgedeckt und untersucht wird, auch wenn es für viele zu spät kommt. Die meisten Täter sind bereits verstorben.
Das Buch schafft den Spagat zwischen wissenschaftlicher Recherche und persönlicher Geschichte wahnsinnig gut, trägt unglaublich viele Details zusammen und lässt mich fassungslos zurück.
Als Mutter hätte mich sehr interessiert, was die Eltern der betroffenen Kinder darüber denken. Aber auch dafür ist es in vielen Fällen vermutlich zu spät.
Lest das Buch, oder schaut die Dokumentation der Autorin dazu, die gerade in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Es ist keine leichte Kost. Aber es ist wichtig, dass wir an das Schicksal dieser Kinder erinnern.
Als Autorin und Journalistin Lena Gilhaus von ihrem Vater erfährt, dass er als Kind mit seiner kleinen Schwester auf Kur geschickt worden ist, erwacht ihr Interesse und sie beginnt zu recherchieren. Auf ihren Aufruf, Kinder, die in Kurheimen zur Erholung waren, mögen sich bei ihr melden, ereilte sie eine wahre Lawine an Rückmeldungen.
Was ursprünglich als „gute Sache“ gedacht war, entwickelte sich recht bald zum Albtraum zahlreicher Kinder. Lena Gilhaus hat mit zahlreichen ehemaligen Verschickungskindern gesprochen. Das Ergebnis ist dieses Sachbuch, das unglaubliche Ereignisse zum Vorschein brachte.
„Kinderverschickung“ ist bei den meisten Menschen mit den Evakuierungen von Kindern während des Zweiten Weltkriegs konnotiert. Doch dieses Buch zeigt, dass die Anfänge dieser Praxis, die bis in die 1980er-Jahre üblich war, ganz woanders liegen, nämlich in der Weimarer Republik.
Lena Gilhaus Recherchen habe ergeben, dass in den Jahren nach 1945 rund 15 Millionen Kinder aus der BRD und DDR zur Kur geschockt worden sind.
Gemeinsam mit ihrem Vater unternimmt sie die Reise in seine Vergangenheit als Verschickungskind. Behutsam, Schritt für Schritt, wie es für ihn angemessen ist, tasten sie sich in seinen Erinnerungen vor, besuchen die Orte des Schreckens und finden den einen oder anderen nur wenig verändert vor.
»Auch wenn der Besuch das Schlimme, Dunkle und Böse nicht wegmacht, bin ich froh, dass ich mit euch hier bin.« Rührungstränen blitzen in seinen Augen. »Für mich war dabei auch unsere Geschwisterlichkeit so schön, um die wir in der Kur betrogen wurden.«
In sechs großen Kapiteln die Autorin allen jenen Kindern eine Stimme, die in diesen Aufenthalten, die ihnen eigentlich Erholung und unbeschwerte Wochen bescheren sollten, missbraucht, verprügelt und gedemütigt worden sind.
Die eigentliche Sauerei ist, dass niemand, weder damals noch heute, die Verantwortung für diese Ereignisse übernehmen will.
„Die Verschickungskinder bleiben auf Bundesebene seit Jahren ungehört. Erst Anfang 2023 erklärt sich das Bundesfamilienministerium plötzlich bereit, »mit den Ländern und Kommunen in einen Austausch über die Verantwortung für das erlittene Leid und Unrecht der ›Verschickungskinder‹« zu treten.“
Fazit:
Das Buch ist keine leichte Kost. Kann es auch nicht sein, deckt es doch Machtmissbrauch an Kindern auf. Gerne gebe ich diesem wichtigen Buch 5 Sterne.
Das Thema der Kinderkuren beschäftigt mich schon lange. Meine Oma wurde selbst während des 2. Weltkriegs „verschickt“ und ein weiterer Verwandter war während der 80er zu einer Kinderkur. Beide kann ich zu dem Thema allerdings nicht (mehr) befragen, aber seitdem ich zum ersten Mal Zeitungsartikel über die Kuren fand, lässt mich das Thema nicht mehr los.
Lena Gilhaus gibt mit ihrem Buch nun den Stimmen Betroffener die Möglichkeit gehört zu werden. Diese Berichte sind bedrückend: lieblose Behandlung, Esszwang, psychische und körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe… Ich musste beim Lesen einige Pausen einlegen. Das Schlimmste neben der Schilderung ist der Blick auf Kinder von den Betreuer*innen. Ich hatte beim Lesen richtige Aggressionen.
Parallel zu den persönlichen Erzählungen, legt Gilhaus nicht nur die Ursprünge des widerlichen Kinderbildes offen (tatsächlich sehr aufschlussreich wie weit dies zurückverfolgt werden kann und welche Beweggründe dahinterstecken), sondern zeigt auch die finanziellen Interessen an diesen Kuren auf (hier wurde gut verdient indem an allem gespart wurde). Ebenfalls wird sich mit dem Klassismus und Sexismus auseinandergesetzt, der dazu geführt hat das Kinder aus finanzschwachen Familien oder Kinder von alleinerziehenden Müttern besonders häufig in diese Kuren gegeben wurden.
Obwohl die Zeit dieser Verschickungen zum Glück vorbei ist, ist diese Art Kinder zu betrachten leider immer noch in den Köpfen vieler Menschen. Nicht ohne Grund gab es in den letzten Jahren die Elternschulendoku und den Winterhoff-Geschichte.
Lena Gilhaus arbeitet ein Trauma ihres Vaters auf. Wie so viele Kinder würde er zur Erholung in der Kindheit von seinen Eltern zusammen mit seiner Schwester in ein Erholungsheim geschickt - für beide ein traumatisches Erlebnis. Mit dieser Empfindung stehen sie nicht alleine da. Aber noch heute ist die Gewalt, die den Kindern in den Heimen oft angetan wurde, tabuisiert.
Gilhaus geht auf das persönliche Schicksal ihres Vaters ein, lässt viele, viele Zeitzeugen ( sowohl ehemalige Verschickungskinder als auch Erzieher) zu Wort kommen und geht der Geschichte der Kinderverschickung vom 19. Jahrhundert bis in die 90 er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach.
Schockierend und so wichtig!
Mit "Verschickungskinder" hat Lena Gilhaus ein Thema aus der Versenkung geholt, daß gerade erst allmähöich aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Denn die Generation, die davon betroffen ist, mußte erstmal erwachsen werden, vielleicht selber Kinder haben (wie der Vater der Autorin, ohne den dieses Buch wahrscheinlich gar nicht geschrieben worden wäre). Als Betroffene bin ich schon fast erschrocken, dieses Thema jetzt so ungeschminkt als Buchtitel in meiner Buchhandlung liegen zu sehen. Plötzlich bekommt das eigene difuse Erleben einer nicht enden wollenden Kinderheimzeit einen Namen. Und man erfährt, daß das nicht eine Besonderheit der ureigenen Biografie ist, sondern ein weit verbreitetes Phänomen in Deutschland seit etwa Beginn des 20. Jahrhunderts.
Lena Gilhaus verknüpft geschickt miteinander die sehr persönliche Geschichte einer Reise mit ihrem Vater, der sich nach langer Zeit zu dem Ort seiner Verschickung zurücktraut, und thematisch den Kapiteln passend zugeordnet, die sachlichen Fakten und Hintergründe in einer wirklich großen Vollständigkeit. Nachdem ich mich durch Kapitel wie "Erholen und Zunehmen", "Steckrüben in der Bodenvase" oder "Machtmissbrauch und Laissez-faire" gelesen hatte, konnte ich plötzlich nochmal ein ganz neues Verhältnis zu meiner eigenen Kinderheimzeit bekommen.
Und so wird es wohl eine große Zahl von Betroffenen geben, die Lena Gilhaus sehr dankbar sind und sein werden, dieses graue Thema endlich ans Licht geholt zu haben und es so facettenreich und sehr gut lesbar beleuchtet.
Ein (kleines ergänzendes)Thema, daß ich noch vermisst habe, ist ein Blick auf die privaten Heime. Im Gegensatz zu den von Kassen betriebenen und gezahlten Heime, haben in diesen selbständigen Einrichtungen allein Eltern, Heimleitung und (Privat-)Ärzte häufig sehr großzügig über die Aufenthaltsdauer der Kinder entschieden. In meinem Fall war es zusammengefasst ungefähr die Hälfte meiner Kindheit, der längste Aufenthalt 8 Monate. Diagnose: Asthma und Untergewicht, .
Der größte Verdienst von Lena Gilhaus und auch noch anderen ist es, aufzuzeigen, daß es hier tatsächlich um ein systemisches Problem geht. Als Betroffene fühlt es sich unendlich gut ans, daß dieses nun, eine Genration später, tatsächlich auch von aussen als ein solches wahrgenommen und angesprochen wird.
Ich nutze Netgalley für einen ersten Lesedruck, um dann, im besten Fall, das Buch ganz zu lesen und anschließend zu besprechen!
Nicht immer beeindrucken mich die Bücher positiv.
Dann nehme ich von einer Beurteilung Abstand.
Mein Credo ist eben #liesdichglücklich.
Ein grundsätzliches Dankeschön an den Verlag und Netgalley!
Alle positiven Besprechungen finden sich als Buchempfehlung
bei Instagram #fraumitzopf
Bewegend und dennoch wichtig
“Verschickungskinder” hat mich sehr mitgenommen und ich habe für das Buch etwas Zeit benötigt. Sicher hat auch die Tatsache, selbst Mutter zu sein, mit dazu geführt. Oft musste ich beim Lesen an mein eigenes Kind denken und schlucken oder es erstmal beiseite legen.
Man muss es verstehen und verdauen.
Doch um was geht es? Wie der Titel schon sagt, um “Verschickungskinder”
"Verschickungskinder" ist ein Begriff, der in Deutschland und anderen Ländern in den 1950er bis 1970er Jahren verwendet wurde, um Kinder zu beschreiben, die im Rahmen von “Erholungs- oder Fürsorgemaßnahmen” aus städtischen Gebieten in ländliche Regionen geschickt wurden. Diese Praxis war besonders in den Nachkriegsjahren verbreitet.
Die Idee hinter der Verschickung von Kindern war, sie vor den gesundheitlichen Risiken und Belastungen der städtischen Umgebung zu schützen. Durch den Aufenthalt in ländlichen Gebieten sollten die Kinder frische Luft, Bewegung im Freien und eine gesündere Ernährung erhalten. Diese Maßnahmen wurden oft als Mittel zur Stärkung der körperlichen Gesundheit und des Wohlbefindens betrachtet.
In der Regel wurden Verschickungskinder für einige Wochen bis Monate in Familien auf dem Land untergebracht.
Klingt doch erstmal gar nicht so schlecht, oder?
Doch sah es hinter den Kulissen ganz anders aus. Schläge, Schlafentzug, keine Kontakte und Zwangsernährung für “untergewichtige” Kinder.
Zusätzlich zu dem Buch habe ich mir einige Dokumentationen angesehen und auch in meinem privaten Umfeld gefragt, ob jemand dort war. Zumindest die, die ich fragen konnte, waren nie in so einer Einrichtung.
Die Autorin Lena Gilhaus hat in ihrem Buch ihren Vater zu einem dieser Orte begleitet.Denn auch er war davon betroffen. Zusätzlich hat sie mit anderen Personen gesprochen und so ein recht gutes und nachvollziehbares Bild dieser Zeit zeichnen können.
Ich weiß nicht warum, aber als ich das Buch gesehen habe wollte ich es unbedingt lesen. Das Thema Verschickungskinder finde ich irgendwie total spannend und ich wollte mehr darüber erfahren. Einige Berichte in diesem Buch finde ich sehr erschreckend. So wird auch das Thema Missbrauch von Kindern thematisiert. Aber ich denke, dass dieses Thema irgendwie in jedem Bereich (Vereine, Freizeiten, Sport, Kinderbetreuung etc.) auftauchen kann und kein explizites Problem der Kinderverschickung gewesen ist. Es wird auch ausführlich auf die Ursprünge eingegangen aus denen die Kinderverschickung letztlich entsprungen ist. Für meinen Geschmack wurde dieses Thema jedoch zu ausführlich behandelt, so dass diese Kapitel sehr langatmig und ein wenig am Thema vorbei gerichtet waren. Alles in allem war es wirklich ein sehr lesenswertes Buch das sich mit einem Thema beschäftigt dem man nicht so häufig begegnet. Der Schreibstil hat mir auch sehr gut gefallen, besonders die Passagen in denen die Autorin ihre Reise mit ihrem Vater und ihrer Tante schildert.
#Verschickungskinder #NetGalleyDE!
Lena Gilhaus hat mit ihrer Dokumentation "Verschickungskinder" ein brandheißes Thema angefasst.Es ist das erste Mal, dass ich darüber etwas gelesen und erfahren habe.Mit diesem Buch kamen Erinnerungen hoch, denn auch ich wurde in private Kinderheime in den 50er Jahren verschickt.Nie wurde darüber später gesprochen, und ich hatte es auch vergessen - bis ich dieses Buch las !Die Urlaube an der See und im Mittelgebirge fanden wahrscheinlich immer auf Anraten der Hausärzte statt .Wenn ich recherchiere, bin ich erstaunt, wie viele in meinem Freundeskreis Verschickungskinder waren. In Kurheimen für viele Wochen verschickt, so dass diese Kinder den Anschluss an ihrer Schulklasse versäumten, zurückgestuft wurden oder auch gleich die Schule wechseln mußten. Erstaunt hat mich allerdings, dass diese Art von Kuren noch weit bis in die 70er Jahre weitergingen.
Die 50er Jahre waren noch geprägt von der Vorkriegszeit, zumindest bezüglich der Erziehungsmethoden für Kinder .Allein die Ratgeberbücher zum Thema Säuglingspflege/Kindererziehung der damaligen Zeit stammten fast alle aus der nationalsozialistischen Zeit .Diese Bücher verkauften wir noch in den 60er und auch frühen 70er Jahren!
Lena Gilhaus hat ein sehr interessantes Buch herausgebracht und sich ausserordentlich intensivi mit dem Thema befasst.Für die heutige Generation von Erziehern und Soziologen ist dieses Buch ein wichtiger Beitrag.
Es ist einfach zum Heulen, welches Leid vielen Kindern einst auf den Kuren angetan wurde! Heute ist es schon allein gar nicht mehr vorstellbar, dass man sein vierjähriges Kind mehrere Wochen allein (!) irgendwohin schickt, wo sich fremde Leute - egal wie gut sie ausgebildet sein mögen - um sie kümmern.
Lena Gilhaus hat ein verstörendes, aufrüttelndes und emotionales Buch über die sogenannten Verschickungskinder geschrieben. Die Erfahrungen ihres Vaters und ihrer Tante ergänzen ihre umfassende Recherche auf ganz persönliche Weise. Es wird allerdings nie rührselig.
Danke Frau Gilhaus, dass sie das Schicksal der Verschickungskinder in die Öffentlichkeit bringen!
Verschickungskinder - ein thema mit dem ich mich noch nicht viel auseinandergesetzt hatte und mit diesem Buch endlich mal anfangen wollte. Sehr anschaulich erzählt mit interessanten Eindrücken und (für ein Geschichtsbuch sehr wichtig meiner Meinung nach) Zeitzeugeninterviews. Dazu eine Autorin, die weiß wie man geschichtliche Dokumente, Unterlagen und ebengenannte Interviews in einen eindrucksvollen und spannenden Fließtext verfasst und man hat das beste Ergebnis, dass man kriegen kann: Ein Buch bei dem man gar nicht merkt wie viel Wichtiges man mitnimmt.
Erschütternd, gut recherchiert soweit möglich, mit persönlich Erlebtem von Vater und Tante. Einzig die Trennung bspw. bei "Erzieher:innen" oder "Zeitzeug:innen" störte den Lesefluss ungemein.
Als ich das Wort „Verschickungskinder“ zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich spontan an die Kinder, die ihm Rahmen der Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg „verschickt“ wurden. Aber das Buch „Verschickungskinder“ von Lena Gilhaus handelt nicht von ihnen. Die Journalistin schreibt vielmehr über die mehr als 15 Millionen Mal, bei denen Kinder ab dem Kindergartenalter (manche waren erst zwei Jahre alt!) wegen unterschiedlicher (zum Teil völlig irrwitziger) Indikationen in Kur geschickt wurden. Ein erschreckendes Buch das sehr schwer zu verdauen ist.
Aber von vorn.
Matthias Vollmer, genannt Matthes, reiste im Frühjahr 1967 zusammen mit seiner jüngeren Schwester Barbara zur „Kinderkur“ nach Sylt. Ziel war es, dass die Kinder zunähmen „und sich bei Spiel, Spaß und gutem Essen an der Nordsee vom verrußten Ruhrpott erholen könnten“. Rund 50 Jahre später schafft er es 2017, mit seiner Tochter Lena über die Erlebnisse zu sprechen, später machen sie die Reise noch einmal zusammen. Die Journalistin recherchiert in der Folge über die Kinderkuren und muss erkennen: die Erfahrungen ihres Vaters sind keine Einzelfälle. In Onlineforen melden sich unzählige andere ehemalige „Verschickungskinder“ und berichten von Essenszwang, Vernachlässigung, Isolation und immer wieder von Gewalt sowohl physisch, psychisch und s**uell. Die schwarze Pädagogik von Johanna Harrer wirkte auch lange nach der Nazizeit noch nach, egal, ob die Heime privat, staatlich oder von kirchlichen Trägern betrieben wurden. Oft können sich die Kinder gar nicht an die Grausamkeiten erinnern, die sie erlebt haben und leiden als Erwachsene plötzlich unter Flashbacks. Dabei waren die Kuren eigentlich gut gemeint, auch die Eltern dachten, sie täten den Kindern etwas Gutes. Indikationen dafür waren zum Beispiel Über- und Untergewicht, Haut- und Atemwegserkrankungen, oft aber auch schlechte Schulnoten oder eine „unstete Familiensituation“. Dann konnten die Kinder der BRD und der DDR an die Nord- und Ostsee, in den Schwarzwald sogar an die Adria verschickt werden, wo sie mit (zumindest aus heutiger Sicht) zweifelhaften Maßnahmen traktiert wurden. Und nicht alle Kuren waren schlecht. Nach der Lektüre von „Verschickungskinder“ und eigener Recherche muss ich aber sagen: die meisten scheinen es aber gewesen zu sein. Die Aufarbeitung läuft bis heute schleppend bis gar nicht. Selbst wenn Kinder auf der Fahrt zur Kur oder während dieser zu Tode kamen, versuchten sich die Verantwortlichen aus der Verantwortung zu stehlen.
Das Buch ist schwere Kost. Wegen der Ereignisse an sich, die so viele Betroffene bis heute leiden lassen, aber auch wegen der Haltung der „Täterseite“. „Insgesamt ist ein Mauern und Schweigen der Verantwortlichen festzustellen“, schreibt Lena Gilhaus. Schuld und Verantwortung wird von Land zu Bund und wieder zurückgeschoben, Krankenkassen, Landschaftsverbände und kirchliche Einrichtungen sehen sich nicht in der Pflicht bei der Aufarbeitung mitzuwirken. Forschende und Betroffene stoßen auf Ablehnung und Untätigkeit. Eine Schande. So viel Gewalt gegenüber Kindern, so viel (Macht)Missbrauch und Demütigung unter dem Deckmäntelchen der „guten Sache“. Frei nach dem Abraham Lincoln-Zitat „Wenn du den wahren Charakter eines Menschen erkennen willst, dann gib ihm Macht“ erkannten viel zu viele Kinder das, was sich hinter den Fassade von Nonnen, Pädagogen und medizinischen Personal verbarg.
Sprachlich fand ich das Buch stellenweise etwas holprig zu lesen und alles in allem als eine Zusammenstellung von journalistischen Recherche-Ergebnissen zu sehen, lose zusammengehalten durch die Geschichte von Lena Gilhaus‘ Vater. Da die Verfasserin Journalistin ist, hat mich das allerdings nicht überrascht. Ihre Ausführungen sind meist eher neutral und sachlich, nur manchmal blitzt etwas Emotion durch. Damit wird sie dem Thema aber durchaus gerecht und das Buch löste das bei mir aus, was es sollte: Entsetzen und tiefe Betroffenheit.
Eine absolute Lese-Empfehlung und von mir fünf Sterne.
"Verschickungskinder" von Lena Gilhaus ist ein außerordentlich bewegendes und wichtiges Buch, das einen tiefen Einblick in ein oft tabuisiertes Kapitel der deutschen Geschichte gewährt. Mit beeindruckender Sensibilität und großer Empathie erzählt die Autorin die Geschichte von Kindern, die in den 1950er und 1960er Jahren von ihren Familien getrennt und auf dem Land in sogenannten "Verschickungsheimen" untergebracht wurden.
Gilhaus gelingt es auf hervorragende Weise, das Schicksal dieser Kinder einzufangen und dem Leser näherzubringen. Sie beschreibt nicht nur die emotional belastenden Erfahrungen, die sie in den Heimen gemacht haben, sondern auch die damit verbundenen langfristigen Auswirkungen auf ihre persönliche Entwicklung. Man fühlt förmlich mit den Protagonisten mit, leidet mit ihnen, aber erfährt auch ihre inneren Siege und Triumphe.
Besonders beeindruckend ist der Schreibstil von Gilhaus. Er ist packend, unverblümt und gleichzeitig einfühlsam, sodass man das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Ihre detailreiche Beschreibung der Umgebung und der Charaktere macht das Buch noch lebendiger und sorgt dafür, dass man sich gut in die damalige Zeit hineinversetzt fühlt.
Ein weiteres Highlight von "Verschickungskinder" ist die Tiefe und Reichweite, mit der die Autorin das Thema behandelt. Sie geht über das bloße Erleben der Kinder in den Heimen hinaus und beleuchtet auch die schwierigen Familienstrukturen, die zu ihrer Trennung geführt haben. Dabei vermeidet Gilhaus jegliche Schwarz-Weiß-Malerei und zeigt, dass es in diesem komplexen Thema kein einfaches Gut oder Böse gibt.
Besonders inspirierend ist auch die positive Haltung, mit der Gilhaus den Verschickungskindern begegnet. Sie gibt ihnen eine Stimme und ermöglicht es ihnen, ihre Gefühle und Erfahrungen auszudrücken. Dadurch schafft sie nicht nur Raum für Verständnis und Empathie, sondern auch für Veränderung und Heilung.
Zusammenfassend kann ich "Verschickungskinder" von Lena Gilhaus nur wärmstens empfehlen. Es ist ein Buch, das nicht nur die Geschichte einer vergessenen Generation erzählt, sondern auch dazu anregt, über die eigenen Erfahrungen und die Trennung von Familie und Geborgenheit nachzudenken. Es regt zum Nachdenken an und sorgt für eine willkommene Sensibilisierung für dieses Thema. Mit großer Freude und Dankbarkeit habe ich dieses Buch gelesen und bin überzeugt davon, dass es auch viele andere Leser berühren und beeindrucken wird.
ES ist erschütternd zu lesen, was mit den Kindern in Ost und West geschah, wenn sie auf Kur geschickt wurden. Ich selbst war in den Siebzigern selbst 3x zur Kur, da ich nach Meinung der Ärzte untergewichtig war. Ich erinnere mich an Heimweh, viele Tränen, Höhensonne und Essen bis zum Übergeben. Das erste mal wurde ich mit vier Jahren verschickt, und ich kann mich auch heute nach 50 Jahren an die Angst vor den Erzieherinnen erinnern, denen die Hand auch locker saß.
Der Autorin ist hier ein sehr realistisches Bild dieser "Verschickungskuren" gelungen, vor allem der Blick auf Ost und West zeigt einmal mehr: bis auf ideologische Unterschiede glichen sich beide Staaten in dieser Hinsicht sehr.
Konnte das Buch leider nicht mehr auf meinen Tolino laden, also konnte ich das Buch leider nicht lesen. Hat sich aber sehr spannend angehört.
Vater und Tante der Autorin wurden als Kinder nach Sylt verschickt. Als Lena Gilhaus davon erfährt, beginnt die Journalistin zu ermitteln – was waren die historischen Hintergründe der Kinderverschickungen, wer betrieb die Heime, wovon war die Pädagogik geprägt, wie wurden die Kuren verschrieben und organisiert? Sie stößt auf ein lang verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte, kommt in Kontakt mit Betroffenen, erhält nach einigen Widerständen teilweise Einblick in Akten, besucht mehrere Einrichtungen. In ihrem Buch sammelt sie Erkenntnisse, Fakten, persönliche Erfahrungsberichte, Stimmen von Ärzten und Pädagogen aus verschiedenen Zeiten.
Das Buch erzählt von erschütternden Kinderschicksalen, die millionenfach passiert sind, und das hat mich als selbst Betroffene sehr bewegt. Dank der Recherchen der Autorin kam nach und nach vieles ans Licht, was jahrzehntelang verschwiegen wurde – es ist unfassbar, wie hartnäckig sich ein solches System der Kindertraumatisierung mit Auswüchsen von Grausamkeit, Misshandlungen und Missbrauch ganz selbstverständlich halten konnte.
Ein informatives, gut recherchiertes, aufwühlendes und wichtiges Buch.
Ausgehend von den Erlebnissen ihres Vaters hat die Autorin mit ihrer akribischen Recherche bewundernswerte Pionierarbeit geleistet. Anschaulich, flüssig lesbar und doch mit unzähligen Verweisen auf Hintergrundmaterial besticht dieses Buch einerseits durch die Empathie mit den betroffenen Kindern und andererseits durch die unvoreingenommenen Analyse der Gründe für die damaligen pädagogischen Konzepte und das Menschenbild, die zu den Traumata vor allem vieler Nachkriegskinder geführt haben. Ein Muss für die Leser*innen von Harald Jähner und Sabine Bode.
Das Thema hat mich schon immer interessiert, warum wurden Kinder in diese vermeintlich hilfreichen Kuren geschickt?
In meinem Verwandenkreis ist das auch durchlebt worden und hat eine bleibenden negative Erinnerung hinterlassen.
Lena Gilhaus hat hier sehr gute Recherchearbeit geleistet und anhand vieler Beispiele gezeigt wie das gesamte System um die Verschickungskinder entstanden ist.
Ich kann das Buch nur Jedem empfehlen.
Gründlich recherchiertes und äußerst interessant geschriebenes Sachbuch über ein dunkles Thema in Deutschland:
Verschickungskinder und organisierte Kinderkuren vor allem der 1950er, 1960er und 1970er Jahre.
Es geht um fragwürdige Erziehungsmethoden, schlimme Missstände, schlechte Organisation zu Lasten der Kinder
bis hin zu Missbrauch und Gewalt.
Mit oftmals traumatischen Folgen für viele teilnehmende Kinder, deren Geschichten in diesem Buch erzählt werden.
Erschreckend, aber insgesamt ein beeindruckendes Sachbuch.
Ursprünglich hatte ich das Buch lesen wollen, weil wir in der Familie über das Thema gesprochen hatten, Dann kam auch die Doku der Autorin ins Fernsehen, da hatte ich das Buch aber schon durchgelesen. Es ist mir beim lesen dann klar geworden, dass auch ich verschickt wurde aber keine so schlimmen Erfahrungen gemacht hatte. Aber das zwanghafte Essen kannte ich auch als Kind. Mich hat die schwarze Pädagogik so entsetzt und die Hilflosigkeit einiger Erzieher. Was für ein wichtiges Thema, das unbedingt aufgearbeitet werden muss. Im Osten und im Westen.
Lena Gilhaus beschäftigt sich in ihrem Buch Verschickungskinder mit einem Thema, das jahrzehntelag totgeschwiegen wurde. Als die Radio- und Fernsehautorin erfährt, dass ihr damals neunjähriger Vater und dessen sechsjährige Schwester 1967 zu den Kindern gehörten, die ohne die Begleitung ihrer Eltern für sechs Wochen zur Erholung in ein Kinderkurheim geschickt wurden, forscht sie nach.
2022 sitzen Gilhaus, ihr Vater und ihre Tante im Zug von Dortmund nach Sylt, um den Erinnerungen der Geschwister nachzuspüren. Erinnerungen, über die sie lange geschwiegen und die sie größtenteils verdrängt hatten. Das, was sie erzählen, deckt sich mit den Erlebnissen und Erfahrungen zahlreicher Verschickungskinder, die in der BRD und der DDR zwischen 1945 und bis in die 1990-er Jahre in eines der vielen Heime fuhren. Viele dieser Einrichtungen lagen abseits von Ortschaften und hatten zu wenig oder kaum für diese Aufgabe ausgebildetes Personal. Kontrollen gab es so gut wie nie, vereinzelte Todesfälle wurden verschleiert. Das waren ideale Bedingungen für Übergriffe des Personals: zwangsweises Aufessen (einschließlich des Erbrochenen), erzwungener "Mittagsschlaf", Einsperren in dunkle Kammern als eine von vielen Bestrafungen sowie sexuelle Annäherungen oder Quälereien war in zahlreichen Kurheimen Alltag. Viele Maßnahmen erinnern an pädagogische Dogmen des Nationalsozialismus': Wannenbäder in eiskaltem Wasser sollen die Kinder abhärten, und unwillkürlich fühlt man sich an Hitlers vielzitierten Ausspruch erinnert, wonach die Jugend "hart wie Kruppstahl" sein sollte.
Es hat schätzungsweise bis zu 15 Millionen Kurverschickungen gegeben. Die genauen Zahlen sind unbekannt, weil sich viele Wohltätigkeitsinstitutionen und kirchliche Einrichtungen beteiligten und diese bis heute kein gesteigertes Interesse an einer Aufklärung über die Zustände in den Heimen haben. Man fühlt sich an das Verhalten der beiden christlichen Kirchen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Kindern erinnert: Nur der dauerhafte Druck hat sie dazu gebracht, sich (teils widerwillig) an der Aufklärung der Taten ihrer Amtsträger zu beteiligen.
Verschickungskinder gehört zu den wenigen Sachbüchern, die sich mit den Bedingungen in den Kinder-Kurkliniken beschäftigen. Lena Gilhaus hat auch mit Menschen gesprochen, die ihre Kinderkur in guter Erinnerung haben, das sind jedoch Ausnahmen. Die überwältigende Mehrheit hat belastende Erinnerungen an diese Zeit, die ihnen eigentlich guttun sollte.
Gilhaus' Buch liefert einen wertvollen Beitrag zur Aufdeckung dieser Missstände, die zu lange verdrängt wurden. Dieses Thema muss medial am Leben erhalten werden, damit früher oder später alle Fakten offengelegt werden können.
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